Dachau (1936)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Dachau
Autor Zerfaß, Julius (1886-1956)
Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1936, Zürich
Titel Dachau
Untertitel Eine Chronik

Erscheinungsort Zürich
Erscheinungsjahr 1936

Verlegt von Europa Verlag
Gedruckt von Genossenschaftsdruckerei Zürich
Publiziert von Zerfaß, Julius (1886-1956)
Umschlaggestaltung von Wolf

Umfang 223 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
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Zusammenfassung

In atmosphärisch dichter Erzählung mit viel wörtlicher Rede schildert Walter Hornung anhand des Protagonisten Hans Firner die Ausschaltung der politischen Gegner des Nationalsozialismus in München und ihre Leidenszeit im Konzentrationslager Dachau in den ersten Monaten des NS-Regimes. Eingangs folgt Hornung seinem Protagonisten Firner bei einem Gang durch München und schildert so szenisch den Umbruch und den beginnenden Terror vor allem gegen die Arbeiterbewegung. Deren, in seinen Augen widerstandslose, Kapitulation vor den Nationalsozialisten kritisiert er scharf. Firner wird verhaftet, misshandelt und mit anderen politischen Gefangenen im Gefängnis Stadelheim inhaftiert. Er ist in einer Zelle mit dem Kommunisten Hammersbacher und dem Sozialdemokraten Saxinger untergebracht, die in der Zelle politische Streitgespräche führen, sich aber langsam einander annähern. Nach seiner Entlassung am 1. Mai bemerkt Firner die rasch um sich greifende Anpassung weiter Teile der Bevölkerung an die neuen Machthaber und das Mitläufertum in der Arbeiterbewegung. In einem ehemals ‚roten‘ Viertel sieht er die Hakenkreuzfahnen geflaggt, dort „bildeten die Papierfähnchen mit dem Hakenkreuz eine einzige Lügenkette“ (S. 33). In die Erzählung streut er dokumentarische Elemente über die bekannt werdenden Morde und Selbstmorde in Dachau ein.

Kurze Zeit später wird Firner erneut verhaftet und wird im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Die brutale Aufnahmeprozedur, die Brutalität und Demütigungen vor allem der prominenten Häftlinge beschreibt er akribisch ebenso wie die auch hier noch fortbestehenden politischen Gegensätze unter den Gefangenen.

Im Mittelpunkt der Darstellung stehen die Arbeitskommandos im Lager, die besondere Gewalt gegen ‚Bonzen‘ und Juden, mit denen gemeinsam Firner zeitweise im harten Strafkommando beim Straßenbau arbeitet. Hornung legt großen Wert auf eine genaue Beschreibung der Taten der SS-Leute, von denen er einzelne hervorhebt und eingehender schildert. In der Darstellung zeigt Hornung auf, wie die politischen Gegensätze langsam schwinden und Solidarität auch über politische Gräben hinweg geübt wird.

Um Weihnachten herum wird Firner aus dem Lager entlassen. Wieder in Freiheit trifft er Leidensgenossen aus Dachau wieder, von denen sich viele nun als Vertreter durchschlagen, teilweise als Tarnung für die Fortsetzung ihrer politischen Arbeit. Der Text endet mit den Morden im Zusammenhang des sogenannten Röhm-Putsches, von denen Firner von einem aus Dachau entlassenen Kameraden erfährt: „Firner sah das Drama mit geschlossenen Augen. Die Nacht um ihn wurde von Schüssen wie von Blitz- und Wetterleuchten erhellt. Am Anfang der Flammenschein des Reichstagsbrandes, der Mord. Mord! schreit es aus allen Ecken Deutschlands. Immer wieder Mord. – Was war das Ende? Die Leichenberge wachsen. Der Führer tritt sie unter sich, schiebt sich verächtlich beiseite. Ueber Gräber vorwärts – immer mehr Gräber! Massengräber! Das Massengrab der Kultur! Und über ihm die ekstatischen Feste der Besessenen“ (S. 223).


Biografie

Julius Zerfaß (geb. 04.02.1886 in Kirn, gest. 24.03.1956 in Zürich), Pseudonym Walter Hornung, war ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Zerfaß wurde früh schon SPD- und Gewerkschaftsmitglied, ab 1907 arbeitete er zudem bei einer Gewerkschaft in Düsseldorf. Bereits während dieser Zeit trat er als Schriftsteller mit publizierten Gedichten in Erscheinung. Ab 1913 schließlich lebte er als freier Journalist in München. Von 1919 bis 1933 arbeitete Zerfaß im Feuilleton der SPD-Zeitung „Münchner Post“; er schrieb Erzählungen, Essays und Kinderbücher.

Unmittelbar nach Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Zerfaß kurzzeitig verhaftet und erhielt anschließend Berufsverbot. Von Juni bis Dezember 1933 war er Häftling im Konzentrationslager Dachau. Im November 1934 schließlich floh er nach Zürich, nachdem er vor einer weiteren bevorstehenden Verhaftung gewarnt worden war. In der Schweiz knüpfte er Kontakte zu zahlreichen emigrierten Sozialdemokraten und schrieb für die Exilpresse. Zerfaß war zudem Mitglied des deutschen P.E.N. Clubs in London. Nach dem Krieg arbeitete er in der Schweiz als freier Journalist sowie als Theater- und Kunstkorrespondent für die „Frankfurter Rundschau“ und publizierte verschiedene Bücher.

Quellen:

  • o.A.: „Julius Zerfaß“. In: Röder, Werner und Herbert A. Strauss (Hg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945. Bd. 2. München 1983. S. 1277f.
  • „Zerfaß, Julius“. In: Nationalsozialismus, Holocaust, Widerstand und Exil 1933-1945. Online-Datenbank. De Gruyter. Dokument-ID: DBE-9190. Online: http://db.saur.de.ezproxy.uni-giessen.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=DBE-9190 (Stand: 19.09.2019).


Werkgeschichte

Walter Hornungs Buch über Dachau rief ein breites, überwiegend positives Medienecho hervor. Das Schweizer „Volksrecht“, wo bereits zuvor ein Bericht Hornungs über Dachau erschienen war, lobte den nüchtern-sachlichen und nicht dramatisierenden Stil. Das hoben auch mehrere Rezensenten lobend hervor. Auch andere Schweizer Zeitungen brachten eine Leseprobe aus dem Buch, die der Verlag verbreitet hatte (vgl. u.a. Burgdorfer Tagblatt, 5.11.1935). Bruno Brandy schreibt im „Neuen Vorwärts“: „Der Verfasser bemüht sich, die Tatsachen sprechen zu lassen, aber da er ein Schriftsteller von Geblüt ist, verstärken die Stimmungen, Reflexionen und Gespräche der Leute seiner Chronik auch das Gewicht, die Kraft und Tiefe dieses Buches“ (Neuer Vorwärts, 01. Dezember 1935). In der „Zeitschrift für Sozialismus“ hob der Rezensent, wie andere vor ihm auch, hervor, dass Hornungs Buch der erste künstlerisch gestaltete Tatsachenbericht über ein KZ sei. Überdies sei Hornung der erste, der nach etlichen Schilderungen über die im Lager fortbestehenden politischen Gegensätze nun nach dem „Abschleifen des fraktionellen Gegensatzes“ vom „Heranwachsen der Gemeinsamkeit durch das gemeinsame Schicksal“ berichte. „Hornungs Buch“, schließt der Kritiker, „ist das Buch eines großen Schriftstellers, vielleicht eines Schriftstellers, der erst durch die Hölle gehen mußte, um die selbstverständliche Größe zu bekommen, die jede Seite dieser Chronik auszeichnet“ (alle Zitate: Zeitschrift für Sozialismus, Juni 1936). Noch 1936 wurde eine niederländische Übersetzung publiziert, 1938 folgte eine russische Ausgabe.

„Het Volk“ in Amsterdam berichtete mehrfach über Hornungs Buch und nannte es einen „zutiefst menschlichen Roman“, der sich sehr von Gerhart Segers Bericht über Oranienburg, in dem der Rezensent vor allem eine politische Anklage sah, und Wolfgang Langhoffs „Die Moorsoldaten“, die im Stile einer Reportage geschrieben seien, unterscheide. Hornung untersuche den Charakter der Peiniger wie ihrer Opfer (vgl. Het Volk, 14. Februar 1936, Zitat ebd.).

1988 erschien ein Reprint der deutschsprachigen Originalausgabe als dritter Band der Werkausgabe von Julius Zerfaß, die seine Heimatstadt Kirn in Auftrag gegeben hat.

Quellen:

  • L.J. van L.:„Nu in concentratiekamp in hongerstaking“. In: Het Volk vom 13.02.1936.
  • L.J. van L.:„Varieté-voorstelling in Dachau“. In: Het Volk vom 14.02.1936.
  • o.A.:„Literarisches“. In: Volksrecht vom 29.11.1935.*Brandy, Bruno: Dachauer Chronik. In: Neuer Vorwärts vom 01.12.1935.
  • o.A: „Julius Zerfaß“. In: Röder, Werner und Herbert A. Strauss (Hg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International Biographical Dictionary of Central European European Emigrés 1933-1945. Bd. 2. München 1983. S. 1277f.
  • o.A.: „o.T.“: Volksstimme vom 06.03.1936.
  • o.A:„Die Wahrheit über Dachau“. In: Volksrecht vom 28.11.1935.
  • o.A.: „Begegnung im Konzentrationslager“ . In: Burgdorfer Tagblatt vom 05.11.1935.
  • Sternbach, H.: Inferno. In: Chwila vom 24.04.1936.
  • Zeitschrift für Sozialismus, Karlsbad (1936), Nr. 33.



Bearbeitet von: Markus Roth