Kowollik, Paul (1911-1996)
| Name | Kowollik, Paul (1911-1996) |
|---|---|
| Namensvarianten | Prosna, Peter (Pseudonym) |
| Geschlecht | männlich |
| Geburtsdatum | 14. Juni 1911 |
| Geburtsort | Kreuzhütte (Oberschlesien) |
| Sterbedatum | 30. Dezember 1996 |
| Sterbeort | Waldkirch
|
Biografie
Paul Kowollik (geb. 14.06.1911 in Kreuzhütte in Oberschlesien, gest. 30.12.1996 in Waldkirch im Breisgau) wurde als ältester Sohn von sechs Kindern geboren. Nach Abschluss der Volksschule im Jahr 1925 besuchte er bis 1929 ein Gymnasium in Rosenberg (Kreisstadt in Oberschlesien). Dank seiner guten Noten in Deutsch und Geschichte war er im Jahr 1929 mit weiteren 14 Gymnasiasten der Oberstufe für eine Studienfahrt zu den Schillerfestspielen in Weimar ausgesucht worden.
1931 wurde er Mitglied der Zentrumspartei und übernahm bis zur erzwungenen Auflösung der Partei im Jahr 1933 die Funktion des Sekretärs und Redners bei Parteiveranstaltungen. In dieser Zeit arbeitete er auch als freier Journalist und schrieb kulturpolitische Artikel und Aufsätze für katholische Zentrumszeitschriften in Schlesien. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war Kowollik als überzeugter „Verteidiger des Weimarer Staates“ („Das war Konzentrationslager Buchenwald“, S. 4) nicht gewillt, der NSDAP oder der Reichspressekammer beizutreten, um die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten als Journalist propagieren zu müssen. In der Folge konnte er ab 1936 seine journalistischen Tätigkeiten nicht fortführen, war vorübergehend arbeitslos und dann als Straßenbauarbeiter tätig. Im Zuge der zweiten, zwischen dem 13. und 18. Juni 1938 durchgeführten Verhaftungswelle der sogenannten „Aktion ‚Arbeitsscheu Reich‘“ (ASR) wurde der damals 27-Jährige in ‚Schutzhaft‘ genommen und traf am 15. Juni 1938 gegen 11 Uhr vormittags im KZ Buchenwald ein. In seiner Häftlingspersonalkarte wurde er mit dem Kürzel „A.S.R.“ für „asozial/arbeitsscheu“ geführt und erhielt die Häftlingsnummer 6240. Er wurde im Laufe seiner Gefangenschaft mehreren Arbeitskommandos zugeteilt, darunter auch dem berüchtigten Außenkommando Steinbruch. Am 20. April 1939 wurde er schließlich nach elf Monaten Haft aus Buchenwald entlassen.
Zu Beginn des Krieges 1939 nahm Kowollik eine Tätigkeit in einer Baufirma auf, wurde aber im Januar 1940 zur Wehrmacht einberufen und war bis 1945 Infanteriesoldat. Kurzzeitig war er von Januar bis März 1941 in einem Verlagshaus in Litzmannstadt (Polen) beschäftigt. Ab 1943 war er in Waldkirch im Landkreis Emmendingen wohnhaft und heiratete. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Nach Kriegsende war er von 1948 Redaktions- und Geschäftsstellenleiter der Regionalausgabe der Badischen Zeitung in Waldkirch bis Ende 1959. Eine mehrmonatige, lebensbedrohliche Erkrankung zwang ihn, auf ärztliche Empfehlung hin kürzerzutreten.
Seine Erinnerungen an die Haft im Konzentrationslager Buchenwald hat er in verschiedenen Genres niedergeschrieben. Bereits 1945 erschien sein Erlebnisbericht „Das war Konzentrationslager Buchenwald“, der bis circa 1948 in drei Auflagen im Selbstverlag veröffentlicht wurde (vgl. Werkgeschichte „Das war Konzentrationslager Buchenwald“). Es folgten 1947 die Erzählung „Henker und Heilige. Erzählungen aus unseren Tagen“, die autobiografische Anteile aufweist (vgl. Zusammenfassung „Henker und Heilige“), sowie die Abhandlung „Analyse eines Schandflecks“. Alle drei Publikationen erreichten um 1948 eine Gesamtauflage von rund 60.000 Exemplaren, wobei „Das war Konzentrationslager Buchenwald“ die höchste Auflage verzeichnete.
1948 veröffentlichte Kowollik seine politisch-philosophische Broschüre „Quo vadis Europa? Wer kann das Abendland retten?“, in der er sich der Frage widmet, wie sich das durch den Weltkrieg zerstörte Europa künftig politisch, wirtschaftlich, religiös und sozial orientieren könnte. Im Juli 1948 beantragte er die Veröffentlichung der Kurzschrift „Massenherrschaft und Menschenfurcht“, die jedoch aufgrund der zeitintensiven Eröffnung der Geschäftsstelle der Badischen Zeitung zum 1. Oktober 1948 nicht verlegt wurde. Ebenso wird sein politischer Roman „Der Dorfspion“ lediglich in einem Druckgenehmigungsantrag als „Werk in Bearbeitung“ aufgeführt.
Dank des allgemein einsetzenden „Wirtschaftswunders“ gelang es ihm, sich ab 1962 als Journalist selbständig zu machen. So war er als Verleger eines Anzeigenblattes und ab Mitte der 1960er Jahre auch als renommierter Autor von Heimatbüchern und Landkreisbeschreibungen tätig. Im Jahr 1975 legte er eine Anthologie von 28 Gedichten mit dem Titel „Mit Feder, Spaten und Gewehr“ vor, in der er seine „Arbeit als Journalist, die Schrecken und Leiden des Krieges und die Tyrannei in der Diktatur“ (vgl. hinteres Vorsatzblatt des Bandes) literarisch verarbeitet. Der autobiografische Roman „Wege zwischen Dornen und Schlingen“, den er 1988 unter dem Pseudonym Peter Prosna veröffentlichte, stellt sein umfangreichstes und letztes Werk dar.
Kowollik war überzeugt, dass alle im KZ-Inhaftierten schnell rehabilitiert werden würden, doch er wurde in dieser Annahme bitter enttäuscht: 1949 urteilte die Wiedergutmachungskommission, dass er „zu Recht in einem Konzentrationslager inhaftiert“ worden war (Kowollik, E-Mail vom 5. Februar 2023). Zwar erhielt er im Jahr 1948 den „Ehrenpass antifaschistischer Kämpfer“ durch das Innenministerium des damaligen Landes Baden, doch die erhoffte Rehabilitation erlebte Kowollik zu Lebzeiten nicht; er starb am 30. Dezember 1996 im Alter von 85 Jahren in Waldkirch. Die Anerkennung der von den Nationalsozialisten als ‚Asoziale‘ verfolgten KZ-Häftlinge erfolgte erst im Februar des Jahres 2020 durch den Deutschen Bundestag.
Quellen:
- „Akte von Kowollik, Paul, geboren am 14.06.1911“, 1.1.5/6357475/ ITS Digital Archive, Arolsen Archive.
- „Antrag auf Druckgenehmigung, Analyse eines Schandflecks, 12. Dezember 1946“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/ Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
- „Antrag auf Druckgenehmigung, Analyse eines Schandflecks, 12. Dezember 1946“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/ Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
- „Antrag auf Erteilung der Veröffentlichungsberechtigung, Das war Konzentrationslager Buchenwald, 5. Juni 1946. In: Archiv des französischen Außenministeriums/ Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
- „Antrag auf Erteilung der Veröffentlichungsberechtigung, Massenherrschaft und Menschenfurcht, 16. Juli 1948“. In: Archiv des französischen Außenministeriums/ Gouvernement Militaire de la Zone Française d’Occupation, ohne Signatur.
- „Brockhaus für Elztäler – 200. Ausgabe des ‚Waldkircher Heimatbriefs ist erschienen‘“, Badische Zeitung, 18.12.2004.
- „BZ-Urgestein Wolfgang Meyer. 85 Jahre alt – Noch immer aktiv“, Badische Zeitung, 16.10.2013.
- Deutsche Nationalbibliothek: "Kowollik, Paul". Online: https://d-nb.info/gnd/124550592 (Stand: 12.02.2023).
- Fang, Chunguang: Das Täterbild in der Überlebenden-Literatur. Ein Vergleich der Täterbilder in der frühen und späten Lagerliteratur von Buchenwald und Dachau. Frankfurt a. M. 2017.
- ITS, DocID: 86304818. ITS Digital Archive, Arolsen Archive. Online: https://collections.arolsen-archives.org/de/document/86304818 (Stand: 12.02.2023).
- Kirsten, Holm und Wulf Kirsten (Hrsg.): Stimmen aus Buchenwald. Ein Lesebuch. Göttingen 2002, S. 312.
- Kowollik, Joachim: E-Mail vom 19. Februar 2023 an Charlotte Kitzinger.
- Kowollik, Joachim: E-Mail vom 5. Februar 2023 an Chunguang Fang.
- Kowollik, Paul: Mit Feder, Spaten und Gewehr. Ettenheim 1975.