Schlotterbeck, Friedrich (1909-1979)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Name Schlotterbeck, Friedrich

Geschlecht männlich
Geburtsdatum 6. Januar 1909
Geburtsort Reutlingen
Sterbedatum 7. April 1979
Sterbeort Potsdam
Tätigkeit Schriftsteller, Widerstandskämpfer, Politiker, Autor
Externe Referenzen Deutsche Nationalbibliothek Virtual International Authority File Deutsche Biographie Wikidata

Biografie

Albert Friedrich (genannt Frieder) Schlotterbeck (geb. 06.01.1909 in Reutlingen, gest. 07.04.1979 in Berlin-Buch) wurde als Sohn des Metallarbeiters Gotthilf Schlotterbeck und dessen Frau Maria geboren. Er machte eine Lehre zum Tischler, war jedoch nach der Ausbildung arbeitslos.

1923 trat er dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) in Ostsachsen bei. 1929 kam er ins Zentralkomitee des KJVD und wurde 1929/30 Kursant an der Internationalen Leninschule in Moskau. Nach seiner Rückkehr war er zunächst Sekretär des KJVD in Württemberg, bis er nach Berlin geholt wurde, wo er hauptamtlicher Agitpropsekretär und Mitarbeiter am KJVD-Organ „Junge Garde“ war. Nach Auseinandersetzungen innerhalb des Sekretariats wurde Schlotterbeck seiner Funktionen enthoben und Ende 1931 als Instrukteur der KJI nach Skandinavien geschickt. An Pfingsten 1933 organisierte er anlässlich des Europäischen Antifa-Kongresses in Paris eine antifaschistische Jugendkonferenz. Anfang August 1933 kehrte er zur illegalen Arbeit nach Deutschland zurück, wo er Instrukteur des KJVD in Ostsachsen wurde.

Am 1. Dezember 1933 wurde er festgenommen und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt und ab Mai 1937 im Konzentrationslager Welzheim in sogenannte Schutzhaft genommen.

Nach seiner Entlassung am 28. August 1943 war Schlotterbeck zusammen mit seiner ganzen Familie und seiner Verlobten Else Himmelheber im Stadtteil Luginsland in Stuttgart-Untertürkheim im Widerstand aktiv. Eine Woche vor der geplanten Hochzeit im Mai 1944 wurde die Gruppe durch Eugen Nesper an die Gestapo verraten. Fluchtversuche der Gruppenmitglieder in die Schweiz scheiterten, einzig Schlotterbeck gelang der Grenzübertritt. Am 16. Juni 1944 wurde er durch das Polizeikommando Zürich „mit Steckbrief wegen Verdacht des Mordes an einem Zollbeamten beg[angen] am 10. Juni 1944 zur lokalen Fahndung aufgegeben“ (Schweizerisches Bundesarchiv BAR, E4320B 1978/121_6. Schreiben der Stadtpolizei Zürich vom 20.10.1945, o.S.).

Am 10. Juni 1944 wurden die Eltern Maria und Gotthilf Schlotterbeck mit ihrer Tochter verhaftet. In den nächsten Tagen wurden weitere Gruppenmitglieder festgesetzt. Am 27. November 1944 wurden seine Verlobte, seine Schwester Trude sowie seine Eltern von Stuttgart in das Konzentrationslager Dachau deportiert und dort ohne Gerichtsverhandlung am 30. November 1944 erschossen. Sein Bruder Herman wurde, nachdem er wochenlang untergetaucht war, ebenfalls verhaftet. Nach monatelanger Haft und Folter im KZ (Gestapogefängnis) Welzheim wurde er am 19. April 1945 in einem Wald bei Riedlingen durch den SS- und Gestapo-Mann Albert Rentschler erschossen.

Schlotterbeck traf nach seiner Flucht in die Schweiz dort seine frühere Jugendfreundin Anna von Fischer, geborene Wiedmann, wieder. Sie schrieb das Vorwort für seinen 1945 herausgegebenen kurzen Bericht „... wegen Vorbereitung zum Hochverrat hingerichtet“, den er nach seiner Rückkehr nach Stuttgart im Juni 1945 veröffentlichte, nachdem er vom Schicksal seiner Familie und seiner Freunde erfahren hatte. Weitaus ausführlicher hat er seine eigenen Erlebnisse in dem Werk „Je dunkler die Nacht, desto heller die Sterne“ geschildert, das er ebenfalls 1945 veröffentlichte. In Deutschland wurde Schlotterbeck Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Württemberg und engagierte sich als Präsident des Deutschen Roten Kreuzes im damaligen Land Württemberg-Baden. Außerdem war er Mitglied der KPD-Landesleitung.

Schlotterbeck nahm die Tochter seiner Schwester Trude bei sich auf, die im Alter von zwei Jahren der Mutter bei der Verhaftung weggenommen worden war. Gemeinsam mit Anna von Fischer, die er 1951 heiratete, zog er im April 1948 in die Sowjetische Besatzungszone, nachdem in Stuttgart seine kommunistische Gesinnung zunehmend problematisch wurde. Er wurde Stadtrat für Kultur in Dresden und kam in Kontakt mit Künstlern wie Martin Hellberg, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verband. Anfang 1951 verlor er sein Amt als Stadtrat und ging Mitte April 1951 als Bergarbeiter der SDAG Wismut ins Erzgebirge. Als Mitglieder der SED gerieten Friedrich und Anna Schlotterbeck bei der Überprüfung von Westemigranten in das Visier der Zentralen Parteikontrollkommission (ZPKK) und des Ministeriums für Staatssicherheit. Am 15. Februar 1951 wurde Schlotterbeck wegen ‚Spionageverdachts‘ aus der SED ausgeschlossen. Ihm wurde vorgeworfen, ein V-Mann der Gestapo gewesen zu sein, vor allem wurden ihm seine Kontakte zu Noel Field und Herta Jurr-Tempi in der Schweiz zur Last gelegt. Die ZPKK ordnete die Einstampfung seines Buches „Je dunkler die Nacht, desto heller die Sterne“ an. Die Schweiz verhängte 1953 eine Einreisesperre gegen Schlotterbeck als „[m]ilitanter Kommunistenführer“ (Schweizerisches Bundesarchiv BAR, E4320B 1978/121_6. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft, 04.11.1953, o.S.).

Am 15. Februar 1953 wurden er und seine Frau in der DDR verhaftet und am 27. April 1954 vom 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Rostock wegen „Verbrechens gemäß Artikel 6 der DDR in Verbindung mit einem Vergehen gegen die Kontrollratsdirektive 38“ und wegen „verbrecherischen Beziehungen zu dem amerikanischen Agenten Noel H. Field“ zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Strafe wurde 1954 auf drei Jahre Haft reduziert. Beide wurden am 15. Februar 1956 nach genau drei Jahren Haft freigelassen. Es folgte dann bei einer nichtöffentlichen „Rehabilitierung“ (Strafregistertilgung) die Wiederaufnahme in die SED. Friedrich und Anna Schlotterbeck lebten danach in Groß Glienicke und arbeiteten als Schriftsteller und Hörspielautoren. Gemeinsam schrieben sie unter anderem „Die Memoiren der Frau Viktoria“ (1962). Sie waren eng befreundet mit der Schriftstellerin Christa Wolf und ihrem Mann Gerhard. Zu den bekanntesten Werken Schlotterbecks gehörten „Im Rosengarten von Sanssouci“ (1968), eine polemische Abrechnung mit der preußischen Geschichte.

Der Name Schlotterbeck ist in Baden-Württemberg Inbegriff antifaschistischen Widerstands und Märtyrertums. Auf dem Untertürkheimer Friedhof wurde für die Familie ein Ehrengrab angelegt und ein Ehrenmal errichtet, des Weiteren wurde eine Straße nach ihnen benannt.

Quellen: