Im Schatten der eisernen Ferse (1949)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Im Schatten der eisernen Ferse
Autor Sprengel, Rita (1907-1993)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

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Ausgabe von 1949, Berlin
Titel Im Schatten der eisernen Ferse
Untertitel Aus dem Leben einer Sozialistin

Erscheinungsort Berlin
Erscheinungsjahr 1949

Verlegt von Lied der Zeit
Gedruckt von Berliner Druckhaus GmbH
Publiziert von Sprengel, Rita (1907-1993)
Umschlaggestaltung von McKing, Georg

Umfang 95 Seiten

Lizenz Lizenz-Nr. 119 der SMA

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Rita Sprengel beginnt ihren Erinnerungsbericht mit dem 4. März 1933, zwei Tage vor den Reichstagswahlen, und beendet ihn nach ihrer Befreiung 1945. Sprengel schildert ihren politischen Kampf für die kommunistische Idee und ihre sechsmonatige Haftzeit im Landesgefängnis für Frauen in Gotteszell in Schwäbisch-Gmünd ab April 1942 sowie die anschließende Gefangenschaft im Konzentrationslager Ravensbrück. Dabei räumt sie den Schilderungen ihres Lebens und ihrer politischen Tätigkeit ab 1933 ebenso viel Platz im Text ein wie ihrer Gefangenschaft im Konzentrationslager.

Bereits Ende Mai 1933, kurz vor ihrem zweiten juristischen Staatsexamen, werden Sprengel und ihr Mann Horst aufgrund ihrer politischen Aktivitäten ein erstes Mal verhaftet und erst im Frühjahr 1934 wieder entlassen. Über diese Haftzeit schreibt die Autorin nur einen kurzen Absatz: „Über dieses Haftjahr wäre manches zu sagen. Und doch: heute lohnt es sich nicht mehr. Dieses erste Jahr war den Stimmen der Geigen vergleichbar. Ich habe das volle Orchesterspiel miterlebt. Ich möchte mich auf den Bericht über dieses Höllenkonzert beschränken“ (S. 7). Ihr Mann jedoch ist durch die Hafterfahrung bereits derart eingeschüchtert, dass er aus Angst vor weiteren Haftstrafen seine politische Arbeit zunächst aufgibt. Als er dies auch von ihr verlangt, kommt es zur Scheidung. Bis zu seinem Tod in den Kriegsjahren bleibt zwischen den beiden jedoch ein enger Kontakt und eine tiefe Bindung bestehen. Nach Sprengels erneuter Verhaftung nimmt ihr Mann den politischen Widerstand wieder auf.

Da sie ihre Ausbildung nach der ersten Haftstrafe nicht mehr beenden darf, wechselt Sprengel mehrfach die Stellungen und arbeitet als Stenotypistin, Mahnbuchhalterin und Direktionsassistentin in einer Fahrzeugfabrik. Auf Verlangen der Gestapo muss sie jedoch entlassen werden und ist in derselben Firma als ‚selbstständige‘ Lastwagen- und Omnibusverkäuferin weiter tätig. Im schlesischen Hirschberg wird sie schließlich Leiterin der Rechts- und Sozialpolitischen Abteilung einer neugegründeten Firma. Ohne ihre politischen Ansichten und Aktivitäten zu offenbaren, versucht sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten, Verbindung zu den Genossen zu halten und politisch gefährdete Mitarbeiter der Firma zu schützen. Anfang 1941 siedelt sie nach Hamburg um. Im gleichen Jahr wird ihr Mann als Soldat eingezogen.

Bei dem Versuch, den engen jüdischen Freund Rudi Weinberg Ende 1941 über die Schweizer Grenze zu bringen, wird sie verraten und am 30. Dezember 1941 verhaftet. Sie wird nach Donaueschingen in das dortige Gefängnis gebracht und Mitte Januar nach Konstanz verlegt. Am 24. Januar ergeht ein für Sprengel selbst überraschend milder Strafbefehl zu sechs Monaten Gefängnis wegen Beihilfe zum Grenzübertritt. Ende April 1942 wird sie nach Gotteszell überstellt. Nach Ablauf der halbjährigen Haftzeit wird sie jedoch nicht entlassen, sondern nach Ravensbrück gebracht. Hier bekommt sie die Häftlingsnummer 12.867. Sie wird zum ‚Bürohäftling‘ ernannt und lernt von der Russin Maja Russisch. Aktiv wirkt sie an Sabotageaktionen mit, indem sie dafür sorgt, dass die Durchschnittsleistung der Arbeiter sinkt und das Arbeitstempo verlangsamt wird. Als besonders einschneidend schildert sie die demütigende Behandlung der Frauen durch die SS. Einzelne Absätze beendet sie mit dem sich wiederholenden Satz: "D a s war Ravensbrück“ (S. 54, Hervorhebung im Original).

Ravensbrück wird aber auch zum Ort der Läuterung für Sprengel. Schonungslos ehrlich und selbstkritisch geht sie mit sich ins Gericht. Das Bild, das Sprengel von sich vor ihrer Haft im KZ Ravensbrück zeichnet, ist das einer kompromisslosen und unbequemen jungen Frau. In der politischen Arbeit sieht sie den – nahezu einzigen – Sinn ihres Lebens, dem sie alles unterordnet, neben ihrer Sicherheit auch ihre Ehe und das Leben ihres ungeborenen Kindes. Als sie schwanger wird, entscheidet sie sich gegen das Kind, obwohl sie sich als Schwangere sehr glücklich fühlt: „‚Ich begehre das Kind. Aber, ich habe Pflichten. Ich bin ein entwickelter Mensch, der etwas bedeuten kann. Ich habe zu wählen zwischen meiner Leistung und der noch unbekannten Leistung meines Kindes. Ich habe mich zugunsten meiner Leistung entschieden‘“ (S. 13f.).

Auch in Ravensbrück will sie anfänglich um jeden Preis überleben, weil sie sich „für einen politisch wertvollen Menschen“ (S. 72) hält. Dafür sei sie bereit, so schreibt sie, sich vor Menschen mit Macht und Einfluss zu demütigen. Diese „unwürdige Haltung“ (S. 72) macht sie aber nicht nur für andere unsympathisch, sie wird sich auch selbst widerwärtig, stellt sie fest. „I c h , die Wertvolle, i c h , die Auserwählte, sprach aus meinem Verhalten“ (S. 74, Hervorhebung im Original). In Ravensbrück wird sie jedoch schließlich von ihrem „Sockel“ (S. 75) heruntergeholt und stellt später fest, dass sie trotz allem „im Konzentrationslager seelisch aufblühte, glücklicher wurde, als ich es in Freiheit gewesen war“ (S. 73).

Der Titel „Im Schatten der eisernen Ferse“ referiert auf Jack Londons sozialistischen Science-Fiction-Roman „Eiserne Ferse“ von 1907. Das Werk spielt im 27. Jahrhundert und beschreibt aus der Retrospektive die Jahre von 1912 bis 1932. Auch im Text selbst verweist Sprengel immer wieder auf Jack London und sein Werk: „Es vermischen sich Jack Londons Visionen und meine Wirklichkeit zu einem grausigen Spuk“ (S. 35).


Biografie

Rita Sprengel (geb. 06.01.1907, gest. 20.12.1993) verlor schon mit acht Jahren ihre Mutter. Sie studierte Jura und wollte Rechtsanwältin werden. Sie war in der inzwischen illegalen kommunistischen Partei aktiv und setzte sich auch juristisch für die Arbeiterschaft ein. 1933 wurde sie zusammen mit ihrem Ehemann Horst verhaftet und in Berlin sowie im Konzentrationslager Mohringen inhaftiert. Hier entwickelte sie zusammen mit anderen Frauen ein Weiterbildungsprogramm und gab dem Sohn des Lagerkommandanten Nachhilfestunden in Physik, Chemie und Mathematik. Nach ihrer Entlassung aus dem Lager arbeitete sie im Untergrund weiter. Eine Schwangerschaft brach sie 1937 wegen der politisch schwierigen Situation ab.

1941 wurde sie erneut verhaftet und in das KZ Ravensbrück überstellt, wo sie bis zur Befreiung des Lagers interniert war. Nach 1945 promovierte sie über das Tarifvertragsrecht und legte das zweite juristische Examen ab. Sie nahm zwei Pflegekinder auf und wurde Arbeitsökonomin. Einige Jahre war sie als Dozentin für Arbeitsökonomie an der Humboldt-Universität tätig. Bei der Mitgliederüberprüfung innerhalb der SED 1950/1951 wurde sie aus der Partei ausgeschlossen, konnte jedoch weiterhin Forschung im Bereich der Arbeitsökonomie betreiben. Erst nach langem Kampf wurde sie wieder in die Partei aufgenommen. Immer wieder schrieb sie über ihre Erlebnisse im Nationalsozialismus. Bis auf das Werk „Die eiserne Ferse“ von 1947 wurden diese jedoch in der DDR nicht veröffentlicht. Ihre Lebenserinnerungen „Der roten Faden“ erschienen 1994 in Berlin.

Quellen:




Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger