Die Judenausrottung in Polen. Serie 2 (1944)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Die Judenausrottung in Polen. Serie 2. Das Martyrium des Warschauer Ghetto
Autor Silberschein, Abraham (1881-1951)
Genre Augenzeugenbericht, Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1944, Genf
Titel Die Judenausrottung in Polen. Serie 2. Das Martyrium des Warschauer Ghetto

Erscheinungsort Genf
Erscheinungsjahr 1944
Auflage Erstauflage

Publiziert von Silberschein, Abraham (1881-1951)

Umfang 39 Seiten
Abbildungen 5 Fotografien, 2 Karten


Zusammenfassung

Die von Abraham Silberschein zusammengetragenen Augenzeugenberichte zum Warschauer Getto wurden erstmals auf Französisch unter dem Titel „Extermination des Juis Polonais‘ in einer Serie veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung vom August 1944 sei, so Silberschein „eine etwas verbesserte und ergänzte deutsche Wiedergabe des französischen“ (S. 1). Im Vorwort betont Silberschein, mit seiner Publikation einer ausführlichen und chronologischen Darstellung der Revolte eine Lücke füllen zu wollen, obgleich „ein lückenloser Bericht über den Kampf im Warschauer Ghetto erst dann veröffentlicht werden können [wird], wenn uns etwaige Aufzeichnungen von Teilnehmern oder Leitern dieses denkwürdigen Ringens zugänglich sein werden“ (S. 2). Präsens und Präteritum wechseln sich im Bericht immer wieder ab.

Der Bericht besteht aus zwei Teilen. Der erste umfasst das Leben im Getto bis zur Revolte und bezieht seine Informationen hauptsächlich aus der jüdischen Zeitung „Gazeta Żydwoska“ und dem polnischen Schwarzbuch sowie Augenzeugenberichten. Er beginnt mit dem Einmarsch der Deutschen in Warschau und dem Beginn der polnischen Verfolgung der Juden. Er schildert kurz den zwangsweisen Umzug aller Juden in das neue Gebiet des Gettos im Oktober 1940 und die Errichtung der Mauer sowie die Verwaltung des neu geschaffenen Gettos. Den Hunger im Getto thematisiert der Bericht ebenso wie die immer strengeren Maßnahmen gegen die Bevölkerung, aber auch das kulturelle Leben im Getto. Ab Oktober 1941 mehren sich die Anzeichen, dass das Getto liquidiert werden soll, die Todesraten steigen. Ab Juli 1942 beginnen die Deportationen, der Judenälteste Czerniaków begeht Selbstmord, da er „sich nicht zum Mörder seiner Brüder machen wollte“ (S. 18). Silberschein lässt hier einige Augenzeugen direkt zu Wort kommen, die von den Deportationen berichten. Die Deportationen bringen Warschauer Juden nach Treblinka, Belzec und Lublin, wo sie in Massenhinrichtungen umkommen. „Von einer halben Million Warschauer Juden sind nach diesen ‚Aktionen‘ nur mehr 50.000-60.000 Juden übriggeblieben“ (S. 22).

Von dem „heldenhafte(n) Ende dieses kleinen Ueberrestes“ (S. 22) handelt der zweite Teil des Berichts. Dieser basiert auf Berichten von Freunden Silberscheins, die unter den Polen lebten und als Verbindungsleute zwischen den Aufständischen und der Polnischen Militärischen Geheimorgansisation (Polska Organizacja Wojskowa) lebten. Beschrieben werden knapp die Lebensbedingungen in dem nach den Deportationen stark verkleinerten Getto ab Juli 1942, aber vor allem die Ereignisse nach dem 18. Januar 1943, den „Tag des ersten bewaffneten Zusammenstosses zwischen Juden und Deutschen“ (S. 25). Seit November 1942 habe man sich im Getto für das Verteidigungswerk gerüstet und es seien Waffen, Maschinengewehre und Bomben unter Kartoffeln verborgen ins Getto gebracht worden. Die Ereignisse des Aufstandes schildert der Bericht detailliert, die Kämpfenden werden angesichts der Aussichtlosigkeit ihrer Lage als Helden dargestellt, so wird etwa der letzte jüdische Bannerträger beim Kampf um das letzte umkämpfte Haus am 42. Tag des Aufstandes mit folgenden Worten geschildert: „Dann, als das Schiessen aufhörte, vernahm man ein Etwas in die Finsternis der Nacht fallen. Es war der junge Bannerträger, der sich wie in ein Leichtentuch in die Falten der Fahne der Erhebung gehüllt hatte, und der auf dem Erdboden zerschellte. Zweiundvierzig Tage hatte er die Fahne gehütet. Die Fahne war rot von seinem Blut, sein Leib von Kugeln durchlöchert“ (S. 34). Abschließend stellt der Bericht noch den Eindruck vor, den der Aufstand auf die Außenwelt und selbst die Deutschen machte.

Der Text enthält außerdem einige Bilder aus Warschau und dem Getto sowie zwei Skizzen des Gettos und am Ende eine kurze Bibliographie zum Warschauer Getto-Aufstand bis November 1944.  

Biografie

Abraham Silberschein (geb. 1881 in Lemberg als Adolf Henryk Silberschein, gest. am 30. Dezember 1951 in Genf) war Rechtsanwalt. Er eröffnete eine Anwaltskanzlei in Lemberg und im Ersten Weltkrieg beteiligte er sich in Wien an humanitären Aktionen für jüdisch-galizische Kriegsflüchtlinge. In den 1920er-Jahren war er Führer der zionistischen Arbeiterpartei Poale-Hitachut in Ostgalizien. 1922 wurde er als deren Abgeordneter in das polnische Parlament, den Sejm, gewählt. Hier schuf er vor allem jüdische Kreditgenossenschaften. Im März 1930 nominierte Joseph C. Hyman ihn und Isaac Joffe aus Riga zum C-Mitglied des Joint Distribution Committee (JDC).

Den Kriegsausbruch erlebte er in Genf als Teilnehmer am 21. Zionistenkongress. Er beschloss, in der Schweiz zu bleiben, wo er Hilfslieferungen für verfolgte Juden in Polen und Deutschland organisierte. 1939 gründete er in Genf das Hilfskomitee RELICO (Relief Committee for Jewish War Victims), das vom World Jewish Congress (WJC) unterstützt wurde. Ab Sommer 1942 musste er das Genfer Büro verlassen und arbeitete allein weiter. In der Schweiz legte er auch seinen ursprünglichen Vornamen Adolf ab, später auch den zweiten Namen Alfred.

Durch seine Kontakte zu jüdischen Organisationen und anderen Informationsquellen, etwa Flüchtlingen aus Polen, konnte er Informationen über die deutschen Verbrechen erlangen und weitergeben. Er vervielfältigte diese Berichte 1944 und gab sie an Zeitungen und Diplomaten weiter.

1944 heiratete er Fanny Hirsch. Im gleichen Jahr gab er die Serie „Die Judenausrottung in Polen“ heraus.

Quelle:

„Abraham Silberschein“. In: EHRI Personalities. Online:https://portal.ehri-project.eu/authorities/ehri-pers-000475 (05.07.2022).



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger