Das Schwarzbuch (1934)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
Wechseln zu: Navigation, Suche

Angaben zum Werk

Titel Das Schwarzbuch
Autor Motzkin, Leo (1867-1933), Olden, Rudolf (1885-1940)
Genre Sonstige

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1934, Paris
Titel Das Schwarzbuch
Untertitel Tatsachen und Dokumente. Die Lage der Juden in Deutschland 1933

Erscheinungsort Paris
Erscheinungsjahr 1934

Gedruckt von Impremerie Pascal
Publiziert von Motzkin, Leo (1867-1933), Olden, Rudolf (1885-1940)

Umfang 536 Seiten


Zusammenfassung

Das „Schwarzbuch“ versammelt in thematischen Kapiteln Dokumente, Berichte und Zeitungsartikel über die Verfolgung der Juden im nationalsozialistischen Deutschland, die in einen redaktionellen Text eingebettet beziehungsweise von diesem eingeleitet werden. Eingangs betonen die Verfasser den einschneidenden Charakter der NS-Verfolgungspolitik. Diese sei ein historisches Ereignis, „wie es in den letzten fünfhundert Jahren nicht dagewesen ist, und das seine Wirkungen noch in Jahrhunderten tun wird“ (S. 5). Hierüber soll die Weltöffentlichkeit systematisch und sachlich informiert werden. Als Quellen, betonen die Herausgeber, werden nur offizielle Dokumente benutzt, die allerdings nur ein unzureichendes Bild zeichnen würden. Es dürfe nicht verschwiegen werden, „dass es weit schlimmer ist, als unsere Denkschrift es darstellt, dass von Nadelstichen bis zu Gewalttaten, von moralischen und wirtschaftlichen Schädigungen, die sie [die deutschen Juden] erleiden, nur ein Bruchteil in diesem Buch enthalten ist. So arg es ist, was hier verzeichnet wird, es verblasst vor der Wirklichkeit, die zu schildern einst ein grosser Schriftsteller, ein Mächtiger des Worts, erstehen möge“ (S. 8f.).

Ausführlich wird zunächst der Antisemitismus im Programm der NSDAP sowie in Äußerungen und Schriften Hitlers, Goebbels‘ und anderer führender Nationalsozialisten dargestellt. Diese Programmatik, das wird an Zeitungsmeldungen gezeigt, werde auch nach der Machtübernahme weiterverfolgt, wenngleich in der Öffentlichkeit maßvoller und zurückhaltender geredet werde. Ergänzt wird dieser Teil durch Erörterungen zum Juden-Begriff sowie Statistiken über den Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung, ihrer Berufsstruktur und ähnliches.

In den folgenden Kapiteln versammelt der Band die einschlägigen Gesetze und Verordnungen des NS-Staates zum Ausschluss der Juden aus verschiedenen Berufen, aus Schule, Hochschule, dem öffentlichen Dienst sowie Kunst, Film und Presse. Neben den Gesetzen finden sich hier Berichte über einschneidende Ereignisse wie der Sturm von SA-Männern auf Gerichte und der Rauswurf jüdischer Juristen, Meldungen über Zerstörungen von Synagogen, Boykottaktionen gegen jüdische Ärzte, Einschränkungen für jüdische Hochschullehrer, Studenten und Schüler. Breiten Raum nimmt auch die Darstellung der ökonomischen Diskriminierung ein, angefangen vom Boykott am 1. April 1933 über den Ausschluss von Juden aus Aufsichtsräten und Wirtschaftsverbänden bis hin zu einem stillen Boykott durch die deutsche Gesellschaft.

Die Dokumentation zeichnet sich durch einen äußerst sachlichen Stil aus; die Berichte werden durch Statistiken ergänzt, die der NS-Propaganda Fakten entgegensetzen. Eingangs schildern die Verfasser der thematischen Kapitel meist die Situation bis 1933, anschließend die oft ungeregelten Maßnahmen und den Terror der Anfangszeit und schließlich das systematische Vorgehen der Nationalsozialisten gegen die Juden per Gesetz.

Zwar betonen die Autoren, dass ihnen in erster Linie an einer Dokumentation der systematischen gesetzlichen und außergesetzlichen Maßnahmen und nicht des Terrors gegen Juden gelegen sei, gleichwohl dokumentieren sie in zwei Kapiteln auch Gewalt gegen Juden sowie die Drangsalierungen und Übergriffe im Alltag. Damit soll unter anderem der Lüge der Nationalsozialisten, in Deutschland sei keinem Juden auch nur ein Haar gekrümmt worden, die dokumentierte Wahrheit entgegengesetzt werden.

Autorbiografie(n)

Das Comité des Délégations Juives war eine 1919 im Zusammenhang mit den Pariser Friedensverhandlungen entstandene Interessenvertretung vor allem zionistischer jüdischer Organisationen aus Europa und den Vereinigten Staaten, die sich für die Minderheitenrechte von Juden stark machte. Vor allem im Fall der Verfassung des wieder entstandenen polnischen Staates konnten Erfolge erzielt werden. 1936 ging die Organisation im Jüdischen Weltkongress auf.

Motzkin, Leo (1867-1933)

Leo Motzkin (geb. 1867 in der Nähe von Kiew, gest. 06.11.1933) wuchs bei Kiew auf, wo er 1881 den Pogrom erlebte und überlebte. Motzkin studierte in Berlin und widmete sich nach seinem Studium dem Zionismus, unter anderem gehörte er zu den Teilnehmern des Ersten Zionistischen Kongresses 1897 in Basel. Neben seinen vielfältigen zionistischen Aktivitäten publizierte er auch über den Antisemitismus und die Pogrome in Russland. Motzkin gehörte zu den Initiatoren und Gründern des Comité des Délégations Juives, das er leitete. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten engagierte sich Motzkin für die unterdrückten Juden in Deutschland und brachte ihre Verfolgung beim Völkerbund zur Sprache.

Quelle:


Olden, Rudolf (1885-1940)

Rudolf Olden (geb. 14.01.1885 in Stettin, gest. 17.08.1940 im Atlantik) nahm nach seinem Studium der Rechtswissenschaften am Ersten Weltkrieg teil. Nach dem Krieg arbeitete er als Journalist in Wien beim „Neuen Tag“, bevor er 1926 nach Berlin zu Theodor Wolffs „Berliner Tageblatt“ wechselte. Dort wurde er bald darauf stellvertretender Chefredakteur. Überdies schrieb er für „Die Weltbühne“ sowie „Das Tagebuch“. 1929 veröffentlichte Olden eine Biographie über Gustav Stresemann. Er engagierte sich zudem in der Liga für Menschenrechte und war einer der bekanntesten Journalisten Deutschlands. Olden entging 1933 nur knapp der Verhaftung, bevor er nach Prag floh und von dort über Österreich und die Schweiz weiter nach Paris. Ab 1936 hielt er an der Oxford University und der London School of Economics Vorlesungen über deutsche Geschichte. Überdies war Olden als ehrenamtlicher Sekretär des Deutschen PEN-Clubs London aktiv und engagierte sich für zahlreiche verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller.

Im Exil setzte er sein umfangreiches publizistisches Wirken fort: 1933 veröffentlichte er im Prager Malik Verlag anonym „Hitler, der Eroberer. Die Entlarvung einer Legende“, im Jahr darauf folgte ein Buch über Hindenburg und 1935 schließlich erschien sein Hitler-Buch unter seinem Namen im Amsterdamer Querido Verlag.

Quellen:


Werkgeschichte

Das Schwarzbuch geht auf eine Initiative Leo Motzkins zurück, der die Arbeit daran bis zu seinem Tod am 6. November 1933 leitete. Die ersten Kapitel wurden im Sommer 1933 geschrieben und dann in den Druck gegeben, die letzten Kapitel im Spätherbst, so dass der erste Teil des Buches über die ersten sechs Monate nationalsozialistischer Herrschaft berichtet, der letzte Teil bis zum Spätherbst. Als federführender Autor gilt der Journalist und Publizist Rudolf Olden.

In den 1980er Jahren legte der Ullstein Verlag ein Reprint des Schwarzbuchs auf.



Bearbeitet von: Markus Roth