Kraft durch – Feuer (1939)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Kraft durch – Feuer
Autor Frank, Rudolf (1886-1979), Halbert, Abraham (1881-1965)
Genre Drama

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1939, New York,Zürich
Titel Kraft durch – Feuer
Untertitel Die Nacht vom 9. November 1938

Erscheinungsort New York,Zürich
Erscheinungsjahr 1939

Verlegt von Verlag „Die Gestaltung“

Publiziert von Frank, Rudolf (1886-1979), Halbert, Abraham (1881-1965)
Umschlaggestaltung von Geßner, Robert Salomon (1908-1982)

Umfang 80 Seiten

Preise 4,- Schweizer Franken (als „Luxusausgabe 6,50 Schweizer Franken) oder 3,50 Schweizer Franken und 6,- Schweizer Franken in der „Vorzugsausgabe“ mit Unterschrift des Autors
Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Das vieraktige Drama „Kraft durch – Feuer“ stellt eine der ersten Versuche dar, die Ereignisse der Reichspogromnacht in Deutschland, nur drei Monate danach, literarisch zu behandeln. Geschildert werden die Geschehnisse um die fiktive jüdische Familie Buchsbaum in Frankfurt und Cronberg im Taunus während der Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1939. Dabei stehen nicht nur die Gewalttaten der Nationalsozialisten (Zerschlagung und Brandschatzung von jüdischen Geschäften, Hausdurchsuchungen, Gewaltandrohung, Zerstörung wichtiger Dokumente und das Anzünden der Synagogen) im Vordergrund, sondern vielmehr die unterschiedlichen Reaktionen der einzelnen Figuren. Dabei stellt Frank die Sichtweisen von betroffenen Juden, agierenden Nationalsozialisten, helfenden oder sich bereichernden Deutschen, von involvierten Ausländern und des gleichgeschalteten Radiofunks nebeneinander, damit sich ein breites Spektrum des damaligen Meinungsbilds ergibt. Erster Akt: Familie Buchsbaum – bestehend aus dem jüdischen Vater Otto und seiner ‚arischen‘ Ehefrau, der Belgierin Alice Vervier, mit deren Töchtern aus erster Ehe Marianne und Gila – lebt ein gutbürgerliches Leben in Cronberg im Taunus, bis sich die Ereignisse während der Reichspogromnacht überschlagen. Sie werden Opfer einer Hausdurchsuchung durch lokale Nationalsozialisten. Neben die eigene Angst tritt auch die Sorge um die Eltern Ottos in Frankfurt. Der Portier Pardemann erweist sich als Freund der Familie, warnt vor dem nahenden nationalsozialistischen Mob und gibt der Familie Lebensmittel, die sie in den Geschäften als Juden nicht mehr kaufen dürfen. Als es zur Hausdurchsuchung kommt, sind die jüngere Tochter Gila und Otto allein; aus Angst, dass ihrem Adoptivvater etwas geschehen könne, schließt sie ihn überraschend im Nebenzimmer ein und stellt sich allein den SS-Männern.

Zweiter Akt: Der zweite Akt spielt zeitlich parallel zum ersten und schildert die Ereignisse im Teppichgeschäft der Eltern von Otto Buchsbaum. Dieses wird aus einem vermeintlich spontanen Volkszorn heraus – bei dem sich aber immer deutlicher herausstellt, dass es sich um einen von Staffelführer Strickrodt organisierten Aufmarsch handelt – zerstört und geplündert. Das Gespräch zwischen Mathilde und Heinrich Buchsbaum mit Strickrodt steht dabei im Vordergrund: Egal in welche Richtung das ältere Ehepaar ausweicht, Strickrodt verdreht ihnen das Wort im Mund und lässt sie die drohende Gefahr spüren. Er erzählt zudem von seinem Dienst in einem „Kazett“ – so die Schreibung im Text – und beschreibt die Funktionsweise eines Bunkers („Im Bunker, da kannste dich nicht ausstrecken. Da kannste nicht sitzen und nicht stehen und nicht liegen. Vierundzwanzig Stunden dauert der Spaß so im allgemeinen. Und alle fünf Minuten musst du Kikeriki rufen. Wenn du nicht Kikeriki rufen kannst – schon haste ʼn paar Striemen im Gesicht. […] Hübsch, was?“, S. 37) Zwischendurch tritt der Mieter der Buchsbaums, Friseur Wollemer, ein und bringt das Ehepaar dazu, ihm das Haus weit unter Wert zu verkaufen. Als ihre Schwiegertochter Alice plötzlich auftaucht, gelingt es dieser zwar, durch die Drohung einflussreiche belgische Verwandte anzurufen, die Horde abzuschrecken, jedoch steckt der Staffelführer alle persönlichen Dokumente des Ehepaars ein. Dies macht ihnen die geplante Emigration nach Palästina unmöglich.

Dritter Akt: Im Hause Otto Buchsbaums stellt sich Gila dem NS-Trupp. Werner Lutz, mit dem sie eine alte Liebe verbindet, die jedoch an der NS-Gesinnung von Werner zerbrach, hilft ihr trotz allem, die Gruppe für kurze Zeit abzuwehren und Otto an ihnen vorbei aus dem Haus zu schleusen. Als Gilas ältere Schwester von einem BDM-Treffen nach Hause kommt, wird in der Unterhaltung zwischen den Mädchen deutlich, dass Marianne den Parolen der Nationalsozialisten glaubt und für eine Scheidung der Mutter ist. Zwar war es ihr recht, von Otto in den vorherigen Jahren finanziell unterstützt zu werden, doch will sie sich nicht in Gefahr bringen und plant den Auszug aus dem Haus und den Bruch mit der Familie. Schlussendlich erscheint die Großmutter der beiden, die Belgierin Madame Joursanvault, und der SS-Trupp verlässt das Haus, als sie erfahren, dass Werner Lutz Otto Buchsbaum ‚abgeführt‘ hat.

Vierter Akt: Otto, Alice, Heinrich, Mathilde, Gila und Madame Joursanvault treffen sich im „Niemandsland“ (S. 6) vor der belgischen Grenze wieder. Eine Einreise in das Land gelingt ihnen nicht, da ihnen Pässe fehlen und die belgischen Soldaten weder sie noch die anderen traumatisierten, wartenden Flüchtlinge über die Grenze lassen. Frau Lichtenstein, eine der Flüchtlinge, bringt mit Hilfe von Otto, der Arzt ist, ein Kind auf die Welt, stirbt aber an den Folgen der Nervenzerrüttung. Den Jugendlichen Gerty Bamberger und Paul Guttmann gelingt der Versuch, sich über die grüne Grenze zu schlagen. Wie es für den Rest der Gruppe ausgeht, bleibt am Ende unklar. Ein Monolog des Pfarrers Giese, der die Wichtigkeit der Menschlichkeit und die enge Verbindung zwischen Judentum und Christentum thematisiert, schließt das Drama ab.

Der Titel „Kraft durch – Feuer“ variiert den Namen des NS-Programms „Kraft durch Freude“ und steht in engem Zusammenhang zu den Brandschatzungen der Synagogen und jüdischen Geschäfte. Im Text selbst wird immer wieder darauf Bezug genommen, so heißt es u.a. an einer Stelle: „Kraft durch Freude, das zieht nicht mehr. Jetzt machen sie Kraft durch Feuer“ (S. 18).

Autorbiografien

Frank, Rudolf (1886-1979)

Rudolf Frank (geb. 16.09.1886 in Mainz, gest. 25.10.1979 in Basel) wuchs in einer assimilierten jüdischen Bürgerfamilie auf, studierte in München, Zürich, Heidelberg und Berlin und promovierte schließlich 1908 in Jura an der Universität Gießen. Er arbeitete in den folgenden Jahren als Schauspieler, Regisseur, Dramaturg, Intendant unter anderem an Theatern in Berlin, München und Frankfurt. Auch während des Ersten Weltkriegs blieb er als Leiter des Nationaltheaters in Bukarest im Kulturbetrieb tätig.

Frank schrieb eigene Theaterkritiken, Kinderbücher sowie Drehbücher und war als Herausgeber von Heine und E.T.A. Hoffmann aktiv. Zudem war er ebenfalls für Funk, Film und Zeitungen tätig. Frank wurde so zu einer gut vernetzen Größe im Kulturbereich, arbeitete unter anderem mit Brecht und Feuchtwanger. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich dies drastisch: Im März 1933 wurde Frank inhaftiert und in den folgenden Jahren konnte er vermehrt nur noch unter Pseudonymen und in jüdischen Zeitschriften publizieren. Sein bekannter Anti-Kriegsromans für Jugendliche „Der Schädel des Negerhäuptlings Makaua“ von 1931 (heute: „Der Junge, der seinen Geburtstag vergaß“) wurde verboten; zudem wurde ihm das Schreiben durch den Ausschluss aus der Reichskulturkammer unmöglich gemacht. Im Dezember 1936 emigrierte Frank nach Wien, seine Ehefrau und die beiden Söhne blieben zunächst in Deutschland. Später folgten ihm die beiden Jungen in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod lebte. Seine Frau Anna war bis zu ihrer versuchten Emigration nach Palästina zunächst in Deutschland geblieben. Britische Truppen nahmen sie auf der Überfahrt gefangen und hielten sie auf Mauritius in einem Internierungslager gefangen, bis sie 1945 nach Palästina emigrieren konnte. Während des Zweiten Weltkriegs versuchte Frank in der Schweiz Fuß zu fassen. Durch gelegentliche Auftragsarbeiten – teils unter Pseudonymen wie Frank Ruddy –, Übersetzungen aus dem Englischen und der inoffiziellen Arbeit als Lektor für den von ihm mitbegründeten Leuenverlag konnte er sich ein kleines finanzielles Auskommen sichern. Frank verfasste auch in der Schweiz Romane und Dramen, darunter „Fair play“ und zusammen mit Abraham Halbert „Kraft durch – Feuer!“ Doch auch weiterhin war Frank auf Unterstützungszahlungen angewiesen, die er unter anderem von der American Guild of Cultural Freedom, dem Thomas-Mann-Fond und der Flüchtlingshilfe des Israelitischen Kultusgemeinde Zürich erhielt. Eine geplante Ausreise in die USA scheiterte an den Visabestimmungen. Das Leben im Exil war hart: „Ich arbeite noch immer und unter den schwersten Umständen. Um mir ein Mittagessen zu besorgen, muss ich mehr als einen halben Tag an Zeit aufwenden. Und die Miete bin ich schuldig. Und dazwischen schreibe ich, habe aber keine Arbeitserlaubnis“ (zitiert nach Wende 2002, S. 162). Im Januar 1943 wurde Frank denunziert und wegen Verstößen gegen sein Arbeitsverbot von Juni bis Oktober in St. Cergue interniert – er entging nur knapp einer Auslieferung an Deutschland. Im Lager konnte er sich kulturell engagieren, veranstaltete Kulturabende sowie Vorträge und arbeitete sogar im Geheimen an weiteren Texten. Aufgrund seines schlechten seelischen und körperlichen Gesundheitszustands muss seine Lagerzeit durch einen mehrwöchigen Aufenthalt in einer Nervenklinik unterbrochen werden. Im Juli 1944 wird er wegen des besseren Klimas in ein Internierungslager im Tessin verlegt. Nach Kriegsende fällt Frank der Wiedereinstieg unter anderem auf Grund seines fortgeschrittenen Alters schwer und er kann lange nur durch Fürsorgezahlungen der israelitischen Flüchtlingshilfe und der evangelischen Kirche Baselland sein Leben bestreiten. Auch die Ausreisepläne Franks zu seinem in den USA lebenden Bruder scheitern. Zunächst beharren die Schweizer Regierungsverwaltungen auf der Ausreise Franks; erst nach fünf Jahren wird sein Ausweisungsbefehl aufgehoben und Frank erhält am 2. Februar 1948 ein Dauerasyl in der Schweiz. Bis zu seinem Lebensende arbeitete Frank als Übersetzer, Theaterkritiker und für Radio Basel.

Quellen:

  • „Dossier: Frank, Rudolf, 1886“. In: Schweizerisches Bundesarchiv BAR, Bestand: E4320B. Aktenzeichen: C.16-06177 P.
  • Frank, Rudolf: Spielzeit meines Lebens. Heidelberg 1960.
  • Heinzelmann, Josef: „Rudolf Frank – Theatermann und Schriftsteller“. In: Grab, Walter und Julius H. Schoeps (Hg.): Juden in der Weimarer Republik. Skizzen und Porträts. Darmstadt 1998, S. 107-126.
  • Homepage der Ausstellung zu Rudolf Frank. Online: http://www.rudolf-frank.net (Stand: 17.09.2019).
  • Schrender, Saskia: „Frank, Rudolf“. In: Kilcher, Andreas B. (Hg.): Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar 2000, S. 148f.
  • Wende, Frank: „Rudolf Frank“. In: ders. (Hg.): Deutschsprachige Schriftsteller im Schweizer Exil 1933-1950 (=Gesellschaft für das Buch 8). Wiesbaden 2002, S. 158-176.

Halbert, Abraham (1881-1965)

Abraham Halbert (geb. 16.09.1881 in Botoshani als Avrum Halpert, gest. 15.10.1965 in Hamburg) wurde als Sohn deutscher Juden auf einer Reise in Rumänien geboren und wuchs in Deutschland auf. Nach seinem Studium in Marburg, Leipzig sowie in Berlin arbeitete er unter anderem als Journalist, Werbefachmann, Mitherausgeber von „Kritik der Kritik. Monatsschrift für Künstler und Kunstfreunde“ oder „Nord und Süd“ und als erfolgreicher und bekannter Autor von Dramen, Novellen und Romanen wie „Das Rätsel: Jude“ von 1905. Teilweise publizierte er unter dem Pseudonym Albert Ganzert. 1933 wurden Halbert die Mitgliedschaften im Verband deutscher Schriftsteller und im Verband deutscher Bühnenschriftsteller aufgekündigt, was einem Berufsverbot gleich kam. 1934 emigrierte er daher – ohne seine Töchter und seine nichtjüdische Frau, von der sich hatte scheiden lassen, damit sie unter der Verfolgung nicht zu leiden hatte – von Hamburg nach Wien, wo er als Autor wieder freier publizieren konnte: Sein antinationalsozialistisches Stück „Die Grenze“ wurde zum großen Erfolg in Wien mit 282 Aufführungen im Jüdischen Kulturtheater, in der Tschechoslowakei, in Chicago und New York; geplant waren Aufführungen auch in Polen und Palästina. In Wien verfasste Halbert zahlreiche neue Stücke und Texte. Ab März 1938 war er allerdings auch in Wien nicht mehr sicher und flüchtete nach Zürich, wo er mit Rudolf Frank das Stück „Kraft durch – Feuer“ schrieb. Doch nicht nur das Drama vollendete er, sondern er verfolgte im Schweizer Exil eine Vielzahl von Projekten. In einem Brief Halberts heißt es: „Ich arbeite wie besessen. Denn ich habe einen richtigen Schreibtisch, sitze auf dem Zürichberg und darf schreiben“ (zitiert nach Wende 2002, S. 186). Überliefert sind verschiedene Manuskripte, die Halbert zwischen 1939 und 1945 verfasste, die jedoch nicht veröffentlicht wurden, so zum Beispiel „Menschen im Exil“ oder „Schaufenster Schweiz“. Halbert lebte mit starken gesundheitlichen Problemen in Zürich unter finanziell sehr prekären Bedingungen und wurde dort vom Verein Schweizerische Jüdische Fürsorge (VSJF), der Israelitischen Armenpflege in Zürich sowie der dortigen Kultusgemeinde betreut. Wie Rudolf Frank wurde er zudem mit kleinen Summen durch die American Guild for Cultural Freedom unterstützt; auch schickten seine Töchter in den ersten Monaten etwas Geld, bis dies ab Januar 1939 nicht mehr erlaubt war. Bei Hilfegesuchen gab er Sigmund Freud und Thomas Mann als Referenzen an und schrieb auch Briefe an führende Schweizer Persönlichkeiten wie den Prinz zu Löwenstein. Die geplante Ausreise in die USA oder nach Palästina, um die er und die American Guild for German Cultural Freedom sich nachdrücklich bemühten, gestaltete sich schwierig, da er laut Geburtsort Rumäne war und die Quoten für diese Nationalität eine Einreise in die USA für Jahrzehnte unmöglich machten. So lebte Halbert unter dem ständigen Druck, dass ihm die Aufenthaltserlaubnis durch die Schweizer Behörden aberkannt und er in einem Lager interniert werden könnte. Trotz kleiner Lichtblicke, wie der Tatsache, dass englische Zeitungen Artikel von ihm veröffentlichten oder Agenten im Ausland Übersetzungen seiner Werke planten, verschlechterten sich seine Situation und sein Gesundheitszustand zusehends. So schreibt er in einem „Notruf“: „Materiell halte ich durch – denn ich brauche wenig. Aber körperlich und seelisch muss ich zu einer Ruhestätte kommen – Ruhestätte so oder so“ (Personalakte Halbert, o.Bl.). Im August 1941 wurde Halbert die Drucklegung eines seiner Bücher in der Schweiz untersagt, auch erhielt er Publikationsverbot in allen Schweizer Presseorganen. Die Hoffnung, in Amerika einige seiner Stücke zu publizieren, zerschlug sich ebenfalls. Letztendlich durfte Halbert bis Kriegsende und darüber hinaus in der Schweiz bleiben. Seine Frau zog 1945 zu ihm nach Zürich und sie verfassten gemeinsam Familienratgeber. Nach Jahren des Schweizer Exils kehrte das Ehepaar 1960 nach Wiesbaden zurück und lebte ab 1964 wieder in Hamburg.

Quellen:

  • „Archiv der American Guild for German Cultural Freedom, New York“. In: Deutsche Nationalbibliothek, EB 70/177 (Personalakte Halbert, Abraham).
  • Dalinger, Brigitte (Hg.): Quellenedition zur Geschichte des jüdischen Theaters in Wien (=Conditio Judaica. Studien und Quellen zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte 42). Tübingen 2003, S. 135.
  • Halbert, Abraham: „Dieser Notruf“. In: „Archiv der American Guild for German Cultural Freedom, New York“. In: Deutsche Nationalbibliothek, EB 70/177 (Personalakte Halbert, Abraham), o.Bl.
  • Heinzelmann, Josef: „Rudolf Frank – Theatermann und Schriftsteller“. In: Grab, Walter und Julius H. Schoeps (Hg.): Juden in der Weimarer Republik. Skizzen und Porträts. Darmstadt 1998, S. 107-126.
  • Wende, Frank: „Abraham Halbert“. In: ders. (Hg.): Deutschsprachige Schriftsteller im Schweizer Exil 1933-1950 (=Gesellschaft für das Buch 8). Wiesbaden 2002, S. 186-196.


Werkgeschichte

Das Drama von Abraham Halbert und Rudolf Frank wurde im Januar 1939 in einer Doppelauflage in einer kartonierten sowie einer ‚Luxusausgabe‘ in der Schweiz publiziert. Die beiden Autoren wählten das Pseudonym Albert Rudolph, da ihnen als Emigranten eigentlich ein striktes Arbeitsverbot durch den Schweizer Staat auferlegt worden war. Wer der eigentliche Verfasser des Stückes ist, bleibt bis heute unklar. Rudolf Franks Sohn Vincent Frank weist darauf hin, dass Halbert den Kontakt zum Verlag vermittelt und „Detailkenntniss[e] über die ‚Reichskristallnacht‘“ (Jakobi 2005, S. 106) geliefert, aber nicht am Text mitgearbeitet habe. Gleichzeitig haben sich in der Personalakte von Abraham Halbert im Archiv der American Guild for German Cultural Freedom Quellen erhalten, in denen Halbert seine Autorschaft betont. In diesen Quellen lautet der Titel des Stückes noch „Die Sicherung ist durchgebrannt … oder: Freude durch Feuer!“ sowie an anderer Stelle „Kraft durch Feuer oder: Feuerland“. Eine Zusammenarbeit belegt allerdings das Pseudonym, unter dem der Text veröffentlicht wurde: Albert Rudolph ist eine Zusammensetzung aus den Pseudonymen, die die Autoren Frank und Halbert nutzten.

Laut Halbert soll das Stück in sieben Tagen und Nächten entstanden sein. Da es nur knapp zwei Monate nach den Ereignissen der Reichspogromnacht in Deutschland verlegt wurde, stellt es eine der ersten literarischen Bearbeitungen des Themas dar. Abraham Halbert berichtet in einem Brief davon, dass er das Stück über die Weihnachtsfeiertage 1938 korrigierte und die ersten gedruckten Exemplare Anfang Januar 1939 erwartete. Gleichzeitig ist es auch der einzige Text Franks, der während seiner Exilzeit gedruckt wurde. Weitere Ausgaben in den Folgejahren können nicht nachgewiesen werden und eine von Halbert angestrebte Übersetzung ins Englische, die mit großem Einsatz und vielen Anfragen bei amerikanischen Verlegern und Agenten durch die American Guild for German Cultural Freedom geplant war und für die Halbert Exemplare nach New York schickte, wurde nicht verwirklicht. Laut Angaben des Verlags gab es zwar Anfragen von amerikanischen, britischen und französischen Theatern sowie Bühnen in Palästina und Filmfirmen, jedoch sind öffentliche Aufführungen nicht überliefert. Hingegen wurde das Stück mehrfach in „privaten Zirkeln“ (Heinzelmann 1998, S. 116) „in verschiedenen, jüdischen und christlichen Kreisen“ (Anschreiben des Verlags an jüdische Zeitungen, o.S.) durch Schauspieler vorgetragen. Unter anderem wurde es bei Prof. Dr. Ragatz gelesen; Weihnachten 1938 schrieb Halbert von vier Lesungen, die bereits stattgefunden hätten. Die Zuschauer sollen so begeistert gewesen sein, so Halbert in einem Schreiben an die American Guild for German Cultural Freedom, dass sich sofort Leute gefunden hätten, die das Buch in den Druck geben wollten. Das Drama wurde auch am 8. August 1940 auf Deutsch im amerikanischen Rundfunk gesendet, worüber der „Aufbau“ berichtete.

Zahlreiche Rezensionen, die in der Zentralbibliothek Zürich erhalten sind, verdeutlichen, wie breit das Drama in Buchform in ganz Europa rezipiert wurde. Der Verlag verschickte zahlreiche Rezensionsexemplare und thematisierte bereits im Anschreiben an die Rezensenten die zeitgeschichtliche Bedeutung des Stückes: „Dieses Stück hat seine Aufgabe erfüllt, wenn es mithilft, die Menschen aus ihrer Gleichgültigkeit aufzurütteln und die verschütteten Quellen der Liebe wieder aufzudecken“ (Werbeschreiben, o.S.). Weiter hieß es von Seiten des Verlags: „Jeder Mensch in dieser Zeit muss retten, helfen! Helfen, dass dieses Zeitstück Resonanz in der Welt findet und neue Retter weckt. Das Vergessen ist der größte Feind der Wahrheit!“ (Bestellschein, o.S.) Der Verlag betont in seinem Anschreiben daher vehement die Wichtigkeit einer schnellen Besprechung in den Zeitungen, denn die „brennende Aktualität“ erfordere eine „möglichst sofortige Anzeige und Stellungnahme“ (beide Zitate Anschreiben des Verlags an allgemeine Weltblätter, o.S.). Rudolf Frank kommt dabei ebenfalls persönlich zu Wort und geht auf den Appellcharakter des Buches und seine Intention ein: „Dieses zeitgeborene Stück Leben predigt nicht Hass, fordert nicht Rache. Es fordert: Mut – zum Mut. Wille zur Tat. Mut zur Tat“ (ebd., o.S.). Auch Abraham Halbert ist von der großen Bedeutung des Stückes überzeugt: Er spricht in einem Schreiben an die American Guild for German Cultural Freedom davon, dass die Zuhörer der Lesungen in privaten Zirkeln alle überzeugt seien, „dass dieses Stück eine Waffe werden kann in unserem Kampf, sowohl auf der Bühne wie im Film“ (Schreiben an Doktor von Zuelsdorf, 24. Dezember 1938, o.Bl.). Halbert teilt auch mit, dass er es „bewusst als Aufklärungs- und Aufrüttelungsschrift geschrieben hat. Alle Reden, Boykotts usw. nützen nicht halb soviel, wie das Bild einer Sache. Und das gibt das Stück, glaub ich, ohne Hass, ohne Rache – nur mit ehrlichen dramatischen Mitteln und der Inbrunst des Gewissens“ (ebd.). Um die Verbreitung des Stückes unter einflussreichen britischen Lesern voranzutreiben, warb der Verlag auch damit, dass er 200 gestiftete Ausgaben auf seine Kosten nach Großbritannien und in die USA schicken würde; diese Exemplare waren von Zuhörern der Lesungen in der Schweiz bezahlt worden. Immer wieder schrieb Halbert auch an einflussreiche Personen in den USA, um die dortige Drucklegung des Buches zu verwirklichen. Er stand auch in Gesprächen mit Theatern in London und Paris, die das Stück aufführen wollten.

Die Werbekampagne des Verlags trug Früchte und das Drama wurde in zahlreichen niederländischen, schweizerischen, finnischen, ungarischen, belgischen und deutschsprachigen Zeitungen in Amerika ebenso wie in Exilzeitungen der Sozialisten wie dem „Vorwärts“ in Frankreich oder im „Israelitischen Wochenblatt“ besprochen. Der größte Teil der Rezensionen ist durchweg positiv. So schrieb Dr. Sascha Charles in der New Yorker „Neuen Volkszeitung“: „Auf knapp achtzig Seiten werden mit dramatischer Wucht das Schicksal und die Schande unserer Generation geschildert. […] An den unseligen Vorgängen dieser Nacht wird uns blitzartig die Bestialität unserer Zeit offenbar. Was wir sonst in den Zeitungen lesen, ohne dass es mehr sonderlichen Eindruck auf unsere abgestumpften Gemüter macht, hier wird es uns von einem Dichter ins Herz und Hirn gebrannt […]. Dieses Stück wirkt ungleich besser als tausend Propaganda-Broschüren, und bedeutet eine wesentliche Bereicherung der Emigranten-Literatur. Es müsste über alle Bühnen der heute noch zivilisierten Welt gehen“ (17. Juli 1939, o.S.). Dem Wunsch nach einer Aufführung des Stückes schlossen sich viele weitere Rezensenten an, so schrieb auch die „Volksstimme“ in Sankt Gallen: „Unsere Theater sollten sich des Stückes annehmen, es ist ein wuchtiges Zeitstück und wird eine große bessernde Wirkung auf die Menschen haben“ (4. April 1939, o.S.). Viele Rezensenten gehen auch auf den Wirklichkeitsgehalt des Stückes ein, so heißt es beispielsweise in der „Solothurner Zeitung“: Das Stück „packt den Leser weniger aus künstlerischen, als vielmehr aus politischen und menschlichen Erwägungen. Das Schauspiel behandelt gleichsam auf dokumentarischer Grundlage an einigen krassen Beispielen die deutsche Judenverfolgung vom 9. November 1938 in Szenen, die eine erschütternde Anklage und Mahnung sind und die damaligen Zeitungsberichte ergänzen und belegen“ (11. März 1939, o.S.). Eine der wenigen negativen Beurteilungen findet sich in der Berner Zeitung „Die Nation“, in der es heißt: „Solch dramatischer Schematismus stört. […] Dieser letzte Akt, in dem eine larmoyante Spitzfindigkeit sich ausbreitet, ist mir – ich gestehe es offen – gänzlich unerträglich“ (23. November 1939, o.S.). Im Luzerner „Vaterland“ wird vehement der Stil des Dramas kritisiert: „[E]ine solche grobe Schreibarbeit dichterisch zu nennen, muß entschieden abgelehnt werden. Tendenztheater ist und bleibt außerhalb der Literatur und kann auf dichterischen Wert niemals Anspruch erheben“ (20. März 1939, o.S.). Einem anderen Rezensenten geht das Stück hingegen nicht weit genug: „Was ich auszusetzen habe an diesem menschlich schönen und ergreifenden kleinen Schauspiel, ist, daß es noch zu freundlich ist. Freilich, das was tatsächlich geschieht ist so furchtbar, daß wir seine Darstellung nicht ertragen würden … aber Hunderttausende, Menschen wie wir, müssen diese Wirklichkeit ertragen“ (Die Frau, März 1939,o.S.).

Quellen

  • „Archiv der American Guild for German Cultural Freedom, New York“. In: Deutsche Nationalbibliothek, EB 70/177 (Personalakte Halbert, Abraham).
  • Halbert, Abraham: „Schreiben an Doktor von Zuelsdorf, 24. Dezember 1938“. In: Deutsche Nationalbibliothek, Archiv der American Guild for German Cultural Freedom, New York, EB 70/177 (Personalakte Halbert, Abraham), o.Bl.
  • Heinzelmann, Josef: „Rudolf Frank – Theatermann und Schriftsteller“. In: Grab, Walter und Julius H. Schoeps (Hg.): Juden in der Weimarer Republik. Skizzen und Porträts. Darmstadt 1998, S. 107-126, hier S. 116.
  • Jakobi, Carsten: „Rudolf Frank: Kraft durch – Feuer“. In: ders.: Der kleine Sieg über den Antisemitismus. Darstellung und Deutung der nationalsozialistischen Judenverfolgung im deutschsprachigen Zeitstück des Exils 1933-1945 (=Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 106). Tübingen 2005, S. 106-113.
  • Keim, Anton Maria: „Rudolf Franks Pogromstück von 1938“. In: ders. und Verein für Sozialgeschichte Mainz e.V. (Hg.): Als die letzten Hoffnungen verbrannten (=Mainz Edition 5). Mainz o.J., S. 139-142.
  • L.K.: „Kraft durch Feuer“. In: Sozialistische Warte des ISK, Paris (1939), Jg. 14, Nr. 12, S. 288.
  • o.A.: „Werbeschreiben“. In: Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Ms Oprecht R 469, o.Bl.
  • o.A.: „Anschreiben des Verlags an jüdische Zeitungen“. In: Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Ms Oprecht R 469, o.Bl.
  • o.A.: „Bestellschein“. In: Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Ms Oprecht R 469, o.Bl.
  • o.A.: „Anschreiben des Verlags an allgemeine Weltblätter“. In: Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Ms Oprecht R 469, o.Bl.
  • o.A.: „Anschreiben des Verlags an jüdische Zeitungen“. In: Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Ms Oprecht R 469, o.Bl.
  • Stadt Mainz (Hg.): Rudolf Frank, Theatermann – und vieles mehr. 16. September 1886 Mainz / 25. Oktober 1979 Basel. Mainz 1980.
  • Wende, Frank: Deutschsprachige Schriftsteller im Schweizer Exil 1933-1950 (=Gesellschaft für das Buch 8). Wiesbaden 2002, S. 186-196.
  • Zahlreiche Rezensionen verschiedener internationaler Zeitungen. In: Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Ms Oprecht R 469, o.Bl.



Bearbeitet von: Christiane Weber