Die Judenausrottung in Polen. Serie 3 (1944)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Die Judenausrottung in Polen. Serie 3 (Die Vernichtungslager. Augenzeugenberichte)
Autor Silberschein, Abraham (1881-1951)
Genre Augenzeugenbericht, Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1944, Genf
Titel Die Judenausrottung in Polen. Serie 3 (Die Vernichtungslager. Augenzeugenberichte)

Erscheinungsort Genf
Erscheinungsjahr 1944

Umfang 109 Seiten
Abbildungen 3 Fotografien


Zusammenfassung

Die von Abraham Silberschein zusammengetragenen Augenzeugenberichte sind in zwei Teile untergliedert. Der erste Teil behandelt die Vernichtungslager im Osten Polens – Lublin, Majdanek, Treblinka und Belzec. Da es aus diesen Lagern kaum Überlebende gibt, gebe es hier keine sehr detaillierten und ausführlichen Berichte, führt Silberschein im Vorwort aus. Der zweite Teil befasst sich mit dem Lagerkomplex Auschwitz und Auschwitz-Birkenau und basiert auf zwei Berichten von drei Augenzeugen, die in den Lagern inhaftiert waren. Wesentlicher Unterschied zwischen den Lagern des ersten und zweiten Teils, so Silberschein im Vorwort, sei gewesen, dass „die Lager im Osten ihre Oberverwaltung im Generalgouvernement hatten, während jene im Westen von Berlin-Oranienburg aus verwaltet wurden“ (S. 1f.).

Dem ersten Teil ist ein kurzer Bericht zu einem Frauentransport im Juli 1942 vorangestellt, der aus der Ich-Perspektive eindringlich und ergreifend schildert, wie 190 Frauen in einem Waggon eingeschlossen qualvoll zu Tode kommen. Die Ich-Erzählerin ist die einzige, die den Transport überlebt und entkommen kann. Der erste Teil führt danach zunächst in die Situation Lublins vor dem Krieg ein und stellt die Bedeutung der jüdischen Bevölkerung kurz vor. Nacheinander werden die Konzentrationslager Lublin, Lublin-Majdanek, Treblinka und Belzec beschrieben, die im Distrikt von Lublin entstanden – sowohl geographisch als auch im Aufbau und Struktur. Des Weiteren werden etwa Aspekte wie die Einlieferung der Häftlinge, die Überlebensbedingungen und Arbeit im Lager, die Bewachung, aber auch Fluchtversuche und Gefangenenrevolten beschrieben. Aufbau und Stil der einzelnen Berichte variieren dabei vom Ich-Erzählstil bis zur unpersönlichen Beschreibung. Alle Texte versuchen jedoch knapp und ‚sachlich‘, die wesentlichen Fakten und Ereignisse wiederzugeben und verzichten dabei auf allzu persönliche oder emotionale Schilderungen. Die Berichte enthalten zudem zwei Pläne der Lager Lublin und Treblinka sowie drei Fotografien, die eine Leiche, die in ein Massengrab geschleudert wird, Häftlinge, die nackt vor dem ‚Todesbad‘ aufgereiht stehen und ein Leichenfeld darstellen.

Der zweite Teil umfasst zwei Berichte zu Auschwitz und Birkenau. Der erste Bericht beschreibt aus der Wir-Perspektive einen Transport nach Auschwitz am 24. März 1942 überwiegend im Präsens. Mit Fortschreiten des Berichts übernehmen jedoch Passagen im Präteritum. So erhält vor allem der Anfang und die Ankunft im Lager besondere Eindrücklichkeit. Im sachlich-nüchternen Berichtsstil werden Ankunft im Lager, Appell, Überlebensbedingungen, Arbeitskommando, das Sterben, Folter, Exekutionen, Gaskammern, aber auch Widerstand thematisiert und beschrieben. Der zweite Bericht setzt sich aus zwei kürzeren Schilderungen über Auschwitz-Birkenau zusammen, von denen der zweite von zwei jungen slowakischen Juden gemeinsam verfasst wurde. Alle Berichte werden aus der Wir- und Ich-Perspektive geschildert. Sie beschreiben den Lagerkomplex, die Kennzeichnung der Häftlinge, die Verwaltung, die Arbeitsbedingungen, das Sonderkommando, die Krematorien sowie eine Übersicht über das Schicksal der einzelnen Transporte. Auch das Schicksal der aus Griechenland eingelieferten Juden wird dargestellt sowie das der ‚privilegierten‘ Häftlinge aus Theresienstadt.

Biografie

Abraham Silberschein (geb. 1881 in Lemberg als Adolf Henryk Silberschein, gest. am 30. Dezember 1951 in Genf) war Rechtsanwalt. Er eröffnete eine Anwaltskanzlei in Lemberg und im Ersten Weltkrieg beteiligte er sich in Wien an humanitären Aktionen für jüdisch-galizische Kriegsflüchtlinge. In den 1920er-Jahren war er Führer der zionistischen Arbeiterpartei Poale-Hitachut in Ostgalizien. 1922 wurde er als deren Abgeordneter in das polnische Parlament, den Sejm, gewählt. Hier schuf er vor allem jüdische Kreditgenossenschaften. Im März 1930 nominierte Joseph C. Hyman ihn und Isaac Joffe aus Riga zum C-Mitglied des Joint Distribution Committee (JDC).

Den Kriegsausbruch erlebte er in Genf als Teilnehmer am 21. Zionistenkongress. Er beschloss, in der Schweiz zu bleiben, wo er Hilfslieferungen für verfolgte Juden in Polen und Deutschland organisierte. 1939 gründete er in Genf das Hilfskomitee RELICO (Relief Committee for Jewish War Victims), das vom World Jewish Congress (WJC) unterstützt wurde. Ab Sommer 1942 musste er das Genfer Büro verlassen und arbeitete allein weiter. In der Schweiz legte er auch seinen ursprünglichen Vornamen Adolf ab, später auch den zweiten Namen Alfred.

Durch seine Kontakte zu jüdischen Organisationen und anderen Informationsquellen, etwa Flüchtlingen aus Polen, konnte er Informationen über die deutschen Verbrechen erlangen und weitergeben. Er vervielfältigte diese Berichte 1944 und gab sie an Zeitungen und Diplomaten weiter.

1944 heiratete er Fanny Hirsch. Im gleichen Jahr gab er die Serie „Die Judenausrottung in Polen“ heraus.

Quelle:

„Abraham Silberschein“. In: EHRI Personalities. Online:https://portal.ehri-project.eu/authorities/ehri-pers-000475 (05.07.2022).



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger