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Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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L
Albert Josef Lux (geb. 10.03.1896 in Kronenburg bei Straßburg) wuchs als sechstes Kind eines Lohnkutschers im Elsass auf. Er kämpfte als Elsässer in der deutschen Armee während des Ersten Weltkriegs als Flieger unter anderem in der Staffel von Hermann Göring. Nach Kriegsende kehrte er im Juni 1919 zurück in seine Heimat. Dort fiel es ihm schwer, sich in die nun profranzösische Gesellschaft einzugliedern; mit seiner Ehefrau Jeanne, die er 1926 heiratete, zog er oft innerhalb des Elsass um. Lux arbeitete als Automechaniker und war in Kreisen, die sich für eine Autonomie des Elsass einsetzten, tätig. Vermutlich war er mehrmals inhaftiert, so 1922 für einen Monat in Dessau und vom 15. September bis zum 4. Oktober 1932 in Frankreich. Bei einem Besuch in Deutschland wurde Lux am 3. April 1933 – andere Quellen nennen den 22. März 1933 – festgenommen und in Bruchsal inhaftiert. Man warf ihm vor, für Frankreich SS-Unterkünfte ausspioniert zu haben. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von drei Jahren, die er in zwei Bruchsaler Gefängnissen verbrachte. Zwischenzeitlich wurde er in eine psychiatrische Strafanstalt verlegt, da er im Gefängnis Wutanfälle hatte. Bis zu seiner Entlassung am 2. August 1936 verblieb er im Gefängnis in Bruchsal. Über sein weiteres Leben ist bisher in der Forschung nichts bekannt. ''Quellen:'' *Lux, Albert: Von Goerings Kriegsflugstaffel in Goerings Zuchthäuser. Zehn Jahre Lebensgeschichte eines Elsässers. Straßburg 1938. *„Lux, Albert Josef“. In: Archives de la Ville et de la Communauté urbaine Strasburg 1207/2014 LP/SR. Wohnkarteikarten: 603 MW 527: periode 1919-1939.  +
M
Der Kaufmann Bruno Marcuse (geb. 06.01.1878 in Berlin, gest. 27.12.1948 in Temmenhausen) war in verschiedenen Berliner Firmen tätig, die sich auf Maschinenbau spezialisiert hatten, unter anderem 1914/1915 als Direktor der Maschinenfabrik Montania in der Zweigniederlassung Berlin sowie im selben Jahr als Prokurist in der Aktiengesellschaft R. Dolberg Berlin und 1932 bei Orenstein & Koppel ebenfalls in Berlin (vgl. Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften 1914/1915 sowie 1932). Marcuse war zweimal verheiratet: Zuerst ab 1911 mit Katie Stargardt (geb. 14.11.1883 in London, gest. um 1968 in Israel) und ab 1916 mit Hedwig Ettling (geb. 09.05.1884 in Arnstadt, gest. 24.06.1940 in Berlin). Aus der ersten Ehe gingen zwei Kinder hervor – namentlich bekannt ist der 1915 geborene Sohn Adi/Adolf Maroz –, die nach dem Krieg (evtl. auch schon zuvor) in einem Kibbuz in Haifa lebten. Mit seiner protestantischen Frau Hedwig bekam er in zweiter Ehe einen Sohn, Manfred, der während des Krieges zur Arbeit für die Organisation Todt in Lothringen zwangsverpflichtet wurde; 1945 lebte er in Berlin und war bei einer Militärregierung beschäftigt. Marcuse selbst wurde auf Grund seines jüdischen Glaubens am 21. Januar 1944 nach Theresienstadt deportiert. Nach seiner Befreiung blieb er noch bis zum 10. Juli 1945 dort. Marcuse begann erst während seiner Zeit in Theresienstadt zu schreiben. In dem von ihm verfassten Gedicht „Persönliches“, mit dem er seine Gedichtsammlung „Erlebnisse im KZ Theresienstadt“ von 1946 beginnt, heißt es in der letzten Strophe: „Sonderbar, höchst sonderbar! / Über 65 Jahr / Gab ich dem Erwerb mich hin, / Hattʼ für Dichten keinen Sinn. / Aber die Natur nicht träge, / Macht die Abwehrkräfte rege, / Die wir brauchen, um den Dingen / Unser Wollen aufzuzwingen“ (S. 10). Zu dieser neuen ‚Berufung‘ passt auch Marcuses Eintrag in einem Nachkriegs-Fragebogen der Israelitischen Kultusvereinigung Württemberg, in dem er als Beruf „Schriftsteller, früher Kaufmann“ angibt (Mitgliedsfragebogen, in: 1236_001, Archiv der Israelitischen Kultusvereinigung, Personenakte Bruno Marcuse). Nach Kriegsende stellte er im Juli 1945 einen Antrag auf Auswanderung. Dazu kam es jedoch nicht, denn eine im ITS Bad Arolsen überlieferte Aufzählung führt ihn am 15. September 1946 als Mitglied der Israelitischen Kultusvereinigung Württemberg auf. Auf dem Fragebogen, den er für die Gemeinde ausfüllte, antwortete er auf die Frage, ob er auswandern wolle mit „im jetzigen Zustand nicht“ und erbat finanzielle Unterstützung. Er wohnte zu diesem Zeitpunkt in Temmenhausen im Kreis Ulm, wo er Ende 1948 verstarb. ''Quellen:'' *Family Search. Online: https://familysearch.org/pal:/MM9.2.1/MW73-H41?view=basic (Stand: 17.09.2019). *Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften. Darmstadt u.a. 1914/1915, S. 674 sowie 1085-1088. *Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften. Darmstadt u.a. 1932, S. 3788f. *„Liste von Überlebenden des Ghetto Theresienstadt“, 1.1.42.1/4955915/ITS Digital Archive, Arolsen Archives. *Manfred Marcuse Papers 2004.35.1. In: United States Holocaust Memorial Museum. *„Mitgliedsfragebogen“. In: 1236_001, Archiv der Israelitischen Kultusvereinigung (heute: Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg), Personenakte Bruno Marcuse. *„Mitgliederliste der Israelitischen Kultusvereinigung Württemberg“, 3.1.1.3/78792472/ITS Digital Archive, Arolsen Archives (F-18 Liste).  
Emil de Martini (geb. 13.03.1902 in Johann-Georgenstadt, gest. 20.04.1969 in Nürnberg) war nach Abschluss seiner Studien an einer Gewerbeschule als Journalist und Redakteur tätig und bis zum Jahre 1933 Mitarbeiter verschiedener Unterhaltungszeitschriften. Er schrieb unter anderem die Romane „Herzensgluten“, „Der alte Fisch“ und „Hochstapler“. Wegen seiner sozialistischen Haltung war er ab 1933 politischen Verfolgungen ausgesetzt und ging ins Ausland. Im Mai 1940 wurde er in Königshütte/Oberschlesien wegen seiner politischen Tätigkeit gegen das Nazi-Regime verhaftet und am 18. Juni 1940 von Krakau nach Auschwitz deportiert. Dort trug er die Häftlingsnummer 1402. Nach schwerster Arbeit in verschiedenen Kommandos kam de Martini im Sommer 1942 als Häftlingsschreiber in den Krankenbau und im selben Jahr gelangte er ins Außenlager Buna Monowitz ZA. Er wurde am 5. Februar 1943 aus Auschwitz nach Oberlohma-Franzensbad entlassen. Nach dem Krieg lebte er ab 1946 als freischaffender Schriftsteller in Nürnberg. ''Quellen:'' *De Martini, Emil: Vier Millionen Tote klagen an. München-Obermenzing 1948. *„Eintrag zu Emil de Martini“. In: Homepage Der Auschwitz Prozess. Online: http://www.auschwitz-prozess-frankfurt.de/index.php?id=71 (Stand: 19.09.2019). *Peitsch, Helmut: Deutschlands Gedächtnis an seine dunkelste Zeit. Zur Funktion der Autobiographik in den Westzonen Deutschlands und den Westsektoren von Berlin 1945 bis 1949. Berlin: Edition Sigmar Bohn 1990, S. 466.  +
Paul Wilhelm Massing (geb. 30.08.1902 in Grumbach, gest. 30.04.1979 in Tübingen) wurde als viertes Kind des Katasterkontrolleurs Wilhelm Ludwig Massing und seiner Frau Clara geboren. Er besuchte die Volksschule in Grumbach, anschließend die Lateinschule in Meisenheim und ab 1919 das Staatliche Realgymnasium in Bad Kreuznach, wo er 1923 die Reifeprüfung ablegte. Nach einjähriger Lehrzeit in einer Fabrik in Köln-Nippes und dem Besuch der Handelshochschule in Köln studierte Massing anschließend ab 1923 Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Handelshochschule in Frankfurt am Main sowie zusätzlich an der Kölner Handelshochschule, wo er 1926 als Diplom-Kaufmann abschloss. 1927 studierte er ein Semester lang an der Sorbonne in Paris. 1928 kehrte er nach Frankfurt zurück und promovierte über „Die landwirtschaftlichen Bedingungen Frankreichs im 19. Jahrhundert und das Agrarprogramm der Französischen Sozialisten“. Bis 1931 arbeitete Massing in Moskau am Internationalen Agrarischen Institut. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er bis 1933 aktives Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in Berlin und Mitarbeiter des Zentralkomitees. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er verhaftet und im Columbia-Haus in Berlin gefoltert. Danach wurde er fünf Monate lang in Einzelhaft im Konzentrationslager inhaftiert. Nach seiner Entlassung floh er über Paris in die USA, kehrte jedoch zeitweise illegal nach Deutschland zurück, wo er für die KPD aktiv war. Die Moskauer Schauprozesse, bei denen hohe russische Parteifunktionäre wegen angeblich staatsfeindlicher Aktivitäten angeklagt und hingerichtet wurden, führten bei ihm in den Jahren 1936 bis 1938 zu einem Bruch mit dem russischen Kommunismus. 1936 heiratete er seine erste Ehefrau Hede Gumpertz Eisler. 1939 emigrierte er endgültig in die USA, wo er eine Zeit lang mit seiner Frau eine Farm in Quakertown in Pennsylvania betrieb. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs schrieb Massing ein Buch über Adolf Hitler mit dem Titel „Hitler is no fool“, worin er auf dessen gefährliche Vernichtungspläne hinwies. 1942 lehrte er am Sozialforschungsinstitut der Columbia University in New York City und ab 1948 politische Soziologie an der Ruthers University in New Jersey. 1949 erschien in New York sein wohl bedeutendstes Werk „Rehearsal for Destruction: A Study Of Political Anti-Semitism in Imperial Germany“, das 1959 auch auf Deutsch unter dem Titel „Vorgeschichte des politischen Antisemitismus“ mit einem Vorwort von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno publiziert wurde. 1954 heiratete Paul Massing die Sozial- und Kommunikationsforscherin Herta Herzog. 1977 kehrten Massing und seine Frau nach Deutschland zurück. ''Quellen:'' * Bezirksverband Pfalz. Online: https://www.pfalzgeschichte.de/paul-w-massing/ (Stand: 11.09.2019). * „Massing, Paul“. In: Bundesstiftung Aufarbeitung. Biographische Datenbanken. Online: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/wer-war-wer-in-der-ddr-%2363;-1424.html?ID=4762 (stand: 11.09.2019).  
Heinrich Christian Meier (geb. 05.04.1905 in Hamburg, gest. 30.08.1987 in Hamburg), als astrologischer Autor auch Heinrich Christian Meier-Parm oder nur „Parm“ genannt, wurde als Sohn des Handelsgärtners Heinrich August Meier geboren und absolvierte 1924 das Abitur. Ab 1925 studierte er in Hamburg Psychologie, neue Sprachen und Literaturwissenschaft sowie Philosophie, ohne das Studium jedoch abzuschließen. 1927 unternahm er als freier Schriftsteller Reisen nach Italien und in die Schweiz, im selben Jahr war er als Dramaturg, Bühnenautor und Kritiker in Gera tätig. Sein erstes Stück „Amrie Delmar“ wurde 1929 in Gera aufgeführt, jedoch wegen seiner kritischen Haltung zum Krieg verboten. Ab 1930 war Meier auch als Astrologe tätig und veröffentlichte unter dem Pseudonym Meier-Parm sogenannte kosmobiologische Studien. Im selben Jahr heiratete er Els Hoffmann. 1933 schloss er sich Widerstandskreisen um Otto Strasser und Wilhelm Humbert an. Versuche, sein Studium abzuschließen und in die Schweiz und Dänemark zu emigrieren, scheiterten. Im Dezember 1936 löste Meier die Verbindung zur ‚Schwarzen Front‘. Bis zu seiner Verhaftung 1938 war er für das „Hamburger Fremdenblatt“ und die „Niederdeutsche Warte“ tätig. 1937 wurde sein Drama „Die grüne Insel“ mit Aufführungsverbot belegt. 1938 heiratete er seine zweite Frau Annemarie Fürth, die Ehe wurde 1940 wieder geschieden. Am 8. September 1938 wurde Meier inhaftiert, da nach der Besetzung der Tschechei seine Korrespondenz mit Otto Strasser in die Hände der Gestapo gelangte. Er wurde wegen 'Vorbereitung zum Hochverrat' angeklagt und am 4. August 1939 zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er im Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel und in Neusustrum im Emsländischen Moor verbüßte. Ab dem 4. November 1940 war er in Fuhlsbüttel in Gestapohaft und ab dem 22. Juni 1941 im KZ Neuengamme inhaftiert. Hier musste er in den Kommandos „Elbe“ und „Klinkerwerk“ harte Arbeit verrichten und Misshandlungen über sich ergehen lassen. Er erkrankte lebensbedrohlich. 1942 war er als Funktionshäftling in verschiedenen Kommandos eingesetzt, 1943 etwa in der Schreibstube des Arbeitseinsatzes, die ein zentraler Ort des Widerstandes war. Hier war er für die Erstellung von Karteikarten für das Wirtschaftsverwaltungshauptamts der SS verantwortlich. Dank seiner Tätigkeit konnte er auch ausländische Häftlinge von der Arbeit in gefährlichen Kommandos befreien. Insgesamt verbrachte er sechs Jahre in Haft. Im November 1944 wurde Meier in die Sturmbrigade ‚Dirlewanger‘ strafversetzt. Mit dieser Einheit geriet er am 29. April 1945 als Bataillonstrossführer bei Halbe in russische Gefangenschaft. Sechs Monate blieb er im Kriegsgefangenenlager Sagan. Im November 1945 wurde er entlassen und konnte nach Hamburg zurückkehren. 1946 veröffentlicht er seinen Bericht zum KZ Neuengamme unter dem Titel „So war es“ und 1949 den Roman „Im Frühwind der Freiheit“, der vor allem seine Lagererfahrungen thematisiert. 1950 war er Rundfunkredakteur in Berlin, 1958 bis 1961 war er Herausgeber der Zeitschrift „Unter der Lupe“. 1960 folgte das Drama „Sisyphos“ und 1970 die „Eselsgeschichten“. Meier trat in die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) ein und setzte sich für die Errichtung einer Gedenkstätte am Ort des ehemaligen KZ Neuengamme ein. Er war bis zu seinem Tode 1987 führendes Mitglied der Überlebendenverbände. Als Astrologe war Meier zeitweise Vorsitzender des Deutschen Astrologen Verbandes. Neben seiner astrologischen Tätigkeit setzte sich Meier nach dem Krieg ebenso für die Neutralität Deutschlands ein; er war Mitinitiator des „Deutschen Kongresses für aktive Neutralität“ 1951. 1985 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. ''Quellen:'' *Astrodient Astro-Wiki: „Heinrich Christian Meier-Parm“. Online: http://wiki.astro.com/astrowiki/de/Heinrich_Christian_Meier-Parm (Stand: 17.09.2019). *Käpernick, Thomas: „Meier, Heinrich Christian“. In: Hamburgische Biografie. Band 6. Göttingen 2012, S. 211f. *Peitsch, Helmut: Deutschlands Gedächtnis an seine dunkelste Zeit. Zur Funktion der Autobiographik in den Westzonen Deutschlands und den Westsektoren von Berlin 1945 bis 1949. Berlin: Edition Sigmar Bohn 1990, S. 466.  
Der Journalist Henri Michel (geb. 08.03.1900 in Eupen, gest. 19.06.1976) hatte seit dem 15. Oktober 1927 die Direktion und Hauptschriftleitung der Eupener Zeitung „Grenz-Echo“ inne, der einzigen deutschsprachigen Zeitung Belgiens. Diese befand sich im Besitz der Katholischen Partei und erschien ab 1932 täglich. Nach dem Einmarsch der deutschen Armee am 10. Mai 1940 floh Michel nach Brüssel, wo er Anfang September verhaftet wurde. Über Aachen wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt, wo er bis zum 21. April 1945 inhaftiert war. Mit den übrigen Häftlingen wurde Michel auf einen sogenannten Evakuierungsmarsch durch Mecklenburg Richtung Westen geschickt. Er wurde am 4. Mai 1945 befreit und kehrte gut zwei Wochen später zurück nach Hause, wo er bis zu seinem Ruhestand am 1. November 1965 seine Arbeit beim „Grenz-Echo“ wieder aufnahm. ''Quellen:'' *Michel, Henri: Oranienburg-Sachsenhausen. KZ-Erinnerungen und Hungermarsch in die Freiheit eines Politischen Gefangenen. Eupen 1985. *o.A.: „Ostbelgien im Rückblick: Henri Michel, Journalist und Streiter“. In: Grenzecho, 20.10.2016. Online: https://www.grenzecho.net/art/region/eupener-land/eupen/henri-michel-journalist-und-streiter (Stand: 19.09.2019).  +
Leo Motzkin (geb. 1867 in der Nähe von Kiew, gest. 06.11.1933) wuchs bei Kiew auf, wo er 1881 den Pogrom erlebte und überlebte. Motzkin studierte in Berlin und widmete sich nach seinem Studium dem Zionismus, unter anderem gehörte er zu den Teilnehmern des Ersten Zionistischen Kongresses 1897 in Basel. Neben seinen vielfältigen zionistischen Aktivitäten publizierte er auch über den Antisemitismus und die Pogrome in Russland. Motzkin gehörte zu den Initiatoren und Gründern des Comité des Délégations Juives, das er leitete. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten engagierte sich Motzkin für die unterdrückten Juden in Deutschland und brachte ihre Verfolgung beim Völkerbund zur Sprache. ''Quelle:'' * „Leo Motzkin“. In: Jewish Virtual Library. Online: https://www.jewishvirtuallibrary.org/leo-motzkin (Stand: 19.09.2019).  +
Alfred Fritz Max Mühr, geb. am 16. Januar 1903 in Berlin, gest. am 11. Dezember 1981 in Zusmarshausen, auch bekannt unter dem Pseudonym Friedrich Gontard, wurde als Sohn eines preußischen Amtmanns geboren. Die Mutter war Tochter eines Schlossers. Mühr besuchte das Reform-Realgymnasium in Berlin, schaffte jedoch das Abitur nicht. Nach dem Volontariat wurde er 1924 Feuilletonredakteur bei der „Deutschen Zeitung“. Als rechtsgerichteter Theater- und Kunstkritiker bemängelte er das Fehlen eines Theaters der Rechtsgeistigen und warf dem etablierten Bürgertum ‚Kulturbankrott‘ vor. In Bezug auf eine Inszenierung von Erwin Piscator prägte er den Begriff des ‚Kulturbolschewismus‘. Vom Nationalsozialismus, dem er nahestand, erhoffte er sich auch eine neue Kulturpolitik und kulturelle Blüte. 1934 wurde er mit nationalsozialistischer Unterstützung Schauspieldirektor und stellvertretender Generalintendant der preußischen Staatstheater. Er war zudem Dozent an der zugehörigen Schauspielschule, wo er auch enger Mitarbeiter und ‚rechte Hand‘ von Gustaf Gründgens war. Außerdem schrieb er Aufsätze und veröffentliche Bücher und Hörspiele. 1937 war er am Film „Zitadelle von Warschau“ beteiligt. Aufgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit lebte er nach 1945 zurückgezogen in Bayern. Er betätigte sich weiter als Autor und schrieb Novellen, Romane, Jugend- und Sachbücher, darunter auch Monographien über Werner Krauß und Gustaf Gründgens. Unter Pseudonym schrieb er auch einige antikirchliche Schriften. ''Quellen:'' *Biographischer Eintrag zu Alfred Mühr. Online: https://www.deutsche-biographie.de/gnd11858474X.html (Stand: 23.10.2018). *Mühr, Alfred: Kontakte. München 1948. *Czysz, Maximilian: Die Flucht auf die Zusmarshauser grüne Insel. Online: https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg-land/Die-Flucht-auf-die-Zusmarshauser-gruene-Insel-id43631346.html (Stand: 23.10.2018).  +
Fritz Müller lebte als Kaufmann im westfälischen Bad Lippspringe. Aus seinem Text geht hervor, dass er Zeit seines Lebens für den christlichen Glauben eintrat, in offener Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten stand und deswegen bereits zu Kriegsbeginn inhaftiert wurde. Nach seiner Verhaftung am 13. August 1933 in Paderborn floh er am 23. März 1935 für viereinhalb Jahre nach Eupen in Belgien. Um das Jahr 1939 wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Dort war er unter anderem im gefürchteten ‚Schuhläufer-Kommando‘ eingesetzt, in dem – beim Testen verschiedenen Schuhwerks auf kilometerlangen Strecken – viele der Häftlinge an Entkräftung starben. Er arbeitete auch als Pfleger im Krankenbau und im Strafkommando in einer Ziegelwerkstatt. Müller wurde auf dem Todesmarsch von amerikanischen Soldaten befreit und kehrte in seine Heimatstadt Bad Lippspringe zurück, wo er wieder als Kaufmann arbeitete. Nach dem Krieg hielt er offenbar an seinem festen Glauben und dem Einsatz für eine christliche Welt fest, denn „Der Spiegel“ berichtet 1953 von einer Schlägerei, in die Müller beim Verteilen von christlichen Flugblättern in Paderborn geriet. Müller wird dort als „stadtbekannte[r] Vorkämpfer des neuen Marien-Dogmas“ (S. 9) betitelt. ''Quellen:'' *Müller, Fritz: 19633. Wofür im Konzentrationslager? Bad Lippspringe 1946. *o.A.: „An die Wehrfreude“. In: Der Spiegel vom 27.05.1953, Nr. 22, S. 9-12, hier S. 9.  +
N
Dagmar Nick (geb. 30.05.1926 in Breslau) wuchs in einer Musikerfamilie auf: Ihr Vater Edmund Nick war Komponist und ihre Mutter Konzertsängerin. Als der Vater 1933 seine Stellung als Leiter des Schlesischen Rundfunks verlor, zog die Familie nach Berlin. Von einer Evakuierung in das Sudetenland 1944 kehrte Nick nicht nach Berlin zurück, sondern zog nach München, wo sie bis heute lebt. Die studierte Psychologin und Graphologin verfasste Romane, Hörbücher und vor allem elf Gedichtbände, von denen viele mit Preisen ausgezeichnet wurden. Unter anderem erhielt sie den Liliencron-Preis der Stadt Hamburg (1948), Eichendorff-Preis (1966), den Andreas-Gryphius-Preis (1993) und den Horst-Bienek-Preis (2009). Ihr erstes Gedicht veröffentlichte sie bereits 1945 in Erich Kästners „Neue Zeitung“; auch war sie 1948 zu einer Sitzung der Gruppe 47 eingeladen. In den 1960er Jahren lebte Nick für vier Jahre in Israel. Diese Erfahrungen verarbeitete sie in verschiedenen Büchern wie „Einladung nach Israel“ (1963). Weitere bestimmende Themen ihrer Gedichtsammlungen sind ihre Reisen, die griechische Mythologie und das Judentum. Neben ihrer Lyrik arbeitete Dagmar Nick auch als Übersetzerin, Autorin und Sprecherin für Rundfunk-Hörspiele etwa bei den Francis Durbridge Vertonungen der „Paul Temple“-Krimis. Nick ist ein langjähriges Mitglied des deutschen PEN und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Durch ihr lyrisches Schaffen nimmt sie eine wichtige Stellung in der deutschen Literaturgeschichte ein: „She has been described as being, with Ingeborg Bachmann, Rose Ausländer, and Hilde Domin, among the most important German-speaking poets since 1945“ (Boland 2004, S. 137). ''Quellen:'' *Boland, Eavan: After Every War. Twentieth-century Women Poets. New Jersey 2004. *Kraft, Thomas: „Dagmar Nick“. In: Hillgruber, Katrin und Thomas Kraft: München literarisch. 40 Jahre Tukan-Preis. Die Preisträgerinnen und Preisträger 1965-2005. München 2005, S. 73f. *Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Literaturportal Bayern: http://www.literaturportal-bayern.de/autorenlexikon?task=lpbauthor.default&pnd=118934457 (Stand: 17.09.2019).  
Dr. Wilhelm Nolting-Hauff (geb. 22.04.1902 in Naumburg an der Saale, gest. 16.02.1986 in Bremen) begann nach seinem Jurastudium, das er 1924 mit einer Dissertation beendet hatte, als Rechtsanwalt in Bremen zu arbeiten. In seinem Erinnerungsbericht „IMIʼS. Chronik einer Verbannung“ beschreibt er, wie er nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr vor Gericht auftreten durfte und bei einer privaten Firma bis zu seiner Verhaftung eine Anstellung fand. Im Oktober 1944 wurde er mit anderen ‚jüdischen Mischlingen‘ – so die nationalsozialistische Bezeichnung für all jene, die nach den Nürnberger Gesetzen jüdische Vorfahren hatten – und Ehemännern von jüdischen Frauen aus Bremen zunächst in das Arbeitslager Farge und nach sieben Wochen nach Duingen im Harz zu einem Arbeitseinsatz gebracht. Er kehrte im April 1945 in seine Heimatstadt Bremen zurück und engagierte sich aktiv beim Wiederaufbau der Stadt. Nach Kriegsende wurde er als politisch Unbelasteter von den Alliierten in den Bremer Senat berufen und galt als Finanzsenator als einer der „Männer der ersten Stunde“ (Troeger 1972, S. 11). Wilhelm Kaisen bezeichnet Nolting-Hauff als einen Politiker, der „der nach dem großen Zusammenbruch entscheidend daran mitgewirkt hat, Bremen wieder lebensfähig zu machen“ (Kaisen 1972, S. 9). Nolting-Hauff setzte sich unter anderem ein für die Wiederinstandsetzung des Hafens, den soziale Wohnungsbau und den Sonderstatus Bremens als Stadtstaat. Da er sich für die Gründung einer Volluniversität in Bremen stark machte, wird Nolting-Hauff ebenfalls als „Initiator des Universitätsgedankens“ (Breyhan 1972, S. 65) in der Hansestadt bezeichnet. Nolting-Hauff betreute als Senator der Finanzen fast 17 Jahre lang die Ausgaben der Stadt Bremen. Dabei war er als Mitglied des Finanzausschusses des Bundesrats in Bonn auch in der bundesdeutschen Politik aktiv. Nolting-Hauff, der 1953 Mitglied der FDP wurde, trat als Redner und Kommissionsleiter federführend bei Finanzfragen des Bundes auf, so etwa auch beim Länderfinanzausgleichsgesetz von 1954. Parallel zu seiner ehrenamtlichen Stelle als Senator arbeitete er nach seiner Rückkehr aus dem Lager in Duingen erneut für seinen früheren Arbeitgeber, die Kaffeefirma HAG in Bremen, der er über Jahre hinweg als Direktor vorstand. Neben seinem Bericht „IMIʼS. Chronik einer Verbannung“ von 1946 publizierte er bis in die 1960er Jahre weitere literarische und wissenschaftliche Texte, unter anderem das Drama „Promethiden“ von 1950. Teilweise nutzte er das Pseudonym Ernst Barnewold in seinen Publikationen, wobei er diesem eine seinem eigenen Leben ähnliche Autorbiografie gab. So heißt es im 1948 erschienenen Band „Entselbstete. Moriskos. Zwei Dramen“: „Ernst Barnewold wurde um die Jahrhundertwende geboren und entstammte einer mitteldeutschen Beamten- und Kaufmannsfamilie. Er studierte Rechtswissenschaft, Volkswirtschaft und Geschichte. Als er 1933 im Begriff stand, seine ersten Werke zu veröffentlichen, kam die nationalsozialistische Machtergreifung. Wegen seiner Abstammung verfolgt, zog sich Barnewold völlig auf sich selbst zurück. Im Jahre 1944 wurde er verschleppt. Seitdem fehlt jede Nachricht von ihm und seinen Angehörigen“ (Barnewold 1948, o.S.). ''Quellen:'' *Barnewold, Ernst (d.i. Wilhelm Nolting-Hauff): Entselbstete. Moriskos. Zwei Dramen. Bremen 1948. *Breyhan, Christian: „Wiederaufbau in Bremen“. In: Wittheit zu Bremen (Hg.): Wilhelm Nolting-Hauff. Senator für die Finanzen der Freien Hansestadt Bremen 1945-1962 (=Schriften der Wittheit zu Bremen). Bremen 1972, S. 49-65. *„Nolting-Hauff, Wilhelm“. In: Deutsche Nationalbibliothek. Online: gnd/118588648 (Stand: 17.09.2019). *Kaisen, Wilhelm: „Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen (1945-1965)“. In: Wittheit zu Bremen (Hg.): Wilhelm Nolting-Hauff. Senator für die Finanzen der Freien Hansestadt Bremen 1945-1962 (=Schriften der Wittheit zu Bremen 3). Bremen 1972, S. 9f. *Nolting-Hauff, Wilhelm: IMISʼS. Chronik einer Verbannung. Bremen 1946. *Troeger, Heinrich: „Arbeit in Bonn“. In: Wittheit zu Bremen (Hg.): Wilhelm Nolting-Hauff. Senator für die Finanzen der Freien Hansestadt Bremen 1945-1962 (=Schriften der Wittheit zu Bremen 3). Bremen 1972, S. 11-48. *Wittheit zu Bremen (Hg.): Wilhelm Nolting-Hauff. Senator für die Finanzen der Freien Hansestadt Bremen 1945-1962 (=Schriften der Wittheit zu Bremen 3). Bremen 1972.  
O
Rudolf Olden (geb. 14.01.1885 in Stettin, gest. 17.08.1940 im Atlantik) nahm nach seinem Studium der Rechtswissenschaften am Ersten Weltkrieg teil. Nach dem Krieg arbeitete er als Journalist in Wien beim „Neuen Tag“, bevor er 1926 nach Berlin zu Theodor Wolffs „Berliner Tageblatt“ wechselte. Dort wurde er bald darauf stellvertretender Chefredakteur. Überdies schrieb er für „Die Weltbühne“ sowie „Das Tagebuch“. 1929 veröffentlichte Olden eine Biographie über Gustav Stresemann. Er engagierte sich zudem in der Liga für Menschenrechte und war einer der bekanntesten Journalisten Deutschlands. Olden entging 1933 nur knapp der Verhaftung, bevor er nach Prag floh und von dort über Österreich und die Schweiz weiter nach Paris. Ab 1936 hielt er an der Oxford University und der London School of Economics Vorlesungen über deutsche Geschichte. Überdies war Olden als ehrenamtlicher Sekretär des Deutschen PEN-Clubs London aktiv und engagierte sich für zahlreiche verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Im Exil setzte er sein umfangreiches publizistisches Wirken fort: 1933 veröffentlichte er im Prager Malik Verlag anonym „Hitler, der Eroberer. Die Entlarvung einer Legende“, im Jahr darauf folgte ein Buch über Hindenburg und 1935 schließlich erschien sein Hitler-Buch unter seinem Namen im Amsterdamer Querido Verlag. ''Quellen:'' * Müller, Ingo: „Olden, Rudolf“. In: Neue Deutsche Biographie (1998), Nr. 19, S. 505f. Online: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118915363.html (Stand: 17.09.2019). * „Olden, Rudolf“. In: Nationalsozialismus, Holocaust, Widerstand und Exil 1933-1945. Online-Datenbank. De Gruyter. Dokument-ID: INV-0309. Online: http://db.saur.de.ezproxy.uni-giessen.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=INV-0309 (Stand: 19.09.2019).  +
P
Berthie Philipp, geb. Sophar, (geb. 12.12.1881 in Hamburg, gest. 15.10.1960 in Hamburg) wurde als eines von mehreren Geschwistern in eine bürgerliche Familie geboren. Der Vater galt laut der späteren Nürnberger Rassegesetze als ‚Volljude‘, die Mutter war nicht jüdisch. Am 20. August 1914 heiratete Philipp den 23 Jahre älteren angesehenen Komponisten, Musikpädagogen und -kritiker Rudolf Philipp. Er hatte in Wien und in Frankfurt am Hoch‘schen Konservatorium studiert. Welches Ansehen er in Hamburg genoss, zeigt sich unter anderem daran, dass der Hamburger Senat am 13. November 1928 ein Festkonzert aus Anlass seines 70. Geburtstages veranstaltete. Auch im November 1958 zum hundertsten Geburtstag des inzwischen verstorbenen Philipp schickte die Kulturbehörde Hamburg einen Brief an Berthie Philipp, in dem es heißt: „Es ist hier durchaus nicht vergessen, mit welcher Hingabe und welch’ fruchtbaren Einfluß Rudolf Philipp durch lange Jahrzehnte im musikalischen Leben Hamburgs gewirkt hat“ (Staatsarchiv Hamburg, Sig. 131-1 II_10625 (02), o.Bl.). Auch Berthie Philipp, die sich nach dem Krieg auf ihrem Briefkopf als ‚Schriftstellerin‘ auswies, wirkte dank seiner Unterstützung im Rundfunk als literarische Mitarbeiterin. Außerdem verfasste sie eigene literarische Arbeiten, vor allem wohl Märchenstücke für das Theater. In den zwanziger Jahren scheint sie einige Märchenspiele für Hans Bodenstedts „Funkheinzelmann“, geschrieben zu haben. Nach dem Tod ihres Mannes im März 1936 reiste Philipp zunächst in die USA, um dort ihre Schwester zu besuchen. Da ihr offenbar die Auswirkungen der Nürnberger Gesetze noch nicht klar waren, kehrte sie aus den USA nach Deutschland zurück. Ab 1937 bewohnte sie eine 5 1/2 Zimmer Wohnung in Hamburg Saling in der sie zwei Zimmer zeitweise untervermietete. Diese Wohnung musste sie jedoch im Juni 1942 innerhalb kürzester Zeit räumen. Den „grössten und besten Teil der Möbel“ (Staatsarchiv Hamburg, Sig. 213-13_7785-19, o.Bl.), so Philipp im November 1951 vor der Wiedergutmachungskammer Hamburg, habe sie an private Ankäufer verkauft. Der Rest wurde vom Aktionhaus Elsaß versteigert. Am 13. Juli 1942 wurde ihr gesamtes Vermögen per Erlass des Reichsstatthalters in Hamburg eingezogen. Philipp zog in das sogenannte Judenhaus in der Bundesstraße 43, bis sie im Alter von 61 Jahren am 15. Juli 1942 mit dem ersten Transport Hamburger Juden nach Theresienstadt deportiert wurde. Nach den Nürnberger Rassegesetzen galt sie als Tochter eines jüdischen Vaters und einer ‚arischen‘ Mutter sowie als Ehefrau eines ‚Volljuden‘ als ‚Mischling ersten Grades‘. Sie erreichte Theresienstadt am 16. Juli 1942 und wurde dort als deutsche Jüdin geführt. Über ihre Zeit in Theresienstadt, wo sie 1945 befreit wurde, ist nichts bekannt. Nach Kriegsende gelangte Philipp von Theresienstadt nach eigenen Angaben über Umwege nach Hamburg. Durch die russische Zone reiste sie nach Berlin und von dort mit einem Flüchtlingszug in die Britische Zone. Sie erreichte Hamburg am 22. November 1945. Aus Theresienstadt kehrte Philipp schwer krank zurück. Neben einer Wirbelverschiebung, schwerer Arthrose und fortschreitender Arteriosklerose, an der vor allem in den späteren Jahren auch das Gehirn beteiligt war, litt sie an einer Verengung des Magenausgangs, einer Zwerchfellhernie sowie einer latenten Herzschwäche. Ihr Heim war ihr weggenommen worden, weshalb sie in einer kleinen Kammer Unterschlupf gefunden zu haben scheint, wo sie ihren Theresienstadt-Roman niederschrieb. Sie bemühte sich außerdem, mit literarischen Beiträgen den Anschluss an Hamburgs Kulturleben zu finden. Berthie Philipp wollte in den ersten Nachkriegsjahren auch einen Beitrag zum Aufbau einer neuen und demokratischen Gesellschaft leisten und schrieb Beiträge für Hamburger Zeitungen. Etwa ab 1950 begann dann ihr Kampf um Wiedergutmachung und Entschädigung. Vor der Wiedergutmachungskammer Hamburg wurde in jeweils abgetrennten Verfahren über Entschädigungszahlungen für die Wohnungseinrichtung und einen Radioapparat, die Vernichtung von ungedruckten und gedruckten Manuskripten von Rudolf und Berthie Philipp, den Verlust von drei Koffern mit Kleidung und persönlichen Gegenständen in Theresienstadt sowie eines Sparkassenguthabens verhandelt. Der verhandelte Gesamtwert belief sich auf 54.300 DM. Außerdem erkämpfte Philipp Haftentschädigung für die Zeit in Theresienstadt vom 15. Juli 1942 bis 5. Mai 1945; das Urteil wurde am 6. Juni 1950 rechtskräftig. Besonders hart traf Berthie Philipp der Verlust der musikalischen Kompositionen ihres Mannes und ihrer eigenen literarischen Arbeiten. Diese hatte sie vor der Deportation nach Theresienstadt, wie sie dem Wiedergutmachungsgericht erklärte, in einem Safe in der Hamburger Sparkasse deponiert und den Schlüssel ihrer Schwester übergeben. Nach ihrer Rückkehr habe ihr die Schwester unter Tränen gestanden, dass sämtliche Manuskripte von der Gestapo verbrannt worden seien. Unter diesen Dokumenten sei unter anderem ein Romanmanuskript mit dem Titel „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht“ sowie drei bis vier Theaterstücke gewesen. Ein Teil der Wiedergutmachungsverfahren wurden mit einem Vergleich beendet, in anderen Fällen entschied das Urteil des Gerichts. Philipp verfügte testamentarisch im April 1960, dass ein Großteil ihres Geldes – 50.000 DM –in eine Stiftung investiert werden sollte, die den Zweck hatte, ein Wohnhaus für mittellose Künstler, vor allem Musiker, zu bauen und zu unterhalten. Nach Erbstreitigkeiten konnte die Stiftung im April 1962 gegründet werden. Heute unterhält die Stiftung vier Dauerwohnrechte für notleidende Künstler in Hamburg. ''Quellen:'' *Philipp, Berthie. Die Todgeweihten. Hamburg 1949. *Schielzeth, Walther (Hg.): Zwei verdiente Hamburger. Berthie und Rudolf Philipp. Hamburg 1964. *„Dokumente zu Berthie Philipp“. In: Staatsarchiv Hamburg, Signatur 131-1 II_10625; Signatur 213-13_81 0155_53; Signatur 213-12_81 0 185_56; Signatur 213-13_7784; Signatur 213-13_7785; Signatur 213-13_7786; Signatur 213-13_7786; Signatur 213-13_7787; Ebd. Signatur 314-15_Abl. 1998 J 6_689; Signatur 213-13_Z 23318; Signatur 214-1_559.  
Wilhelm Poiesz (geb. 12.01.1904 in Herne in Westfalen, gest. 03.11.1992 in Limburg an der Lahn) wuchs als eines von sieben Geschwistern in einer katholisch geprägten Arbeiterfamilie im Ruhrgebiet auf. Das Rüstzeug für seine kirchliche Laufbahn erwarb er während seiner humanistischen Studien im Studienheim der Pallottiner in Ehrenbreitstein, die er am 9. April 1918 begann. Nach seinem Abitur im Jahr 1925 am Gymnasium in Freising trat er in die Gesellschaft vom Katholischen Apostolat Vinzenz Pallottis (lat. Societas Apostolatus Catholici, Ordenskürzel S.A.C) ein; seine Einkleidung erfolgte am 1. Mai 1925. Poiesz bestritt sein Noviziat in Hofstetten und legte nach dessen Verlegung nach Olpe am 25. April 1927 dort seine erste Profess ab. Sein Studium der Theologie und Philosophie absolvierte er an der Hochschule der Pallottiner in Limburg an der Lahn. Die Priesterweihe empfing er am 12. Juli 1931 im Limburger Dom durch Bischof Dr. Antonius Hilfrich. Anschließend nahm er für zwei Semester ein Studium der Germanistik und klassischen Philologie an der Universität Münster/Westfalen auf, das er später in Fribourg fortsetzte. Während seiner Zeit in der Schweiz war er von 1932 bis 1934 als Spiritual aktiv. Ab Ostern 1934 wirkte er als Jugenderzieher und Lehrer im Studienheim der Pallottiner, ein Jungeninternat in Schönstatt bei Vallendar am Rhein. Als dieses 1938 vom nationalsozialistischen Regime zwangsgeschlossen wurde, trat er eine Stelle an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Pallottiner in Limburg an, wo er von 1939 bis 1941 Homiletik (Predigtlehre) unterrichtete. In dieser Zeit war er zudem als Prediger im Dom sowie als diözesaner Jugendseelsorger im Dekanat Dietkirchen tätig. Von Juni 1941 bis Ende 1942 bekleidete er das Amt des Kaplans in der St. Antonius Pfarrei in Eschhofen. Wegen angeblicher staatsfeindlicher Äußerungen wurde der damals 38-jährige Pfarrkurat am 22. Dezember 1942 nach einer Haussuchung des Pfarrhauses in Eschhofen von der Gestapo verhaftet und ohne Gerichtsverfahren oder Verurteilung sofort im Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt am Main festgesetzt. Seine dortige, rund vierzehnmonatige Haftstrafe wurde durch einen ersten Aufenthalt im Gerichtsgefängnis in der Hammelsgasse (Frankfurt am Main) vom 5. März 1943 bis Herbst 1943 unterbrochen. Am Morgen des 21. Januar 1944 wurde er dann zum zweiten Mal von Klapperfeld in die Untersuchungshaftanstalt Hammelsgasse überführt und blieb dort bis zur seiner Verlegung in das KZ Dachau wegen angeblicher Verbreitung von „Feindnachrichten“ am 11. Mai 1944 (ITS/DocID: 90423071). Während der achtzehn Monate, die er insgesamt in beiden Gefängnissen verbrachte, verlor er beide Eltern (Josef und Julie) und seinen Onkel. Auch sein jüngster Bruder Werner, der sich nach Wilhelms Vorbild ebenfalls den Pallottinern angeschlossen hatte, erlag seinen schweren Kriegsverletzungen. Nach einem zweitägigen Transport von Frankfurt über Nürnberg traf er am 13. Mai 1944 im Konzentrationslager Dachau ein und erhielt die Sträflingsnummer 67959. In den Akten der KZ-Gedenkstätte Dachau ist er mit dem Vermerk „Sch DR.“ für „Schutzhäftling“ geführt. Nach einer einmonatigen Quarantäne in Zugangsblock 15 wurde er in den Priesterblock 26 eingewiesen, in dem zunächst nur deutsche Priester und Pfarrer, später aber Geistliche aus verschiedenen Nationen inhaftiert waren. Nach eigener Aussage wurde er einem Sonderarbeitskommando, das in der an das Häftlingslager grenzenden Gärtnerei tätig war, und anschließend dem „Unkraut-Kommando Liebhof“ (Poiesz 1948, S. 105) zugeteilt. In der „Schutzhaft“ schloss er sich zudem der Gruppe um Pater Joseph Kentenich (1885-1968), Gründer der in der Nazi-Zeit verbotenen internationalen geistlichen Erneuerungsbewegung Schönstatt, an und unterstütze fortan die Schönstattgruppen sowie deren Bemühungen um den Aufbau eines „Schönstatt-Offiziums“. Außerdem übersetzte er im Lager die deutsche Fassung von Kentenichs Horarium „Tagzeiten“ ins Lateinische, die lingua franca unter den aus verschiedenen Ländern inhaftierten katholischen Priestern. Nach knapp elfmonatiger Haft wurde Poiesz am 26. April 1945 auf einen Evakuierungsmarsch aus dem KZ Dachau geschickt, auf dem er nach tagelangen Strapazen am 3. Mai 1945 im oberbayerischen Waakirchen von amerikanischen Truppen befreit wurde. Er kehrte Ende Mai 1945 nach Schönstatt zurück und versah dort ab Herbst desselben Jahres bis zu seiner Emeritierung den Lehrstuhl für Homiletik und Katechetik (Praktische Theologie) an der von Limburg nach Vallendar verlegten Philosophisch-Theologische Hochschule. Nach dem Krieg war er zudem Mitherausgeber der Monatsschrift „Der Rosenkranz“ für marianisch-apostolische Lebensgestaltung und begründete gemeinsam mit Patres Bange, Patres Schützeichel und Patres Danko die Informationszeitschrift „Pallottis Werk – daheim und draußen“. Seine Texte wurden teils vertont oder kamen auch als Lieder zum Vortrag. Schon bald machte er sich einen Ruf als „Meister des Wortes“ (Fluck 2019, 12). Eine weitere Leidenschaft von Poiesz war die Bühnenkunst. So übernahm er von 1945 bis in die 1960er-Jahre gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Bruder Bernd Poiesz, dem „Sprecherzieher von Schönstatt“ (o. A. 1957, S. 17) mit NSDAP-Vergangenheit, die Leitung der Theaterspiele im Studienheim Schönstatt. Im Ruhestand unterrichtete er Deutsch für ausländische Studierende. Im Jahr 1992 kehrte er dann in sein Mutterhaus nach Limburg zurück, wo er am 3. November 1992 im Alter von 88 Jahren starb. ''Quellen:'' *„Konzentrationslager Dachau, Akte von Poiess, Wilhelm“, 1.1.6.2/90423071/ ITS Digital Archive, Arolsen Archives. *„Pater Wilhelm Poieß SAC.“ Online: https://www.karl-leisner.de/karl-leisner-und-die-pallottiner/ (Stand: 20.12.2022). *„Poiess, Wilhelm“. In: Stadtarchiv Limburg a. d. Lahn. Online: https://stolpersteine-guide.de/map/biografie/2366/poiess-wilhelm (Stand: 22 Oktober 2022). *„Wilhelm Poiess“. In: Dokumentationsarchiv des United States Holocaust Memorial Museum. Online: https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=2652259 (Stand: 22 Oktober 2022). *„Zugangsbuch Dachau, Häftlingsnummern 058233-069137“, 1.1.6.2/130431765/ ITS Digital Archive, Arolsen Archives. *Arndt, Norbert: Werkstattbericht. Kriegs-Endphase-Verbrechen 1944/45 in Herne und Wanne-Eickel. In: Geschichtswerkstatt 4, o. S. *Fluck, Dieter: „Neun Stolpersteine für inhaftierte Pallottiner. Pater Wilhelm Poieß war einer von ihnen“. In: Westerwälder Zeitung vom 20.02.2019, S. 21. Online: https://www.pallottiner.org/neun-stolpersteine-fuer-inhaftierte-pallottiner/ (Stand: 20.12.2022). *Fluck, Dieter: „Post im Oberhemd versteckt“. In: Naussauische Neue Presse vom 02.03.2019, S. 12. *Gerwing, Manfred: Horarivm. Tagzeiten von Pater Joseph Kentenich aus dem KZ Dachau. Lateinisch – Deutsch. Vallendar 2014. *Hehl, Ulrich von: Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung. Mainz 1985, S. 620. *o. A.: „Stolpersteine gegen das Vergessen. Gemeinsame Erinnerung an neun Limburger Pallottiner“ In: Pallottis Werk 2019/2, S. 11. *o. A.: „Kulturelles Ereignis“. In: Nordwest-Zeitung Münster vom 09.03.1957, S. 17. *Poiesz, Wilhelm: Gefangener der Gestapo. Limburg-Lahn 1948. *Probst, Manfred: „Einige bedeutende Personen im Studienheim Schönstatt 1912-1919. Online: https://www.pallotti-verlag.de/wp-content/uploads/2013/12/100Jahre_auf_der_Klostermauer_Aus_dem_Inhalt.pdf (Stand: 20.12.2022). *Probst, Manfred: Zwölf deutsche Pallottiner im KZ Dachau. Online: https://docplayer.org/35080914-Zwoelf-deutsche-pallottiner-im-kz-dachau-prof-p-dr-manfred-probst-sac.html  
Walther Pollatschek (geb. am 10. September 1901 in Neu-Isenburg, gest. am 1. März 1975 in Ost-Berlin) wurde als Sohn eines Ingenieurs geboren. Er studierte in Heidelberg, München und Frankfurt am Main Germanistik, Theater- und Musikgeschichte und schloss 1924 sein Studium mit der Promotion über „Hofmannsthal und die Bühne“ ab. Anschließend war er als Journalist tätig, bis er 1933 entlassen wurde. 1928 wurde die este Tochter Doris geboren, 1931 kam die zweite Tochter Silvia auf die Welt. 1934 zog die Familie nach Berlin, wo Pollatschek jedoch von der Gestapo verhaftet wurde. Nach seiner Entlassung emigierte die Familie zunächst nach Spanien, wo Pollatschek 1936 erneut vorübergehend verhaftet wurde. Die Familie emigrierte weiter nach Frankreich und schließlich 1937 in die Schweiz. Hier wurde im gliechen Jahr die jüngste Tochter Constanze geboren. Pollatschek war mit einem Arbeitsverbot belegt und engagierte sich im antifaschistischen Widerstand. Nach Kriegsende kehrte Pollatschek mit seiner Familie nach Deutschland zurück, zunächst nach Frankfurt am Main, wo er Redakteur der „Frankfurter Rundschau“ war. 1947 veröffentlichte er sein Kinderbuch „Drei Kinder kommen durch die Welt“, 1948 ein weiteres Kinderbuch „Die Aufbaubande“. 1950 zog er nach Ost-Berlin, wo er zunächst als freischaffender Publizist tätig war und zwischen 1952 und 1970 das Friedrich-Wolf-Archiv der Akademie der Künste leitete. 1960 gab er die Werke Friedrich Wolfs sowie eine Biografie des Autors heraus. ''Quellen:'' *Pollatschek, Walther: Drei Kinder kommen durch die Welt. Berlin 1949, S. 224. *„Walther Pollatschek“. In: Literaturport. Online: http://www.literaturport.de/literaturlandschaft/autoren-berlinbrandenburg/autor/walther-pollatschek/ (Stand: 18.09.2019). *„Walther Pollatschek“. In: Akademie der Künste. https://archiv.adk.de/bigobjekt/32075. (Stand: 18.09.2019).  +
Walter Poller (geb. 06.01.1900 in Kiel, gest. 17.10.1975 in Hagen) wurde als Sohn des Metallformers, Stadtrats der SPD und Polizeipräsidenten Wilhelm Poller geboren. Die Oberrealschule musste er nach dem sogenannten ‚Einjährigen-Zeugnis’ aus finanziellen Gründen verlassen. Bis zur Einberufung war er als Redaktionsvolontär bei der ‚Kieler Arbeiterzeitung‘ und danach bei der ‚Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung‘ tätig. Ab Sommer 1918 nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und gehörte im November 1918 dem Soldatenrat in Jüterborg an. Bereits während seiner Schulzeit engagierte er sich in der Arbeiterjugend und wurde schließlich leitender Funktionär der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ). Nach Kriegsende trat Poller 1919 der SPD bei und wurde in Hamm Chefredakteur bei der sozialistischen Tageszeitung ‚Der Hammer‘. Er unternahm 1923 eine Auslandsreise nach Istanbul und schrieb seine Eindrücke später in dem Buch ‚Die Revolution einer Stadt. Besuch in Istanbul‘ nieder. Poller geriet im März 1933 (ab 1. März für acht Tage) sowie im Juni 1933 (ab 24. Juni für 14 Tage) jeweils für kurze Zeit in ‚Schutzhaft‘. Anschließend baute er eine Widerstandsgruppe aus Sozialdemokraten auf, die unter anderem Flugblätter verteilte und im Herbst 1934 durch die Gestapo ausgehoben wurde. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November 1934 wurde er wegen ‚Vorbereitung zum Hochverrat‘ verhaftet und unter Anklage gestellt. Er wurde in der Dortmunder Steinwache inhaftiert und am 28. Juli 1935 (Eigenangabe ist der 29. Juni 1935) vom 3. Senat des Volksgerichtshofes wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Haftzeit verbüßte er in Münster, Neusustrum, Börgermoor, Plötzensee, Oslebshausen, Celle und dem Moorlager Lührsbockel in der Lüneburger Heide. Nach seiner Entlassung wurde Poller ohne Angaben von Gründen erneut in Dortmund und Celle inhaftiert. Nach dem Ende seiner Schutzhaftstrafe am 28. November 1938 wurde er in Polizeihaft genommen und in das Strafgefängnis Celle überführt. Am 22. Dezember 1938 wurde er als politischer Häftling in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt, wo er die Häftlingsnummer 996 erhielt. Poller war zuerst beim Arbeitskommando Steinbruch und ab Frühjahr 1939 als Arztschreiber im Häftlingskrankenbau eingesetzt. Im Mai 1940 wurde Poller entlassen. Seine Entlassung aus dem KZ Buchenwald wurde durch den Wohnortwechsel seiner Familie nach Hamburg begünstigt, wo er schließlich im Betrieb eines Familienmitglieds beschäftigt war. Nach Kriegsende amtierte Poller als politischer Sekretär der SPD beim Landesverband Hamburg. Danach war er als Chefredakteur bei sozialdemokratischen Zeitungen in Nordrhein-Westfalen tätig, unter anderem von 1946 bis 1961 bei der ‚Westfälischen Rundschau‘. Zudem betätigte er sich als Publizist unter den Pseudonymen Walter Raven, Walter Weissenburg und Walter Jeune. Aufgrund einer Erkrankung ging Poller 1961 in den Ruhestand und lebte danach in Hohenlimburg. ''Quellen:'' * Peitsch, Helmut: Deutschlands Gedächtnis an seine dunkelste Zeit. Zur Funktion der Autobiographik in den Westzonen Deutschlands und den Westsektoren von Berlin 1945 bis 1949. Berlin: Edition Sigmar Bohn 1990, S. 469. * Poller, Walter: Arztschreiber in Buchenwald. Bericht des Häftlings 996 aus Block 39. Hamburg 1946. * Röll, Wolfgang: Sozialdemokraten im Konzentrationslager Buchenwald 1937–1945. Göttingen 2000.  
Max Porzig wurde 1879 in Döbeln/Sachsen geboren. Er wuchs nach dem frühen Tod seiner Eltern in einem christlichen Waisenhaus auf. Hier erlebte er u. a. Kinderarbeit und tägliche Prügelstrafen. Porzig absolvierte eine Lehre als Schriftsetzer. Politisch interessiert, war er bereits vor dem 1. Weltkrieg als Sozialdemokrat in Mannheim und Heidelberg aktiv, ließ sich dann in Singen (Hohentwiel) nieder und wurde 1920 Schriftleiter der Lokalredaktion der damals neu gegründeten Singener Zeitung ‚Volkswille‘. Des Weiteren begann er, sich bei den sog. Naturfreunden zu engagieren. In Singen gründete er die ‚Sozialistische Arbeiterjugend‘ für den Hegau- und Bodenseekreis. 1932 erfolgte die Entlassung als Schriftleiter und die Veröffentlichung des Buches ‚Höhen und Tiefen – Erlebtes, Erlauschtes, Erdachtes‘ im Eigenverlag. Außerdem erschien ‚Der falsche Sohn. Der Fall Hummel-Daubmann. Ein dramatisches Zeitgeschehen in sieben Bildern‘. Diese Geschichte thematisierte damalige lokalpolitische Ereignisse. Die Uraufführung fand in der Kunsthalle in Singen statt. In einer regionalen Tageszeitung soll danach zu lesen gewesen sein: „Das ausverkaufte Haus nahm das Stück mit herzlichem Beifall auf und rief den Autor am Schluss auf die Bühne.“ Bei seiner Verhaftung am 22. August 1944 hatte Max Porzig einem Hilfsschutzmann heimlich mitteilen können, dass er seine Arbeitskollegen beauftragen solle, seine gelbe Arbeitsmappe zu verstecken und seiner Frau zu übergeben. Diese Mappe soll Gedichte enthalten haben, die für Porzig möglicherweise problematische Folgen gehabt hätten. Max Porzig starb am 16. November 1948 an den Spätfolgen der KZ-Haft. 1995 hat der Sohn Porzigs den Nachlass mit seinen Schriften und Artikeln der Singener Geschichtswerkstatt übergeben. ''Quellen:'' * Besnecker, Fritz (Bearb.): Wort-Welten in der Arbeiterprovinz. Erzählungen und Gedichte des Arbeiterschriftstellers Max Porzig 1879 – 1948. In: Schriftenreihe des Arbeitskreises für Regionalgeschichte Bodensee, Nr. 13 (1997/98). Hrsg. von der Geschichtswerkstatt Singen im Arbeitskreis Regionalgeschichte Bodensee, Stadler, Konstanz 1998. * „Erinnerung an verfolgten Dichter“ Aus: Südkurier, 26.08.2010. Online: http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/singen/Erinnerung-an-verfolgten-Dichter;art372458,4448416 (Stand: 14.04.2016).  
Roland de Pury (geb. 15.11.1907 in Genf, gest. 29.01.1979 in Aix-en-Provence) war als evangelischer Pfarrer in Lyon und als Verfasser verschiedener religiöser und gesellschaftlicher Schriften zu Beginn des Krieges eine prominente Person. Der in Neuchâtel aufgewachsene de Pury studierte zunächst in Paris Theologie und später in Deutschland u.a. bei Karl Barth. Nach Stationen in Westfrankreich lebte er mit seiner Frau und seinen seinerzeit sechs Kindern in Lyon. Dort wurde er am 30. Mai 1943 verhaftet – wie nicht nur seine Erzählungen sondern auch die überlieferten Dokumente belegen – kurz bevor er im Talar die Kanzel zum Gottesdienst betreten wollte. Er wurde für fünf Monate in Fort Moncoutant in Lyon inhaftiert. Von deutscher Seite aus wurde ihm vorgeworfen, mit Personen in Kontakt gestanden zu haben, die sich „gegen die Belange des Deutschen Reiches und der Besatzungsmacht schwerstens vergangen“ haben (Schreiben Dr. Krug von Nidda, Vichy, 5. Juni 1943, Nationalarchiv Bern, Dossier: de Pury, Roland; Signatur: E 2200.42-01). De Pury war ein bekannter Gegner einer Kollaboration mit den Deutschen und half Juden in Lyon sich zu verstecken bzw. zu fliehen. Dafür wurde ihm und seiner Frau 1976 die Ehrung in der „Allee der Gerechten unter den Völkern“ in Yad Vashem zuteil. Überlieferte Dokumente im Schweizer Nationalarchiv Bern weisen nach, dass sich mehre Seiten für die Freilassung de Purys einsetzen: der Präsident des Schweizer Evangelischen Kirchenbunds, von staatlicher Seite der Schweizer Gesandte in Vichy und nicht zuletzt seine Ehefrau Jacqueline und die Kirchengemeinde von Lyon. Nach der Intervention des Eidgenössischen Politischen Departments wurde de Pury auf die Liste der Austauschhäftlinge gesetzt. Im Austausch gegen deutsche Spione, die in der Schweiz festgenommen worden waren, kam er am 28. Oktober 1944 in der Schweiz an. Nach seiner Befreiung blieb de Pury im christlichen Widerstand aktiv, wofür er im September 1945 die Médaille de la Résistance erhielt. Den ersten Vortrag über seine Erlebnisse hielt er bereits am 5. Dezember 1943 im Schweizerischen Saint-Blaise – weitere folgten vor großem Publikum. Auch verfasste er weitere Bücher und Artikel etwa für „Le Monde“ in den 1950er Jahren. In den Folgejahren engagierte er sich weiterhin für gesellschaftliche Themen wie den Algerienkonflikt oder die Teilung Deutschlands. 1956 entschied sich de Pury für eine neue Berufung und wurde Dozent für Theologie in Kamerun und Madagaskar. Nach seiner Rückkehr 1965 war er bis zu seiner Pensionierung als Pfarrer aktiv. Am 29. Januar 1979 erlitt er auf dem Heimweg von einem Vortrag einen Gehirnschlag, an dem er starb. ''Quellen:'' * „Dossier: De Pury, Roland, 1907, Pasteur de l’Eglise réformée etc.“. In: Nationalarchiv Bern, Signatur E 2200.16-02. *„Dossier: De Pury, Roland“. In: Nationalarchiv Bern, Signatur E 2200.42-01. *„Dossier: De Pury, Roland, 1907“. In: Nationalarchiv Bern, Signatur E 4320 B. *„Dossier: De Pury, Roland, 1907, Lyon“. In: Nationalarchiv Bern, Signatur E 2001 E. *Rott, Martin: "Roland de Pury (1907-1979)". Online: https://www.reformiert-info.de/2323-0-37-5.html (Stand: 10.09.2019).  
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Adolf Reiser wurde über Kiew im Januar 1943 in ein von ihm als ‚Meckererlager‘ bezeichnetes KZ in Lublin gebracht; vermutlich ist damit Majdanek gemeint. Der Grund für seine Verhaftung ist unklar. Reiser und seine Mithäftlinge wurden zunächst noch von den deutschen Wachmannschaften für einen Marsch nach Radom zusammengestellt, um vor der heranrückenden Roten Armee zu fliehen. Am 22. Juli 1944 wurden er und seine Mithäftlinge jedoch von dieser befreit. ''Quelle:'' * Reiser, Adolf: „Meckererlager Lublin“. In: Provinzialverwaltung Sachsen (Hg.): Sadisten. Repräsentanten des Hitlerstaates. Halle 1945, S. 36-39.  +
Hermann E. Riemer, geb. am 6. Mai 1903 in Nordhausen, wurde in eine Handwerkerfamilie geboren. Er besuchte das Gymnasium und machte anschließend eine Ausbildung zum Bildhauer. Nach dem Besuch der Baugewerkschule in Erfurt widmete er sich in Nürnberg der Malerei. 1940 wurde er von der Gestapo verhaftet und verbrachte fünf Jahre in verschiedenen deutschen Konzentrationslagern, darunter die KZ Sachsenhausen und Natzweiler, das Außenkommando Pelters sowie das KZ Dachau und Dachau/Allach. Nach der Befreiung lebte er als Maler und Schriftsteller in Traunstein. ''Quelle:'' *Biographische Angaben in Riemer, Hermann E.: Sturz ins Dunkle. München 1947, S. 6  +