Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück (1945)

Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Angaben zum Werk

Titel Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück
Autor Berner, Maria (1904-2000), Bruha, Antonia (1915-2006), Hand, Anna (1911-1987), Trksak, Irma (1917-2017)
Genre Erinnerungsbericht

Ausgaben des Werks

Ausgabe von 1945, Wien
Titel Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück
Untertitel Geschildert von Ravensbrücker Häftlingen

Erscheinungsort Wien
Erscheinungsjahr 1945

Verlegt von Stern-Verlag
Gedruckt von Steyrermühl
Publiziert von Berner, Maria (1904-2000), Bruha, Antonia (1915-2006), Hand, Anna (1911-1987), Trksak, Irma (1917-2017)

Umfang 30 Seiten

Bibliotheksnachweise UBGI-icon.gif UB Gießen (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)
DNB-icon.gif Deutsche Nationalbibliothek (Print-dnb-icon.gif gedruckte Ausgabe)


Zusammenfassung

Die kurze, von ehemaligen weiblichen Häftlingen des Konzentrationslagers Ravensbrück herausgegebene Broschüre ist eine überwiegend sachliche Beschreibung der Ankunft, der Aufnahme und des Überlebenskampfes von Frauen im Lager. Im Vordergrund steht das Bedürfnis, über die Geschehnisse und das spezifische Schicksal von Frauen in Ravensbrück zu informieren und aufzuklären. Denn es sei offensichtlich, dass die Menschen in Deutschland „nicht sehen und hören wollten“ (S. 6). Dies ist auch der Grund für die Herausgabe der Broschüre: Denn „nur, wenn die menschliche Gesellschaft erfährt, zu welchem Tiefstand der Mensch sinken kann, wird sie gesunden. Deshalb der kurze, schlichte Bericht von unermeßlichem, unausschöpfbarem Leid, das der Faschismus über uns gebracht hat“ (ebd).

Über die Identität und das Schicksal der Verfasserinnen, die aus einer kollektiven Perspektive berichten und von ‚wir‘ sprechen, erfährt der Leser nur wenig. Eher beiläufig erläutern sie, dass sie Wienerinnen und als Kommunistinnen wegen ihrer illegalen Arbeit verhaftet worden seien. Immer wieder wenden sich die Autorinnen appellierend direkt an die Leser. So lautet gleich die erste Überschrift: „Habt ihr das gewußt?“ (S. 5) An anderer Stelle bitten sie die Leser, sich vorzustellen, wie es ist, Wochen und Monate „ohne Taschentuch, ohne die Möglichkeit, sich zu waschen, ohne Binden, wenn ihr unwohl seid, ohne Kamm und ohne die Möglichkeit, Wäsche zu wechseln“ (S. 15) zu leben.

Die Autorinnen erläutern die Zusammensetzung der Frauen aus den verschiedenen Nationen sowie die vielfältigen Haftgründe der weiblichen Gefangenen in Ravensbrück. Ausführlich stellen sie die demütigende und die Frauen ihrer Weiblichkeit beraubende Aufnahmeprozedur dar, bei der sie brutal auf Geschlechtskrankheiten untersucht und ohne Rücksicht auf langfristige Schäden misshandelt werden: „Wie viele dieser gepeinigten Frauen werden noch gesunde Kinder zur Welt bringen können?“ (S. 12) Dargestellt werden neben dem Hunger, den Krankheiten und den unmenschlichen Arbeitsbedingungen etwa in den Rüstungsbetrieben im Lager auch die Folter sowie die Misshandlungen und medizinischen Versuche. Die Prostitution, zu der viele junge Mädchen im Lager und in den Häftlingsbordellen anderer Konzentrationslager gezwungen werden, wird ebenfalls beschrieben: „Geschlechtskrank und abgestumpft für jedes menschliche Gefühl“ (S. 22) seien die Mädchen zurückgekehrt. Besonders widmen sich die Autorinnen auch den Müttern und ihren Kindern im Lager: Das Morden habe in Ravensbrück schon im Mutterleib begonnen, Abtreibungen seien zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft vorgenommen worden und nur Ausländerinnen sei es gestattet gewesen, ihr Kind auszutragen. Allerdings seien auch diese Kinder aufgrund des mangelnden Essens, der fehlenden Hygiene und ohne Windeln meistens schnell gestorben: „Von 100 geborenen Kindern bleiben im Durchschnitt nur fünf bis zehn am Leben“ (S. 23). Die Kinder, die mit ihren Müttern zusammen nach Ravensbrück gekommen sind, seien für ihr Leben traumatisiert: „Wird denn eine Kinderseele jemals begreifen, warum, wenn es nicht einmal wir Erwachsenen begreifen konnten? Wird denn ein Kind je verstehen, warum ihm die Mutter nichts geben kann, trotzdem es Hunger hat?“ (S. 23), fragen sich die Verfasserinnen verzweifelt. Dennoch habe die Anwesenheit der Kinder den Häftlingen Kraft zum Überleben gegeben und die Moral der Frauen gehoben. Sie loben etwa die Versuche der Frauen, den Kindern trotz aller Schwierigkeiten eine Weihnachtsfeier zu organisieren.

Mit dem Herannahen der sowjetischen Armee Anfang 1945 werden auch Häftlinge aus Auschwitz und anderen Lagern nach Ravensbrück verbracht. Um die zahlreichen zusätzlichen Häftlinge unterzubringen, wird ein riesiges Zelt aufgestellt, in dem die Häftlinge ohne Licht, Toiletten und Wasser vor sich hin vegetieren und massenweise sterben. Im übrigen Lager steigt die Zahl der Todesfälle auch von Dezember 1944 bis März 1945 rasant an. Durch sogenannte Krankentransporte wird die Anzahl der Häftlinge ebenfalls vermindert, so dass die Befreiung des Lagers durch die Rote Armee als „Rettung vor dem Untergang in letzter Stunde“ (S. 29) wahrgenommen wird.

Der Glaube an eine bessere Zukunft und an das Wiedersehen der Heimat lässt die Autorinnen den Kampf auch im Lager nie aufgeben: „Wir Östereicherinnen waren stark im Lager, weil wir eine geschlossene und einheitliche Gruppe darstellten, weil wir, allem Terror zum Trotz, organsiert waren. Durch die Besetzung wichtiger Positionen im Lager haben wir viele Opfer den Klauen der Nazimörder entrissen“ (S. 30). Insbesondere einer „tapferen Antifaschistin“ (S. 30), der verstorbenen Genossin Maria Günsburg, möchten sie mit dem Bericht ein Denkmal setzen. Sie wurde im Oktober 1944 in Ravensbrück erschossen.

Nie wieder dürfe so unermessliches Leid über die Welt kommen, schließen die Frauen den Bericht. Mitwirken wollen die Autorinnen am Aufbau einer Heimat, „in der glückliche Mütter sich an gesunden Kindern freuen, in einem freien demokratischen Österreich“ (S. 30).

Autorinnenbiografien

Bruha, Antonia (1915-2006)

Antonia Bruha (geb. 01.03.1915 als Antonia Spath in Wien, gest. 27.12.2006 in Wien), die meist „Toni“ genannt wurde, besuchte eine tschechische Schule. Später war sie im „Tschechischen Arbeiterturnverein“ aktiv. Sie absolvierte auf Wunsch ihrer Mutter eine Lehre als Friseurin und Schönheitspflegerin. 1935 heiratete sie. Das Ehepaar engagierte sich politisch gegen die Regierung Schuschniggs in Österreich. Toni Bruha schrieb außerdem für die „Tschechische Arbeiterzeitung“. Ab 1938 arbeitete sie in einer großen tschechischen Widerstandsorganisation rund um Alois Houdek mit, verteilte Flugblätter und beteiligte sich an Sabotageaktionen. Antonia Bruha selbst wurde am 15. Oktober 1941, drei Monate nach der Geburt ihrer Tochter, in Wien wegen politischen Widerstands und ‚Vorbereitung zum Hochverrat‘ verhaftet. Die Tochter wurde ohne ihr Einverständnis zu Pflegeeltern gegeben. Sie wurde verhört und misshandelt. Bis zum 11. März 1942 war sie bei der Gestapo Wien inhaftiert, bis zum 26. September 1942 im Bezirksgefängnis Schiffamtsgasse, viele Monate davon in Einzelhaft, bis sie über Linz und Prag am 2. Oktober 1942 in das KZ Ravensbrück überstellt wurde. Hier erhielt sie die Häftlingsnummer 14168. Zunächst musste sie Loren schieben und arbeitete in der Schneiderei, später gehörte sie als Revierläuferin zu den Funktionshäftlingen. Ihre Position nutzte sie für ihre Tätigkeit im illegalen Internationalen Lagerkomitee. Sie beteiligte sich etwa an Rettungsaktionen der zur Hinrichtung bestimmten Häftlinge Toni Lehr, Gerti Schindel und Edith Wexberg, die von den Mithäftlingen versteckt und schließlich aus dem Lager geschmuggelt wurden. Am 28. April 1945 konnte Toni Bruha auf einem Evakuierungsmarsch mit mehreren Freundinnen entkommen. Die Gruppe schlug sich nach Wien durch.

Nach ihrer Rückkehr nach Wien arbeitete sie einige Jahre als Übersetzerin bei Radio Wien für die „Russischstunde“. Nach vier Jahren Trennung gestaltete sich die Annäherung zwischen ihr und der kleinen Tochter langwierig und schwierig.

Bruha war 1947 Gründungsmitglied der Lagergemeinschaft Ravensbrück und bis 2005 als deren Kassiererin tätig. Mehr als 30 Jahre lang arbeitete sie ehrenamtlich im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstand (DÖW) mit und betreute dort das sogenannte Ravensbrück-Archiv. Zudem besuchte sie in den 1960er Jahren als Zeitzeugin österreichische Schulen und schrieb neben Beiträgen in diversen Büchern auch eine Autobiografie mit dem Titel „Ich war keine Heldin“. Bis zu ihrem Tod war sie aktives Mitglied der Lagergemeinschaft Ravensbrück.

Quellen:

Berner, Maria (1904-2000)

Maria Berner (geb. 24.07.1904 in Wien, gest. 16.08.2000), die auch Marie und Mitzi genannt wurde, stammte aus einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie. Sie besuchte die Pflichtschule und arbeitete danach in einem Heilmittelinstitut, wo sie auch Betriebsrätin war. Seit 1934 war sie im kommunistischen Widerstand aktiv. Sie wurde in Wien am 22. August 1939 aufgrund ihrer illegalen politischen Tätigkeiten im kommunistischen Widerstand verhaftet und nach zwei Jahren Gefängnishaft in Wien und Krems zunächst in das Zuchthaus Aichach in Bayern überstellt.

Im August 1943 wurde sie in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht, wo sie die Häftlingsnummer 21793 trug. Sie war im Arbeitseinsatz tätig und musste die Listen über die Zuteilung der Häftlinge zu den Arbeitskommandos führen. Diese Tätigkeit ermöglichte ihr auch, sich im illegalen Internationalen Widerstandskomitee des Lagers zu engagieren. Wie auch Toni Bruha war sie an der Rettung von Gerti Schindel, Edith Wexberg und Toni Lehr beteiligt. Am 30. April 1945 konnte Mitzi Berner während eines Evakuierungsmarsches entkommen.

Nach ihrer Rückkehr nach Wien war sie aufgrund gesundheitlicher Schäden durch die Haft arbeitsunfähig. Sie lebte in Lebensgemeinschaft mit der Ravensbrück-Überlebenden Anna Hand. Gemeinsam adoptierten sie die 1946 geborene Ilse. Die Adoption wurde zunächst abgelehnt, da man einem ehemaligen Häftling kein Kind anvertrauen könne. Nach einigen Protesten von ehemaligen KZ-Häftlingen und dem Engagement eines sozialistischen Anwalts, gelang es schließlich doch.

Quellen:

Trksak, Irma (1917-?)

Irma Trksak (geb. 02.10.1917 in Wien, gest. 11.07.2017 in Wien) wurde als zweites von vier Kindern von Anna und Stephan Trksak in eine slowakische Arbeiterfamilie geboren. Die Eltern waren vor dem Ersten Weltkrieg aus der Slowakei nach Wien gezogen, um dort Arbeit zu finden. Stephan Trksak arbeitete sich schließlich zum Maschinisten einer Eisfabrik hoch. Irma konnte als Arbeiterkind das tschechische Komensky-Realgymnasium besuchen und legte hier ihre Matura ab. Danach verbrachte sie ein Jahr an der Pädagogischen Akademie in Prag und erhielt dann eine Anstellung als Lehrerin an der tschechischen Volksschule in Wien. Zudem unterrichtete sie in einer slowakischen Sprachschule. Als diese Schulen 1940 geschlossen wurden, begann Irma ein Slawistik-Studium.

Irma Trksak engagierte sich in ihrer Studienzeit im Widerstand, etwa im „Tschechoslowakischen Turnverein“. Sie vervielfältigte Flugblätter und half bei Sabotage-Aktionen mit. Schließlich wurden immer mehr Mitglieder der Gruppe verhaftet, darunter auch einer von Irmas Brüdern, und ohne Prozess in Konzentrationslager gebracht. Am 29. September 1941 wurde auch Irma verhaftet, einen Tag später ihr Freund Ludwik Štěpánek, bei dem ein im Garten vergrabenes Vervielfältigungsgerät gefunden wurde.

Zwölf Monate blieb sie in Gefängnishaft in Wien. In dieser Zeit wurde sie immer wieder verhört und zum Verrat ihrer Mitkämpfer aufgefordert. Lange Zeit verbrachte sie in Einzelhaft. Am 2. Oktober 1942, ihrem 25. Geburtstag, wurde sie in das Konzentrationslager Ravensbrück überstellt, wo sie die Häftlingsnummer 14177 erhielt.

Trksak meldete sich zur Zwangsarbeit bei Siemens, wo sie als Schreiberin die Arbeitsleistung der Häftlinge verzeichnen musste. Dies ermöglichte ihr, die Widerstandsarbeit fortzusetzen, indem sie die Statistiken der Arbeitsleistungen der Zwangsarbeiterinnen verfälschte. 1944 wurde Irma Stubenälteste in der „Internationalen Stube“. Sie wurde jedoch verraten, weil sie politische Aktivitäten und Diskussionen auf ihrer Stube duldete, und zur Strafe in die Uckermark versetzt. Schließlich gelang es ihr mit Hilfe von Elisabeth Thury, Chefin der Lagerpolizei in Ravensbrück, wieder in das Hauptlager zurücküberstellt und dort Stubenälteste im Block 3 zu werden. Am 29. April konnte sie im Chaos der Lagerauflösung vom letzten sogenannten Evakuierungsmarsch fliehen.

Ihre Eltern sowie die Schwester hatten den Krieg überlebt, die Brüder Jan und Stefan waren jedoch an der Front oder im Konzentrationslager gestorben. Auch ihr Freund Ludwik Štěpánek war in einem Nebenlager von Mauthausen umgekommen.

1947 war Trksak Zeugin in den Hamburger Ravensbrück-Prozessen. Sie gehörte 1947 zu den Gründungsmitgliedern der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück, deren Sekretärin sie zwischen 1984 und 2005 war. 1951 kam ihr Sohn zur Welt, beruflich war sie anfangs lange Jahre in der tschechischen Gesandtschaft tätig. Später betreute sie die tschechische Zeitung der KPÖ. Nachdem es jedoch zwischen ihr und der kommunistischen Partei zum Bruch gekommen war und sie aus der Partei ausgetreten war, arbeitete sie bis zu ihrer Pensionierung bei Siemens als Sachbearbeiterin. Viele Jahre wirkte sie darüber hinaus als Zeitzeugin in Schulen. Sie hielt zudem Vorträge und stellte sich für Dokumentationen und Reportagen zur Verfügung.

Quellen:

Hand, Anna (1911-1987)

Anna Hand (geb. 1911, gest. 1987) wurde in eine Wiener Arbeiterfamilie geboren. Nach der Matura absolvierte sie eine Lehre und arbeitete in einem Büro. Sie war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und ab 1934 im kommunistischen Widerstand aktiv. 1942 wurde sie verhaftet und Anfang 1943 nach Ravensbrück deportiert, wo sie die Häftlingsnummer 15954 erhielt. Sie lebte in Lebensgemeinschaft mit der Ravensbrück-Überlebenden Maria Berner. Gemeinsam adoptierten sie die 1946 geborene Ilse. Die Adoption wurde zunächst abgelehnt, da man einem ehemaligen Häftling kein Kind anvertrauen könne. Nach einigen Protesten von ehemaligen KZ-Häftlingen und dem Engagement eines sozialistischen Anwalts, gelang dies schließlich doch.

Quelle:


Allgemeine Quellen:

  • Berger, Karin/Holzinger, Elisabeth/Podgornik, Lotte und Lisbeth N. Trallori (Hg.): Ich geb Dir einen Mantel, daß Du ihn noch in Freiheit tragen kannst. Widerstehen im KZ. Österreichische Frauen erzählen. Fulda 1987.
  • Degen, Barbara: Das Herz schlägt in Ravensbrück. Die Gedenkkultur der Frauen. Opladen/Farmington Hills 2010.



Bearbeitet von: Charlotte Kitzinger