Euch mahnen die Toten (1948)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Euch mahnen die Toten
Autor Csokor, Franz Theodor (1885-1969), Fučík, Julius (1903-1943), Genuneit, Walter, Haushofer, Albrecht (1903-1945), Schlotterbeck, Friedrich (1909-1979), Seghers, Anna (1900-1983), Thews, Wilhelm (1910-1943), Weinert, Erich (1890-1953)
Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1948, Stuttgart
Titel Euch mahnen die Toten

Erscheinungsort Stuttgart
Erscheinungsjahr 1948
Auflage 1

Auflagenhöhe insgesamt 50.000

Gedruckt von Belser Druck
Publiziert von Csokor, Franz Theodor (1885-1969), Fučík, Julius (1903-1943), Genuneit, Walter, Haushofer, Albrecht (1903-1945), Schlotterbeck, Friedrich (1909-1979), Seghers, Anna (1900-1983), Thews, Wilhelm (1910-1943), Weinert, Erich (1890-1953)

Umfang 31 Seiten
Abbildungen 2 Zeichnungen (u.a. eine Karikatur), 2 Facsimilés (1 Ortgruppen-Fragebogen, 1 Todesurteil wegen ‚Wehrkraftzersetzung‘)
Lizenz Genehmigung der Publications-Control Branch OMG WB

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Württemberg-Baden versammelt in der schmalen Broschüre – unter der Redaktion des Landesstellenleiters Karl Hauff – neben Auszügen aus bekannten Berichten auch Gedichte, Abschiedsbriefe und Reden über die Verfolgungsmaßnahmen während des nationalsozialistischen Regimes. In allen steht der Aufruf zum aktiven Kampf für eine bessere Zukunft nach Kriegsende im Zentrum. Neben den Texten von Anna Seghers, Julius Fucik und anderen viel gelesenen Autoren werden Faksimilés von NS-Dokumenten wie ein Ortsgruppen-Fragebogen von 1937 abgedruckt, in dem der Ortsgruppenleiter namentlich Personen nennt, die gegen den NS-Staat eingestellt seien.

Die Sammlung beginnt mit einer nur wenige Zeilen langen Einführung, in welcher der Leser direkt zum Kampf für den Frieden aufgerufen wird. Er wird dazu aufgefordert, sich in Wilhelm Thews, den Verfasser des folgenden Abschiedsbriefs, hineinzuversetzen: „Diesen Brief schrieb ein Mann, wenige Stunden vor seinem Tod. Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, was Du in solchen Stunden zu sagen hättest? Ja, habe nur den Mut, Dich zu fragen“ (S. 3). Thews betont in seinem Brief kurz vor seiner Hinrichtung in Berlin-Plötzensee, dass er „diesen letzten Gang mit einem freudigen Lachen“ (S. 4) gehen wird, da er eine Zukunft voraussieht „frei von Haß und voll von Liebe […], in der die Sonne ohne Unterlaß scheint“ (ebd.); sein Kampf und der vieler anderer sei demnach nicht umsonst gewesen. Auf die Überzeugung, dass eine bessere Zukunft auf dem Kampf und den Getöteten aufbaue, spielt auch Walter Genuneit in seinem Gedicht „Vergeßt sie nicht!“ an. Die Toten bezeichnet er darin als das „Fundament, auf dem wir bauen werden“ (S. 5).

In dem Bericht „Trotz ‚Nacht und Nebel‘-Befehl“ geht der nur mit Initialen genannte Autor auf die Solidarität der Häftlinge und die Arbeit des Lagerkomitees im KZ Dachau ein. Eine tapfere Gruppe habe dort den Mut gefunden, einem deutschen Offizier gegenüber bei einer Besichtigung des Lagers die dortigen Missstände zu nennen: „Wir wollten die Wahrheit sagen. Auch wenn es unser Tod sein sollte“ (S. 8). Mit diesem Einsatz hätten die „Kumpel“ als „Einheit [...] der Wahrheit zum Ziel verholfen“ (ebd.). Jenen, die diesen Kampf mit dem Leben bezahlt haben, wird deshalb gedacht. Erich Weinert ruft in seinem abgedruckten Gedicht die Mütter der Toten auf, sich für eine bessere Zukunft einzusetzen: „Und tausend Mütter stehen auf im Land. / Der toten Söhne Fahne in der Hand“ (S. 18). Mehrere Auszüge stammen aus Einzelpublikationen, die während oder nach dem Krieg erschienen sind, so etwa ein Gedicht von Albrecht Haushofer aus den „Moabiter Sonetten“, die Fluchtszene aus Anna Seghersʻ „Das siebte Kreuz“ oder aus Julius Fuciks „Reportage unter dem Strang geschrieben“. In allen Textpassagen wird die Tapferkeit der einzelnen Personen hervorgehoben.

Von Friedrich Schlotterbeck stammen die beiden letzten Texte: Zunächst ruft er in einem Brief ein junges Mädchen mit deutlichen Worten – sonst verstünde sie ihn nach der NS-Erziehung nicht – auf, nicht mehr passiv zu warten, sondern sich aktiv für Veränderungen einzusetzen: „Es macht sich ganz gut, eine Weile in irretiertem [sic!] verachtendem Weltschmerz zu machen […]. Aber einmal – muß wieder Tritt gefaßt werden“ (S. 26). In dem abschließenden Redeauszug spricht sich Schlotterbeck für den Einsatz für die Demokratie aus. Dabei solle diese auch mit wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen einhergehen, um mehr zu sein „als ein politischer Höflichkeits- und Anstandskodex, mehr als ein parlamentarischer Knigge“ (S. 27). Den Alliierten unterliefen in diesem Prozess allerdings Fehler, wie die Beschneidung der Exporte oder die fehlende Entnazifizierung der führenden NS-Schichten, so Schlotterbeck. Doch die Überlebenden der Konzentrationslager werden sich, so sein Fazit, weiter für Veränderungen einsetzen. Dem schließt sich das Gedicht von Franz Theodor Csokor an, in dem in der letzten Zeile ebenfalls zum Handeln aufgerufen wird: „Du bist gemeint! / Nicht der neben dir. / Komm!“ (S. 31).



Bearbeitet von: Christiane Weber