Unbekanntes KZ (1945)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Unbekanntes KZ
Autor Schnog, Karl (1897-1964)
Genre Tatsachenbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1945, Washington
Titel Unbekanntes KZ
Untertitel Erlebtes von Karl Schnog

Erscheinungsort Washington
Erscheinungsjahr 1945

Gedruckt von Bourg-Bourger
Publiziert von Schnog, Karl (1897-1964)

Umfang 31 Seiten

Bibliotheksnachweise DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Online-dnb-icon.gif elektronische Ausgabe)


Zusammenfassung

In dem kurzen Erinnerungsbericht rekapituliert der Autor seine fünfjährige Haftzeit als politischer Häftling in den Konzentrationslagern Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald. Insbesondere widmet er sich seinen Erfahrungen aus dem Lager Buchenwald und den politischen Aktivitäten sowie dem Widerstand dort. Begeistert und stolz auf die fruchtbare politische Zusammenarbeit der politischen Kameraden beschreibt er ausführlich, wie die Häftlinge sich im April 1945 durch aktiven Widerstand selbst befreien: „Und während wir unserer nahenden Befreiung zusehen, wie in einem kitschigen Happy-end im Kino, werden an die Aktivisten im Lagerinnern längst versteckt gehaltene Waffen verteilt, stürmen die Ersten, mit Türen und Brettern den elektrisch geladenen Stacheldraht überwindend, die Türme auf der anderen Seite des Lagers, die noch besetzt sind und nehmen unsere Bewacher an ihren Maschinengewehren gefangen. Die ersten Panzer rollen durchs Tor! Wir sind gerettet!“ (S. 21)

Schnog stellt außerdem eine Vielzahl der SS-Bewacher in Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald in jeweils kurzen Abschnitten vor. Diese Beschreibungen seien „Schnappschüsse, keine Karikaturen. Umrisse, die auf der Netzhaut der Gepeinigten, Gefolterten blieben“ (S. 7). Zu diesen „Mörder[n]“ (ebd.) zählen etwa Hauptsturmführer Zill aus dem KZ Dachau und Hauptsturmführer Bugdalle aus dem KZ Sachsenhausen. Aus der „Schreckenskammer von Buchenwald“ (S. 8) stellt er Rottenführer Krautwurst, Scharführer Doering, Dombeck, Blank und Sommer, die Lagerführer Florstedt, Schober und Gust, den Hauptscharführer Hof-Schulte sowie den Lagerkommandanten Pister vor. Er widmet ihnen sogar ein eigenes Gedicht mit dem Titel „Blüte der Nation“. Darin heißt es: „Sie konnten nie Deutsch, sie lasen kein Buch, / Sie kannten nur Saufen und Zoten, / Das war der Menschheit drohender Fluch: / Die Herrschaft der Macht-Idioten“ (S. 22).

In einem eigenen Abschnitt widmet Schnog sich der Häftlingssprache und dem Galgenhumor im KZ: „Die Welt hinterm Stacheldraht war eine Welt für sich. Sie hatte ihre eigenen Lebensgesetze und eigene Ehrbegriffe. Auch ihre eigene Sprache“ (S. 12). Diese sei bunt und drastisch und entbehre nicht eines grimmigen Humors, erläutert Schnog. Er belegt dies an einigen Beispielen. So seien etwa besondere Aktionen im Lager mit der einem Rummelplatz entliehenen Wortbildung „Es geht rund!“ (ebd.) bezeichnet worden, ein toter Kamerad, der im Krematorium verbrannt wird, gehe „über den Rost“ (S. 13).

Der Bericht endet mit der Darstellung von Schnogs dreizehntägiger Heimreise durch das besiegte Deutschland von Buchenwald bis Luxemburg. Unterwegs trifft er auf hilfreiche Menschen, aber auch auf viele, die für sich in Anspruch nehmen, von allem nichts gewusst zu haben und selbst Opfer zu sein. Einige Stunden verbringt er in einem Displaced Person-Camp (DP-Lager) vor Eisenach. Die erneute Unterbringung in einem Massenlager schreckt ihn jedoch ab, auch wenn hier für ausreichend Verpflegung gesorgt ist. Schließlich trifft er genau fünf Jahre nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Luxemburg am 10. Mai 1945 bei seiner Familie ein.

Dem Text vorangestellt ist ein Abdruck des Buchenwald-Lieds von Fritz Beda-Löhner.


Biografie

Karl Schnog (geb. 14.06.1897 in Köln, gest. 23.08.1964 in Ost-Berlin), der auch die Pseudonyme Anton Emerenzer, Carl Coblentz, Ernst Huth, Kornschlag, Tom Palmer und Charly vom Thurm verwendete, wurde als Sohn eines Handwerkers geboren und war jüdischen Glaubens. Er absolvierte die Volksschule und danach eine Handelslehre. 1915 zog Schnog in den Ersten Weltkrieg, nach dessen Ende gründete er 1918 einen Arbeiter- und Soldatenrat in Hagenau. Er nahm außerdem Sprach- und Schauspielunterricht und wirkte als Schauspieler und Regisseur auf zahlreichen deutschen Bühnen mit. Unter anderem trat er in Erwin Piscators Revue „Roter Rummel“ und als Conférencier und Rezitator in namhaften Kabaretts, wie dem Küka, dem Cabaret Größenwahn und im Kabarett der Komiker auf. Ab 1925 war Schnog freier Schriftsteller und Mitarbeiter von Zeitungen wie „Die Weltbühne“, „Simplizissimus“ und „Stachelschwein“. Ab 1927 war er zudem Sprecher beim Rundfunk. Im gleichen Jahr begründete er die Gruppe Revolutionärer Pazifisten in Berlin mit. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden zwei Haftbefehle gegen Schnog erlassen und er wurde auf offener Straße schwer misshandelt. Im Mai 1933 emigrierte er in die Schweiz und arbeitete als Texter für das Kabarett Cornichon. Im Oktober zog er nach Luxemburg, wo er eine Anstellung als Conférencier im Kabarett Rond-Point fand. Er war außerdem Mitarbeiter deutscher Exilzeitschriften und -zeitungen wie dem „Pariser Tagblatt“ und dem „Neuen Vorwärts“, aber auch verschiedener Luxemburger Zeitungen. Am 3. Dezember 1936 wurde Schnog durch Bekanntmachung im Deutschen Reichsanzeiger die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Unter dem Pseudonym Charlie vom Thum betreute Schnog zwischen 1937 und 1940 im „Tagblatt“ die Chronik in Versen „Weltwochenschau“ und für die Wochenzeitschrift „A-Z“ lieferte er verschiedene Artikelfolgen.

Versuche, in die USA zu emigrieren, scheiterten, und nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Luxemburg wurde er am 25. Mai 1940 verhaftet und zunächst im Konzentrationslager Dachau festgehalten. Vermutlich Ende August 1940 gelangte er in das KZ Sachsenhausen, hier erhielt er die Nummer 30523, wurde jedoch offenbar am 17. September 1940 zurück nach Dachau geschickt. Hier gestaltete er als Rezitator und Conférencier eine Silvesterfeier. Er trug in Dachau die beiden Häftlingsnummern 15637 und 19876. Am 12. Juli 1941 wurde er von dort in das KZ Buchenwald überstellt, wo er die Häftlingsnummer 8466 bekam und dem Block 16 zugeteilt wurde. Bei seiner Einlieferung in Buchenwald wog er nur noch 54 Kilo. Er wurde auf einer Liste der Mischlinge I. und II. Grades geführt. Besonders machte ihm sein Rheuma zu schaffen, er war häufig krank und wurde zu leichteren Arbeiten, in der Strumpfstopferei und dem Holzhof eingeteilt. Er war außerdem einer der Initiatoren des Lagerkabaretts. Nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald im Mai 1945 kehrte er nach Luxemburg zurück, wo er bei Radio Luxemburg arbeitete. Im gleichen Jahr erschien sein Erinnerungsbericht „Unbekanntes KZ“ über seine fünfjährige Haftzeit als politischer Häftling in den Konzentrationslagern Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald. 1946 zog er nach Ostberlin und übernahm den Posten des Chefredakteurs des „Ulenspiegel“. Im April 1947 wurde er Mitglied einer Theatertruppe, die in jiddischer Sprache für das Durchgangslager der Hilfsorganisation United Nations Relief und Rehabilitation (UNRRA) in Berlin spielte. 1947 veröffentlich er zudem seine satirischen Gedichte zum Nationalsozialismus und Holocaust unter dem Titel „Jedem das Seine“ im Berliner Ulenspiegel-Verlag. Später arbeitete er als freier Schriftsteller und war unter anderem für das Ostberliner Kabarett „Die Distel“ tätig. Er trat der SED bei und war von 1948 bis 1951 Redakteur beim Berliner Rundfunk. Karl Schnog verfasste zeitkritische Gedichte, Erzählungen, Satiren, Theaterstücke und Kabarett-Texte. 1957 wurde er in der DDR mit dem Heinrich-Heine-Preis ausgezeichnet.

Quellen:

  • „Gestapo-Karte“, 1.2.3.1/12268001/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Häftlingskarte“, 1.1.6.2/10290532/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Häftlingskarte“, 1.1.6.2/10290533/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Häftlingsbogen“, 1.1.5.3/7051456/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Liste der Rücküberstellungen“, 1.1.6.1/9907783/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Liste der Juden und Mischlinge I. und II. Grades“, 1.1.5.1/5344512//ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Liste von befreiten und entlassenen Häftlingen“, 1.1.5.1/5358984/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Materialien zu Karl Schnog“. Aus: Landesarchiv Berlin C Rep.118-01, Nr. 19828.
  • o.A.: „Eintrag zu Karl Schnog“. In: Autorenlexikon des Literaturport. Online: https://www.literaturport.de/literaturlandschaft/autoren-berlinbrandenburg/autor/karl-schnog/ (Stand: 17.09.2019).
  • o.A.: „Eintrag zu Karl Schnog“. In: Luxemburger Autorenlexikon. Online: https://www.autorenlexikon.lu/page/author/111/1116/DEU/index.html (Stand: 17.09.2019).
  • „Revierkarte“, 1.1.5.3/7051457/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.
  • „Zugangsliste“, 1.1.38.1/4095194/ITS Digital Archive, Arolsen Archives.





Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger