Der Gelbe Fleck (1936)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Der Gelbe Fleck
Autor Grossmann, Kurt Richard (1897-1972)
Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1936, Paris
Titel Der Gelbe Fleck
Untertitel Die Ausrottung von 500000 deutschen Juden

Erscheinungsort Paris
Erscheinungsjahr 1936

Verlegt von Editions du Carrefour
Gedruckt von Imprimerie 5
Publiziert von Grossmann, Kurt Richard (1897-1972)

Umfang 287 Seiten
Abbildungen 33 s/w Fotos, 21 Facsimilés

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
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DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Die Dokumentation „Der Gelbe Fleck“ berichtet auf Grundlage zahlreicher Quellen wie Zeitungsberichten, Gesetzen und Verordnungen sowie Augenzeugenberichten über die zunehmende Entrechtung und Verfolgung der Juden in Deutschland von 1933 bis 1936. Ausgangspunkt und Zentrum der Darstellung sind die im September 1935 erlassenen Nürnberger Rassengesetze. Diese haben, so heißt es im ersten Kapitel, die Illusion Gutgläubiger im In- und Ausland zerstört, die die antijüdische Gewalt und Gesetzgebung für ein vorübergehendes Phänomen hielten. Anders als frühere Pogrome, zum Beispiel in Russland, gehe man in Deutschland kalt und systematisch vor und der gesamte Staats- und Parteiapparat stehe dahinter.

Im Antisemitismus der Nationalsozialisten sehen die Verfasser, wie sie mehrfach betonen, ein Ablenkungsmanöver von den immer noch herrschenden sozialen Missständen und von Krisenerscheinungen. Der Einsatz für die in Deutschland bedrohten Juden sei mehr als nur das Engagement für eine Minderheit: „Der Kampf für sie ist der Kampf gegen ein System, das nicht nur eine halbe Million Menschen zum Untergang verurteilt hat, sondern die ganze Welt durch seine Barbarei bedroht“ (S. 18).

Die Entwicklung bis zu den Nürnberger Gesetzen schildern die Verfasser in den folgenden Kapiteln als eine Kette antisemitischen Terrors, der ungeachtet anderslautender Äußerung der NS-Führung ununterbrochen am Werk gewesen sei. Daneben habe eine gesetzgeberische Diskriminierung der Juden in Deutschland eingesetzt, vorbereitet durch diesen Terror und eine antisemitische Hetz-Propaganda, die am Beispiel des „Stürmer“ ausführlich dargestellt wird. 1935 sei diese Entwicklung kulminiert und der Terror flächendeckend gewesen, was mit entsprechenden Listen und Zeugenberichten belegt wird.

In weiteren Kapiteln wird die Zurückdrängung beziehungsweise der vollständige Ausschluss von Juden aus vielen Berufen, Betrieben und Wirtschaftszweigen sowie aus Vereinen, Gesellschaften, Presse, Rundfunk, Theater, Film, Musik, Hochschulen und vieles mehr geschildert. Insbesondere legen die Verfasser die wirtschaftliche Existenzvernichtung von Juden, ihren Betrieben und Geschäften dar. Diese können dem Druck der Partei und der Konkurrenz nicht mehr standhalten, da sie auch unter den Folgen eines stillen Boykotts leiden.

Die Ächtung der Juden im Alltag und im gesellschaftlichen Leben dokumentieren die folgenden Kapitel. Die Flut antijüdischer Schilder in Ortschaften in ganz Deutschland, Bäderverbote gegen Juden sowie zahllose Vorschriften, die massiv in das tägliche Leben eingreifen, werden aufgelistet und exemplarisch dargestellt. „Verfemt und gehetzt“, so das vorweggenommene Fazit dieser Kapitel, „aus Heim und Heimat verjagt, in zitternder Erwartung, welche neuen, den Lebensraum immer enger begrenzenden Verfügungen der morgige Tag bringen wird – das ist der Albdruck, der auf 500000 deutschen Juden lastet“ (beide Zitate, S. 163).

Ein eigenes Kapitel widmen die Verfasser der Olympiade. Hier ist ihnen vor allem an der Widerlegung der NS-Propaganda gelegen. Diese hatte, um die Vergabe der Olympischen Spiele nach Deutschland nicht nachträglich zu gefährden, versichert, im Sport werde zwischen Juden und Nichtjuden kein Unterschied gemacht. Dem stellt die Dokumentation eine lange Liste mit antijüdischen Maßnahmen und Beschlüssen in Sportverbänden sowie eine Aufstellung derjenigen jüdischen Sportler, die in Deutschland nicht mehr antreten können, entgegen.

In einem Kapitel über „Geächtete Liebe“ kommen die Verfasser auf den Kern ihrer Darstellung, auf die Nürnberger Gesetze zurück, die sie als „schändlichste Diffamierung, die jemals in das Gesetzbuch eins Kulturvolks aufgenommen wurde“ (S. 197) charakterisieren. Sie weisen darauf hin, dass bereits vor Erlass der Gesetze gegen ‚Mischehen‘ vorgegangen wurde und dass vor allem auch Fälle von ‚Rassenschande‘ an die Öffentlichkeit gezerrt und verfolgt wurden. Im gesamten Land kommt es vor September 1935 immer wieder zu Anprangerungen solcher Paare, die mit diffamierenden Schildern durch die Orte geführt werden. Die Justiz wird ebenfalls schon vor Erlass der Gesetze aktiv, was die Verfasser anhand eines weithin bekannten Prozesses in Magdeburg vom Juni 1935 ausführlich schildern.

Das Schicksal derjenigen Juden in Deutschland, die in Gefängnissen, Folterkellern und Lagern inhaftiert werden, dokumentieren die Verfasser systematisch in einem gesonderten Kapitel. Anschaulich schildern sie das besondere Leid, das Juden dort widerfährt, indem sie ausführlich auf Augenzeugenberichte aus den Lagern zurückgreifen und diese zitieren. Überdies fügen sie eine ausführliche Liste der in Dachau getöteten jüdischen Häftlinge an, die auf einer Veröffentlichung des „Manchester Guardian“ beruht.

Am Schluss des Buches greifen die Verfasser auf, was bereits Lion Feuchtwanger in seinem Vorwort betont hat. „Das deutsche Volk“, schreibt er dort, „ist nicht identisch mit den Leuten, die heute vorgeben, es zu vertreten. Es wehrt sich gegen sie. Der Tag wird kommen, an dem es die Narren und Lumpen wegfegt, von deren Untaten in diesem Buch die Rede ist“ (S. 6). „Das andere Deutschland“, so die Kapitelüberschrift, umfasse mehrere Million Menschen, die sich mit Abscheu abwenden, sich aber auch unter Lebensgefahr zur Wehr setzen trotz drohender KZ-Haft. „[N]ur dank der immer wieder spürbar werdenden Solidaritätsbeweise der ‚arischen‘ Bevölkerung können zehntausende verfolgte Juden in Deutschland ihr Leben überhaupt noch ertragen“ (S. 268), meinen die Verfasser. Wenig später betonen sie: „Das, was in Deutschland geschieht, ist nicht Deutschland! Es schändet seinen Namen“ (S. 270).

Werkgeschichte

Die Dokumentation „Der Gelbe Fleck“ erschien im Herbst 1936 in der Editions du Carrefour, dem Verlag Willi Münzenbergs, der bereits zuvor wichtige und erfolgreiche Dokumentationen über den Terror in NS-Deutschland wie das „Braunbuch“ veröffentlicht hatte.



Bearbeitet von: Markus Roth