Teufel und Verdammte (1946)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
Wechseln zu: Navigation, Suche

Angaben zum Werk

Titel Teufel und Verdammte
Autor Kautsky, Benedikt (1894-1960)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1946, Zürich
Titel Teufel und Verdammte
Untertitel Erfahrungen und Erkenntnisse aus sieben Jahren in deutschen Konzentrationslagern

Erscheinungsort Zürich
Erscheinungsjahr 1946

Verlegt von Büchergilde Gutenberg

Publiziert von Kautsky, Benedikt (1894-1960)

Umfang 328 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

Benedikt Kautskys Bericht über die nationalsozialistischen Konzentrationslager ist ein sachlich-nüchterner und beinahe verwissenschaftlichter Bericht – etwa durch das Einfügen von Fußnoten –, angereichert mit einer großen Menge von Zahlen und Daten sowie Analysen zur Häftlingsstruktur. Auf die Schilderung seiner eigenen Empfindungen, Ängste und Erlebnisse während seiner siebenjährigen Konzentrationslagerhaft verzichtet der Autor ganz. Kautsky war vom 31. Mai 1938 bis Oktober 1942 in Buchenwald inhaftiert, danach in Auschwitz-Buna, bis er im Januar 1945 nach Buchenwald zurückgebracht wurde, wo er am 11. April 1945 die Befreiung erlebte.

In seinem Bericht geht es ihm nicht um die Darstellung seines persönlichen Schicksals, sondern um das Aufzeigen der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den verschiedenen KZ zu unterschiedlichen Zeiten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. So legt er bereits in seinem Vorwort, das er im November 1945 in Zürich schreibt, dar, dass er seine Erfahrungen nicht aufschreibe, um „die Zahl der Schilderungen und Reportagen zu vermehren“ (S. 7), sondern um zu versuchen, „das Wesen dieser Einrichtung darzulegen“ (ebd., Hervorhebung im Original). Dass er dennoch notwendigerweise auch subjektives schildere, ist ihm durchaus bewusst: „Gewiß ist jedes Buch über die Konzentrationslager subjektiv – abhängig von den Erlebnissen des Verfassers wie seiner Grundeinstellung“ (S. 11). Er selbst habe das Häftlingsleben jedoch von allen Seiten kennengelernt, betont Kautsky. Fast fünf Jahre wurde er als Jude und über zwei Jahre als reichsdeutscher politischer Häftling geführt, er war stellvertretender Blockältester und Vorarbeiter, ebenso wie Schachtarbeiter und Steinträger wie auch Latrinenreiniger und Leichenträger und einiges mehr. Er habe vieles erlebt, sei jedoch nie verhört worden und nie im Bunker oder Leibessstrafen ausgesetzt gewesen. Ein weiteres Mal betont er die Subjektivität des Geschilderten, wenn er einräumt, dass sich manche seiner zahlenmäßigen Schätzungen als falsch erweisen mögen und er sich in Details irren könne: „Während ich aber sachliche Irrtümer gern berichtigen werde, so kann ich meine Grundanschauung nicht ändern: sie ist die eines demokratischen Sozialisten. Ich kam als solcher ins Lager und habe es als solcher verlassen“ (S. 12, Hervorhebung im Original).

Die KZ seien unentbehrlich für das Terrorregime und Teil der bewusst betriebenen Machtpolitik der Nationalsozialisten, stellt Kautsky klar. Daher seien die Untaten auch von Menschen begangen worden, „die wohl roher als der Durchschnitt, aber mit wenigen Ausnahmen keine ausgesprochenen Sadisten waren, die also sehr gut wußten, daß sie unrecht taten“ (S. 7). Feigheit und Angst seien die Haupttriebfeder für die Brutalitäten gewesen. Das gleich gelte für den ‚verlängerten Arm’ der SS im Lager, „für jene Kategorie von Häftlingen, deren verbrecherische Neigungen die SS geschickt auszunützen verstand, um die große Masse der übrigen Häftlinge in Schach zu halten“ (S. 8, Hervorhebung im Original). Auch sei es eine Lebensfrage für den gewöhnlichen Häftling gewesen, ob in einem Lager die Verbrecher – wie etwa in Auschwitz oder Mauthausen – oder die Politischen herrschten wie in Buchenwald und Dachau. Auf der untersten Stufe der Häftlinge habe der Jude gestanden, die die ganze Schwere des Lagerlebens zu spüren bekommen hätten.

Insgesamt sei der innere Aufbau des Lagers ungemein kompliziert und die Last der Schicksale sehr verschieden. Der ganze Mechanismus des Ineinandergreifens von SS-Aufsicht und Häftlingsautonomie sei außerordentlich schwer zu durchschauen gewesen. Ohnehin haben dies nur diejenigen tun können, die das erste Stadium der Haft überlebt haben. Dies seien in der Regel jedoch nur die Häftlinge gewesen, die Funktionäre wurden. Dann allerdings sei man vom Alltag des Häftlingslebens abgesondert worden und habe häufig das Verständnis für die Probleme im Leben des ‚gewöhnlichen’ Häftlings verloren. Kautsky drückt daher höchste Achtung vor den Gefangenen aus, die auch im Lager Menschen bleiben.

Seinen Bericht teilt er in vier Teile, die jeweils in kleinere Abschnitte unterteilt sind. Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Begriff der Schutzhaft und der Entwicklung der KZ. Kautsky unterscheidet dabei die Zeit des Nationalsozialismus sowie das Wesen und die Funktion der KZ in verschiedene Phasen. Beginnend mit den Anfängen, als die Lager noch der Umerziehung der Schutzhäftlinge durch Arbeit dienen sollten, über deren Anwachsen und die Ausweitung der Häftlingsgruppen reichen seine Schilderungen bis hin zu der Errichtung von reinen Vernichtungslagern und der systematischen Inhaftierung und Tötung der Juden. Der Kriegsausbruch habe das Gesicht der Lager vollkommen verändert, Schutzhaft sei nun eine Massenerscheinung und den Begriff Vernichtungslager habe man vor dem Krieg nicht gekannt: „Es kann nach meiner Meinung nicht scharf genug unterschieden werden zwischen dem individuellen Terror der alten Lager vor dem Kriege und dem Massenterror, der erst mit dem Krieg aufkam“ (S. 32, Hervorhebung im Original). Sehr detailliert und mit vielen Zahlen und Daten versehen, versucht Kautsky ein möglichst umfassendes, aber auch differenziertes Bild der Lager zu zeigen. Er vergleicht dabei auch die Verhältnisse und Struktur der Lager – hautsächlich Buchenwald, Dachau und Auschwitz, aber auch Mauthausen – miteinander. Immer wieder weist er auf fehlende eigene Kenntnisse hin und beruft sich, wenn nötig, auf andere Augenzeugenberichte.

Ebenso widmet er sich dem Umgang der Häftlinge miteinander und dem Zusammenleben der verschiedenen Nationen und Häftlingskategorien. So bemerkt er etwa unter den polnischen Häftlingen einen ausgeprägten Antisemitismus. Er benennt des Weiteren Sterbeursachen und stellt eigene Berechnungen zum Prozentsatz der Sterblichkeit an: Für Auschwitz nimmt er eine Sterblichkeitsrate von 75 Prozent an, für Buchenwald 14 Prozent: „[S]o kann man nach einer rohen Schätzung annehmen, daß in jedem der letzten Jahre 40 bis 50 % des Bestandes starben“ (S. 51). Die Gesamtzahl der in deutschen Konzentrationslager Umgekommenen schätzt er auf etwa neun bis zehn Millionen.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Rolle und Funktion der SS in den Konzentrationslagern. Kautsky beschreibt die Strafen – Strafstehen, Strafarbeit, Strafexerzieren, Stockhiebe, Baumhängen und Bunker –, die die SS an den Häftlingen durchführten. Des Weiteren geht er auf die „Haupteigenschaften des SS-Mannes“ (S. 71) ein, die er als „Faulheit“ (ebd.), „Dummheit“ (S. 72), „Roheit“ (S. 78), „Feigheit“ (S. 87), „Disziplinlosigkeit (S. 90) und „Korruption“ (S. 91) identifiziert. Sadismus dagegen – obwohl dieser durchaus vorgekommen sei – sieht er nicht als wesentlichen Bestandteil des Systems: „Nichts wäre falscher, als zu glauben, die SS wäre eine Horde von Sadisten, die aus eigenem Antrieb, aus Leidenschaft und Gier nach Lustbefriedigung Tausende von Menschen gequält und mißhandelt haben“ (S. 79). Ihr Bild präge sich nur deutlicher ein, vermutet er, „weil es schärfer profiliert ist als das des farblosen Rohlings, der sein Pensum an Brutalitäten vorschriftsmäßig, sozusagen bureaukratisch erledigt, ohne je seine Mittagspause zu versäumen“ (ebd.). Sadismus sei latent in jedem Menschen vorhanden, nicht der Sadismus kennzeichne den Faschismus, sondern der Faschismus erzeuge den Sadismus automatisch. Kautsky liefert Beispiele einzelner ausgewählter SS-Männer, die er charakterisiert und deren Verhalten im Lager er beschreibt.

Der dritte Teil des Werks beschäftigt sich sehr ausführlich mit den verschiedenen zahlreichen Häftlingskategorien und dem Zusammenleben der Häftlinge. Auf den ersten Seiten des Abschnitts befinden sich am Seitenrand jeweils Abbildungen der Stoffwinkel und Kennzeichnungen, die die Häftlinge auf der Kleidung tragen mussten: „In dieser Kategorisierung kann man den Trieb der Nazis erkennen, alles zu reglementieren und überall hineinzuregieren, vor allem in der Form des Militarismus“ (S. 128). Dennoch seien die Gruppen nicht so einheitlich, wie eine notgedrungen gekürzte Darstellung sie erscheinen lassen müsse. Die Kategorien seien vielmehr umfangreich und uneinheitlich: “Wie wenig genau es die SS selbst mit den Markierungen nahm, geht daraus hervor, daß manche Häftlinge im Laufe der Jahre zwei, drei, gar vier verschiedene Winkel trugen“ (S. 129). Seine eigene ‚Arisierung‘ etwa, die in Buchenwald zweimal abgewiesen worden sei, habe sich in Auschwitz verblüffend glatt vollzogen.

Sehr ausführlich widmet er sich den Kommunisten, die „weitaus an erster Stelle [standen], sowohl der Zahl wie nach der Bedeutung für das Lager“ (S. 129). Zahlenmäßig habe hier der Typ des jungen Funktionärs überwogen, der im Bürgerkrieg als unerschrockener Gegner der Nazis aufgetreten sei und deshalb von ihnen mit besonderem Haß verfolgt worden sei. Die Sozialdemokraten seien zahlenmäßig hinter den Kommunisten weit zurück gestanden und seien meist älter gewesen. Es seien bedächtige, verantwortungsbewusste, humane Menschen gewesen, „der beste Typ des deutschen Proletariers“ (S. 134). Außerdem nennt er die zahlreichen proletarischen Splitterparteien, die bürgerlichen und konservativen Gruppen, zu denen er neben Österreichern auch Klerikale, Heimwehrler und Geistliche beider Konfessionen zählt, ebenso wie Bibelforscher. Weitere Gruppen, die er benennt, sind Fremdenlegionäre, Wehrmachtsangehörige und Spanienkämpfer.

Auch den „Grünen“ (S. 141), also den Kriminellen, widmet er sich. Sie seien einheitlicher als die Politischen, aber auch sie unterteilten sich in ‚Berufsverbrecher‘ (B.V.) und ‚Sicherheitsverwahrte‘ (S.V.). Sie hätten in ihrem Wesen außerordentlich viel Ähnlichkeit mit der SS und seien deshalb ihre gefügigsten Werkzeuge, so Kautsky. In der Mehrzahl seien sie „dumm, prahlerisch, hemmungslos, verlogen und feig“ (S. 143). Die „Schwarzen“ (S. 145), also ‚Asozialen‘, hätten alle schlechten Eigenschaften der Grünen, jedoch ohne deren Energie. Es seien willensschwache Menschen, die schon in der Freiheit jeden moralischen Halt verloren hätten: „Obwohl sie menschlich noch eine Stufe tiefer als die Grünen standen, waren sie für die Lager eine weitaus geringere Gefahr“ (S. 145). Als weitere Gruppen nennt er die Homosexuellen und Ausländer.

Weitaus am ausführlichsten widmet sich Kautsky den Juden, betont aber, dass ihre Charakteristik im Lager den Rahmen des Buches sprengen würde. Er macht auch auf die Subjektivität seiner Darstellung aufmerksam, da er vier Jahre als Jude im Lager gelebt habe. Das Judentum sei keineswegs eine einheitliche Gruppe, stellt er fest. Es sei daher ein hoffnungsloses Unterfangen, „eine auch nur halbwegs gültige Charakteristik“ (S. 154) geben zu wollen. Vielmehr entspreche das Judentum jeder Nation ihrem Charakter „oder, besser gesagt, der Funktion, die es in dieser Nation ausübt“ (S. 154). Auch gehörten sie im Lager den verschiedensten Parteien an: von den Kommunisten und Sozialdemokraten bis zu den Faschisten und natürlich Zionisten. Auch in religiöser Hinsicht habe es alles gegeben: „Vom Orthodoxen bis zum Gleichgültigen und zum frommen Katholiken oder Protestanten; hier sei auch die Existent eines jüdischen Bibelforschers angemerkt“ (S. 154). Kritisch führt Kautsky aus, die Juden hätten den Gedanken vermissen lassen, dass die Haft einen politischen Zweck erfüllen könne, dadurch sei ihnen eine starke moralische Kraft versagt geblieben. Das, so Kautsky, „eröffnet […] keine sehr günstigen Aussichten für die Zukunft des Judentums“ (S. 155).

Kautsky unterscheidet in seiner Bewertung stark zwischen dem Leben der Lagerprominenz, dem Mittelstand, der großen Masse der Häftlinge im Lager und schließlich dem ‚Muselmann‘: „Im großen und ganzen galt das Gesetz des Lagers: Wer hat, dem wird gegeben, und wer nichts hat, dem wird genommen“ (S. 165). Das bedeute, dass nur die Stärksten Aussicht hätten, das Lager lebend zu verlassen. Dabei sei die Jugend jedoch kein unbedingter Vorzug, „nicht einmal in körperlicher, geschweige denn in moralischer Beziehung“ (S. 166): „Nach meiner Erfahrung hatten Menschen mittleren Alters mit gesunder Konstitution und gefestigten Nerven, mit abgerundeten Lebenserfahrungen und starken Bindungen an Frau und Kinder viel bessere Aussicht durchzuhalten als körperlich kräftigere Jünglinge, deren Nervensystem ebensowenig gefestigt war wie ihre moralischen Anschauungen, und die nichts an das normale Leben in der Freiheit band“ (ebd.).

Auch die Häftlingspsychologie analysiert Kautsky. Er beschreibt die verschiedenen Phasen von Einlieferungsschock bis zur Anpassung und Abstumpfung der Häftlingspsyche nach der Aufnahme in das Lager. Er geht auf den Begriff der Kameradschaft ein und stellt fest, dass kein Wort im Lager wohl öfter missbraucht worden sei. Jeder habe vom anderen Kameradschaft verlangt, keiner sei jedoch bereit gewesen, sie zu üben, stellt er fest. Die klassenbewusste Solidarität unter den politischen Häftlingen hebt er dagegen lobend hervor. Ebenso widmet er sich jeweils in kurzen Absätzen Aspekten wie Humor, dem Nie-Alleinsein im Lager, dem Antisemitismus, der Sexualität, der Liebe zu Pflanzen, Tieren und zur Natur, dem Kameradschaftsdiebstahl, den Spitzeln, der Lagerfeme, also dem Lagergericht.

Im vierten Teil beschäftigt sich Kautsky mit den örtlichen Begebenheiten der Lager Buchenwald, Dachau und Auschwitz-Buna. Er stellt etwa die verschiedenen Sicherheitsmaßnahmen, die Baracken und die Häftlingsverwaltung, die Freizeitgestaltung, die Formen der Arbeit sowie das Essen einander gegenüber. Den Massentötungen – insbesondere den Gaskammern - widmet er sich ausführlich. So habe er, der selbst in Auschwitz Buna war, die Gaskammern zwar nicht selbst gesehen, sie seien ihm aber von so vielen Seiten glaubwürdig geschildert worden, dass er sich nicht scheue, diese Schilderungen hier wiederzugeben. Er betont, dass das System der Gaskammern keine Improvisation, sondern das Ergebnis jahrelanger, sorgfältiger Versuche gewesen sei. Bereits 1941 seien den Häftlingen rätselhafte Transporte aufgefallen, die plötzlich zusammengestellt worden seien. Um die Jahreswende 1941/42 hätten sie dann Klarheit bekommen: „Wir erfuhren jetzt, daß die Transporte zu Experimenten mit Gasen dienten“ (S. 273). Im Sommer 1942 hätten sie dann erste „Schilderungen von der Existenz und der Arbeitsweise der Gaskammern“ (S. 273) erhalten. Er selbst habe jedoch das Glück gehabt, im Oktober 1942 von Buchenwald nicht nach Birkenau in die Gaskammern sondern nach Buna zur Arbeit verschickt zu werden: „Immerhin waren wir den Gaskammern nahe genug, daß wir Zuverlässiges über sie erfahren konnten“ (S. 273).

Kautsky berichtet zudem von den Verbrennungen Hunderttausender auf Scheiterhaufen im Freien, da die Kapazität der Gaskammern die der Krematorien bei Weitem überstiegen habe. Tage- und wochenlang habe man Rauchwolken gesehen, „die auf Kilometer die ganze Umgebung mit dem Gestank von verbranntem Fleisch und Fett, mit dem Ruß und der Asche verpesteten, und nachts sah man die Flammen, ein grauenhaftes Fanal der Vernichtung“ (S. 275).

Im letzten Abschnitt widmet sich Kautsky den Möglichkeiten für die Häftlinge, Freiheit zu erlangen. Hier habe es – abgesehen vom unfreiwilligen Tod – drei Möglichkeiten für den Häftling gegeben: Entlassung, Flucht und Selbstmord. Entlassungen seien vor dem Krieg keineswegs selten und bei Aktionshäftlingen häufiger als der Tod vorgekommen. Es sei jedoch ein Lotteriespiel gewesen. Die Möglichkeiten zur Flucht seien dagegen beschränkt und so gut wie nie erfolgreich. Ihm sei nur eine geglückte Flucht bekannt, die von Hans Beimler. Selbstmorde kämen weit häufiger vor als Fluchtversuche, aber eine wirkliche Zahl lasse sich wohl nicht ermitteln.

Den Schluss des Buches bildet die Beschreibung der Befreiung des Lagers Buchenwald, die der Autor dort im April 1945 erlebt. Er lobt den Zusammenhalt und die vorbildliche Solidarität der deutschen politischen Häftlinge, die in den Tagen unmittelbar vor und nach der Befreiung die Disziplin im Lager aufrecht erhalten und „in meisterhafter Weise, Mut und Klugheit richtig mischend, das Lager geführt und 21 000 Häftlingen das Leben gerettet“ (S. 296) haben. Ende Juni 1945 verlässt Kautsky als einer der letzten Buchenwald. Neben all dem Furchtbaren, das die sieben Jahre Haft für ihn bedeuteten, „lebt wie eine lodernde Flamme die unauslöschliche Erinnerung an die letzten Wochen in Buchenwald, da der Gedanke internationaler Solidarität Wirklichkeit wurde“ (S. 297). Diese Flamme, so seine Überzeugung, weist den Weg „aus dem Chaos Europas zu einer neuen, schönen freien Welt!“ (ebd.)

Im Anhang des Textes befinden sich ein Manifest der demokratischen Sozialisten des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald vom 13. April 1945, eine Resolution einer Versammlung aller Häftlinge zu Ehren der 51.000 Toten Buchenwalds sowie Aussagen befreiter Häftlinge vor den amerikanischen Besatzungsbehörden – namentlich genannt werden Gustav Wegerer, Ludwig Scheinbrum, Dr. Leo Eitinger, Jan A. von Leeuwarden, Kurt Leeser, Carl Gärtig, Anton Janacek und Arnim Walther. Ebenfalls angehängt ist die Abschrift eines Rundschreibens des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes vom 28. Dezember 1942 an alle ersten Lagerärzte der großen Konzentrationslager, sowie ein Zensurvermerk der Poststelle des KZ Auschwitz.

Den Text widmet Kautsky dem Andenken seiner Mutter, Luise Kautsky, die am 8. Dezember 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau starb.


Biografie

Benedikt Kautsky (geb. 01.11.1894 in Stuttgart, gest. 01.04.1960 in Wien) wurde als Sohn des Karl-Marx-Mitkämpfers Karl Kautsky und der Mutter Luise Kautsky geboren. Nach seinem Studium der Ökonomie war er Sekretär von Otto Bauer und von 1921 bis 1938 volkswirtschaftlicher Referent der Wiener Arbeiterkammer. Ab 1923 war er zudem Herausgeber der Zeitschrift „Arbeit und Wirtschaft“ und 1929 gab er eine gekürzte Ausgabe des „Kapital“ von Karl Marx heraus.

Kautsky wurde im Mai 1938 verhaftet und nach kurzer Inhaftierung im KZ Dachau bis Oktober 1942 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Hier erhielt er die Häftlingsnummer 8330, später 1066. Anschließend wurde er nach Auschwitz-Buna überstellt, bis er im Januar 1945 auf einem Evakuierungsmarsch nach Buchenwald zurückgebracht wurde, wo er am 11. April 1945 die Befreiung erlebte. In Buchenwald gehörte Kautsky zu den Sozialdemokraten, die das illegale Volksfront-Komitee bildeten und zu den Mitunterzeichnern des Buchenwalder Manifests. Nach Kriegsende lebte Kautsky von 1945 bis 1950 in Zürich. Er arbeitete in der Jahren 1950 bis 1958 als Privatdozent an der Universität Graz sowie als Leiter der Otto-Möbes-Volkswirtschaftsschule in Graz. Er trat der Sozialistischen Partei Österreichs bei. 1958 wurde Kautsky zum stellvertretenden Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein ernannt. Er war 1958 Verfasser des Vorentwurfes des Parteiprogramms der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und 1959 einer der maßgeblichen Autoren des Godesberger Programms der deutschen Sozialdemokraten.

Seit 2002 verleiht der Bund Sozialdemokratischer Akademikerinnen und Akademiker, Intellektueller und Künstler (BSA) in Graz einen Benedikt-Kautsky-Wirtschaftspreis.

Quellen:


Werkgeschichte

Benedikt Kautskys Tatsachenbericht wurde nach seiner ersten Veröffentlichung in der Büchergilde Gutenberg 1946 in Zürich, sowie 1947 und 1961 auch im Verlag der Wiener Volksbuchhandlung herausgegeben. Eine Übersetzung von Henriette Bie Lorentzen ins Norwegische unter dem Titel „Djevler og fordømte. Erfaringer og erkjennelse fra 7 år i tyske“ erschien 1949 im Verlag Gyldendal in Oslo. Das Werk wurde 1960 zudem von Kenneth Case ins Englische übersetzt und unter dem Titel „Devils and the damned: A true and damning exposé of Nazi concentration camps” im Londoner Verlag Brown Watson verlegt.

Wie nur wenig andere Texte der Holocaust- und Lagerliteratur wird der Bericht von Kautsky immer wieder von Geschichtsrevisionisten und Holocaustleugnern missbraucht, um vor allem die vermeintliche nicht-Existenz der Gaskammern in Auschwitz-Birkenau anhand eines Augenzeugen zu ‚belegen‘. Als scheinbarer ‚Gegenbeweis‘ für die Existenz der Gaskammern und der systematischen Vernichtung von Menschen wird neben weiteren vor allem immer wieder eine Textstelle der vermeintlich allerersten schweizerischen Ausgabe herangezogen, in der Kautsky geschrieben haben soll: „Ich muß aber der Wahrheit gemäß feststellen, daß ich in keinem Lager jemals eine Einrichtung wie eine Vergasungskammer angetroffen habe“ (Ausgabe und Seite unbekannt). Diese und auch in Bezug auf viele andere Textstellen grob missbräuchliche Auslegung des Textes begann schon früh und wird bis in die Gegenwart im Internet weiter verbreitet.

Seinen Bericht widmet er seiner Mutter, Luise Kautsky. Sie war die Ehefrau des sozialistischen Theoretikers Karl Kautsky und hatte die Briefe ihrer ermordeten Freundin Rosa Luxemburg herausgegeben. Im Alter von 80 Jahren wurde sie nach Auschwitz deportiert, wo sie starb.

Quellen:

  • Lerda-Olberg, Oda: „Luise Kautsky“. In: La otra Alemania vom 18.01.1945, S. 8f.
  • o.A: „Wie Luise Kautsky starb“. In: Aufbau vom 12.05.1950, S. 30.
  • Strothmann, Dietrich: „Rückblick in die Hölle. Überlebende der Sonderkommandos im Auschwitz-Prozeß“, In: Die Zeit vom 16.10.1964, Nr. 42. Online: http://www.zeit.de/1964/42/rueckblick-in-die-hoelle (Stand: 16.09.2019).



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger