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Aus Frühe Texte der Holocaust- und Lagerliteratur 1933 bis 1949
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Synnöve Christensen (geb. 04.07.1919 in Oslo, gest. 15.03.1968) wurde als Margit (Mai) Lindegård geboren. Von 1935 bis 1943 war sie als Schauspielerin am „Det Nye Teater“ tätig. 1940 debütierte sie unter dem Pseudonym Synnøve Christensen mit dem Roman „Jag lever videre“ („Ich lebe weiter“), den sie im schwedischen Exil verfasste. Unter dem gleichen Pseudonym veröffentlichte sie nach ihrer Flucht nach Schweden weitere Texte, unter anderem den Erlebnisbericht „Ich bin eine norwegische Frau“.
Mit ihrem Mann Dr. Odd Solem, der fünf Jahre in einem deutschen Konzentrationslager inhaftiert gewesen war, betrieb sie zwischen 1949 und 1973 auf Tjøme das erste Heim für Kinder mit psychischen Leiden in Norwegen.
''Quellen:''
*o.A.: „Historien om Eidene“. Online: http://www.heiasentrene.no/historien-om-eidene.286403.no.html (Stand: 11.09.2019).
*Rothlauf, Gertraud: „Vom Schtetl zum Polarkreis. Juden und Judentum in der norwegischen Literatur“. Online: http://othes.univie.ac.at/7021/1/2009-09-28_6925001.pdf (Stand: 11.09.2019). +
Ernst Sommer (geb. 29.10.1888 in Iglau/Mähren, gest. 20.10.1955 in London) wurde als Sohn des deutschsprachigen, jüdischen Süßwarenfabrikanten Jakob Sommer und der Mutter Marie geboren. Sein Vater hatte ihn für die Nachfolge des familieneigenen Geschäfts vorgesehen. Nach dem Besuch der Knaben-Volksschule ab 1894 erlangte er 1907 das Abitur am Obergymnasium. Im gleichen Jahr begann Sommer ein Medizinstudium an der Universität Wien. Nach einem Semester wechselte er jedoch zur Rechtswissenschaft, wo er 1912 promovierte. Er war Mitglied einer jüdischen schlagenden Studentenverbindung in Wien. 1913 erschien sein erster Roman „Gideons Auszug“, der sich mit der zionistischen Idee beschäftigt und erzählerisch von der Wiener Moderne geprägt ist. In einer Wiener Monatsschrift veröffentlichte Sommer zudem einige Beiträge über das Judentum und den Zionismus. Er stand dem ‚Prager Kreis‘ um Max Brod und Franz Kafka nahe.
Von 1912 bis 1914 war Sommer am Kreis- und Bezirksgericht in Iglau tätig. Während des Ersten Weltkriegs wurde er einberufen und war bei verschiedenen Kriegsgerichten für juristische Aufgaben eingesetzt. Nach Kriegsende und seiner Entlassung aus dem Militär setzte er seine Tätigkeit als Konzipient in Dux bis 1920 fort. Am 9. Juni 1919 heiratete er Leontine Illowy und im April 1920 wurde seine Tochter Beate Claudia geboren. 1919 legte ebenfalls die Advokatenprüfung ab. 1920 eröffnete er in Karlsbad eine Anwaltskanzlei und saß für die Sozialdemokratische Partei, der er wahrscheinlich 1920 beigetreten war, im Stadtrat.
Bis 1922 veröffentlichte er zudem zwei weitere literarische Werke. Er war ständiger Mitarbeiter der sozialdemokratischen Tageszeitung „Volkswille“ in Karlsbad und schrieb viele Theaterkritiken. Er verfasste auch selbst einige Bühnenstücke, so etwa 1921 das Legendenspiel „Johannes und Hieronymus“. 1924 gründete er zusammen mit dem Schriftsteller Bruno Adler und Ernst Bergauer die Literaturzeitschrift „Die Provinz“. Sie sollte das Verständnis zwischen Tschechen und Deutschen fördern. Egon Kirsch, Otto Pick und Rudolf Fuchs veröffentlichten darin Beiträge. Die Zeitung musste jedoch nach einem Jahr eingestellt werden, da sie nicht genügend Leser fand. Sommer gehörte außerdem als Mitglied der 1894 gegründeten Freimaurerloge ‚Karlsbad‘ der Vereinigung ‚B’nai B’rith“, einer weltweiten jüdischen Brüderschaft, die Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet worden war, an.
Erst mit der Machtübernahme Hitlers begann Sommer wieder nebenberuflich schriftstellerisch zu arbeiten. 1935 erschien Sommers historischer Roman „Die Templer“, an dem er seit 1933 gearbeitet hatte. Er wurde von vielen Kritikern als eine verfremdete Anklage gegen den Nationalsozialismus gelesen. 1937 folgte der Roman „Botschaft aus Granada“, der auf die ‚Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums‘ gesetzt wurde und nur im Rahmen einer Ausnahmeregelung in Deutschland erscheinen konnte. Thema des Romans war die Vertreibung der Juden durch Königin Isabella von Kastilien im Jahr 1493.
Bei der Ausübung seines Anwaltsberufs hatte Sommer ab 1935 auch häufiger mit politischen Fällen zu tun und verteidigte Angehörige der linken Parteien.
Als Karlsbad im September 1938 dem Deutschen Reich zufiel, ging Sommer 1938 nach Prag ins Exil. Hier wurde er im Oktober offiziell als Flüchtling anerkannt. Er war außerdem Mitglied des internationalen P.E.N. Da Sommer als Jude und wegen seiner Tätigkeit als Anwalt als besonders gefährdet galt, wurde sein Visaantrag für England schnell berücksichtigt. Bereits im November desselben Jahres konnte er per Flugzeug nach England ausreisen. Seine Familie folgte ihm Anfang 1939. Nach dem Verlust seines Vermögens und seiner Arbeit war Sommer auf die Unterstützung durch Hilfsorganisationen angewiesen, etwa des CRFT (Czech Refugee Fund) oder des P.E.N. Sommer erwog weiter in die USA auszureisen, stieß jedoch auf Schwierigkeiten und kam schließlich von diesem Plan ab.
Sommer unterstützte während des Zweiten Weltkriegs die tschechoslowakische Exilregierung publizistisch und engagierte sich in der Exilpresse. Er beschäftigte sich auch mit dem Thema der Judenverfolgung, zumal er zunehmend Sorgen um seine Familie hatte. Von den im Oktober 1941 beginnenden Deportationen der Juden aus den böhmischen Ländern in das Getto Theresienstadt waren auch seine Mutter und die Familie seiner jüngeren Schwester Antonia Grünberger betroffen. Sommers Mutter beging 1942 im Getto Theresienstadt durch einen Sprung aus dem Fenster Selbstmord, seine Schwester wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Sommers Erzählung „Die Gaskammer“ vom Dezember 1942 ist seine erste literarische Arbeit zum Holocaust. Sie war eine Auftragsarbeit für die Weihnachtsausgabe der Zeitschrift „Einheit“. Die Erzählung beschreibt Soldaten, die zuerst grausame Morde verüben und dann sentimental Weihnachten feiern. Im April 1943 begann er mit seiner Arbeit an dem Roman „Die Revolte der Heiligen“, der 1944 erstmals in Mexiko herausgegeben wurde.
Nach Kriegsende reiste Sommer 1946 und 1947 nach Prag, kehrte jedoch trotz Plänen, in die Tschechoslowakei zurückzukehren, nicht dauerhaft dorthin zurück. In England stieß er jedoch auch auf Probleme bei der Ausübung seines Anwaltsberufs, da ihm zunächst die amtlich Erlaubnis fehlte. Es gelang ihm ebenfalls nicht, sich als Autor auf dem englischen Buchmarkt zu etablieren. Vorübergehend arbeitete er daher in einer Spiegelfabrik. Auch Pläne nach Österreich auszuwandern, wurden nicht realisiert. Seit Kriegsende studierte Sommer autodidaktisch ‚angelsächsisches Recht‘, erhielt 1948 schließlich die Lizenz als ‚consultant of international law‘ und arbeitete von nun an in London in einer eigenen Kanzlei als Anwalt für internationales Recht. Er betätigte sich auch erneut wieder als Theaterkritiker. In diesem Zeitraum wurde die Parkinsonsche Krankheit bei ihm diagnostiziert. Mit der Verschlimmerung seiner Krankheit wurde die Arbeit als Anwalt zunehmend schwieriger. Er veröffentlichte jedoch weiterhin zahlreiche Bücher, in der Hauptsache historische Biographien, wie über Thomas Münzer und Ullrich von Hutten. 1951 nahm Sommer die britische Staatsbürgerschaft an. Im gleichen Jahr wurde er zudem Mitglied des PEN-Klub deutscher Autoren im Ausland, da er aus dem tschechoslowakischen PEN ausgeschlossen worden war. Sommer lebte bis zu seinem Tod in Großbritannien.
''Quellen:''
*Bauer, Stefan: Ein böhmischer Jude im Exil. München 1995.
*Herzog, Andreas: „Sommer, Ernst“. In: Kilcher, Andreas B.: Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Stuttgart/Weimar 2000, S. 536-562.
*Macháčková-Riegerová, Věra: Ernst Sommer. Praha 1969.
*Pazi, Margarita: Fünf Autoren des Prager Kreises. Frankfurt am Main/Bern/Las Vegas 1978, S. 170-210.
Johanna Spector (geb. 23.03.1915, gest. 14.01.2008) wurde als jüngstes Kind des jüdischen Holzhändlers Jacob Chayim und seiner Frau Anna (Meyer) in Lichtenberg geboren. Johanna und ihr älterer Bruder Naum wuchsen in wohlhabenden Verhältnissen in Libau, Litauen, auf.
1939 heiratete sie Robert Spector, der im Dezember 1941 von den Deutschen getötet wurde. Johanna Spector überlebte als einzige ihrer Familie den Holocaust in verschiedenen Konzentrationslagern und Gettos, so z.B. im Getto Libau (Libau, Lettland), im KZ ‚Kaiserwald‘, (Riga, Lettland), Arbeitslager ‚Préču‘ (Riga, Lettland), KZ Stutthof (bei Danzig/Gdansk, Polen), Außenarbeitslager ‚Stolp‘ (Außenlager des KZ Stutthof, Stolp/Slupsk, Pommern) und Arbeitslager Burggraben (bei Danzig/Gdansk, Polen). Sie wurde von den Engländern im Mai 1945 in Eckernförde bei Kiel in Schleswig-Holstein befreit.
1947 emigrierte sie in die USA und studierte dort jüdische Musik. 1950 erlangte sie am Hebrew Union College ihren Doktortitel und 1960 einen Mastertitel an der Columbia University.
In den nächsten Jahrzehnten lehrte Spector an zahlreichen Universitäten und Hochschulen in Israel und den USA, so z.B. an der Rubin Academy of Music, der Hebrew University of Jerusalem und dem Jewish Theological Seminary of America. 1962 gründete sie das Institut der Ethnomusikwissenschaft am jüdisch-theologischen Seminar in New York und war bis 1985 dessen Leiterin. 1970 erlangte sie die Professorenwürde. Sie emeritierte 1985.
Spector erreichte als Ethnomusikwissenschaftlern eine große Reputation und hohes Ansehen. Darüber hinaus hat sie zahlreiche Bücher und Aufsätze publiziert.
''Quelle:''
*Jewish Women's Archive Encyclopedia: „Johanna Spector“. Online: http://jwa.org/encyclopedia/article/spector-johanna (Stand: 18.09.2019). +
Gerty Spies (geb. 13.01.1897 in Trier, gest. 10.10.1997 in München) wurde unter dem Namen Gertrud Gumprich als Tochter des jüdischen Kaufmanns und Mundartdichters Sigmund Gumprich geboren. Sie besuchte die Köngliche Höhere Mädchenschule in Trier und legte am Fröbelseminar in Frankfurt am Main das Examen als Hortnerin ab. Ihr Bruder fiel 1918 im Ersten Weltkrieg, diese Erfahrung verarbeitete sie in „Bittere Jugend“ literarisch. Ab 1929 lebte sie in München, von wo sie im Sommer 1942 von der Gestapo in das Getto Theresienstadt verschleppt wurde. Hier wurde sie bis zur Befreiung durch die sowjetischen Truppen festgehalten.
1920 heiratet Gerty Spies einen Chemiker christlichen Glaubens. Ein Jahr später wurde die Tochter Ruth geboren. Aus der autobiografischen Erzählung „Selektion“ in ihrem Buch „Drei Jahre Theresienstadt“ geht hervor, dass ein weiteres Kind, der Sohn Wolfgang mit einer Behinderung zur Welt kam. 1927 ließ sie sich scheiden und zog nach München.
Nachdem sie zunächst Zwangsarbeit in einem Münchner Verlag leisten musste, wurde sie im Juli 1941 nach Theresienstadt deportiert. Hier muss sie in einer Glimmerspalterei Schwerstarbeit leisten.
Nach Kriegsende kehrte Gerty Spies nach München zurück. Hier arbeitete sie im bayrischen Hilfswerk und kümmerte sich um Überlebende. 1947 erschien der Gedichtband „Theresienstadt“.
1984 wurde Spies zur Ehrenvorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in München ernannt. 1986 erhielt sie den Schwabinger Kunstpreis für Literatur und 1987 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1996 verleiht die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz zweijährlich den mit 5000 Euro dotierten „Gerty-Spies-Literaturpreis“ für literarische Arbeiten zu gesellschaftspolitischen Themen.
''Quellen:''
*Benz, Wolfgang: Eine Geschichte von Täuschung und Vernichtung. München 2013, S. 71 f. und 127 f.
*Gauch, Sigfried: Blätter zum Land. Die Schriftstellerin Gerty Spies. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland Pfalz. Mainz 1/2000.
*o.A.: „Spies Gerty“. In: Deutsche Biographie. Online: https://www.deutsche-biographie.de/sfz123507.html (Stand: 18.09.2019).
*o.A.: „Blätter zum Land: Die Schriftstellerin Gerty Spies“ 2000. In: Landeszentrale für politische Bildung Rheinland Pfalz. Online: https://politische-bildung.rlp.de/fileadmin/files/Preisverleihungen/Die_Schriftstellerin_Gerty_Spies.pdf (Stand: 19.09.2019).
*o.A: „Land und Leute: Die Schriftstellerin Gerty Spies“. In: Landeszentrale für politische Bildung Rheinland Pfalz. Online https://politische-bildung.rlp.de/nachrichten/im-blickpunkt/aktuell.html?tx_news_pi1%5Bnews%5D=1508&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=0886ea97b3df967da77b36cd5857dc77 (Stand: 19.09.2019).
*Spies, Gerty: Theresienstadt. Gedichte von Gerty Spies. München o.J.
Rita Sprengel (geb. 06.01.1907, gest. 20.12.1993) verlor schon mit acht Jahren ihre Mutter. Sie studierte Jura und wollte Rechtsanwältin werden. Sie war in der inzwischen illegalen kommunistischen Partei aktiv und setzte sich auch juristisch für die Arbeiterschaft ein. 1933 wurde sie zusammen mit ihrem Ehemann Horst verhaftet und in Berlin sowie im Konzentrationslager Mohringen inhaftiert. Hier entwickelte sie zusammen mit anderen Frauen ein Weiterbildungsprogramm und gab dem Sohn des Lagerkommandanten Nachhilfestunden in Physik, Chemie und Mathematik.
Nach ihrer Entlassung aus dem Lager arbeitete sie im Untergrund weiter. Eine Schwangerschaft brach sie 1937 wegen der politisch schwierigen Situation ab.
1941 wurde sie erneut verhaftet und in das KZ Ravensbrück überstellt, wo sie bis zur Befreiung des Lagers interniert war.
Nach 1945 promovierte sie über das Tarifvertragsrecht und legte das zweite juristische Examen ab. Sie nahm zwei Pflegekinder auf und wurde Arbeitsökonomin. Einige Jahre war sie als Dozentin für Arbeitsökonomie an der Humboldt-Universität tätig. Bei der Mitgliederüberprüfung innerhalb der SED 1950/1951 wurde sie aus der Partei ausgeschlossen, konnte jedoch weiterhin Forschung im Bereich der Arbeitsökonomie betreiben. Erst nach langem Kampf wurde sie wieder in die Partei aufgenommen. Immer wieder schrieb sie über ihre Erlebnisse im Nationalsozialismus. Bis auf das Werk „Die eiserne Ferse“ von 1947 wurden diese jedoch in der DDR nicht veröffentlicht. Ihre Lebenserinnerungen „Der roten Faden“ erschienen 1994 in Berlin.
''Quellen:''
*Degen, Barbara: Das Herz schlägt in Ravensbrück. Die Gedenkkultur der Frauen. Opladen/Farmington Hills 2010.
*o.A.: „Zeit der Prüfungen“. In: Berliner Zeitung vom 04.01.1995. Online: http://www.berliner-zeitung.de/archiv/zeit-der-pruefungen,10810590,8896596.html (Stand: 18.09.2019).
*Szepansky, Gerda: „Der rote Faden: Lebenserinnerungen von Rita Sprengel. Ohne Lügen leben“. In: Berliner Zeitung vom 05.01.1995. Online: http://www.berliner-zeitung.de/archiv/der-rote-faden--lebenserinnerungen-von-rita-sprengel-ohne-luegen-leben,10810590,8897038.html (Stand: 18.09.2019).
Jenny Schaner (geb. Ertel), geb. 1907 in Baligród, wuchs in Berlin auf. Zusammen mit ihrem Ehemann Moritz Spritzer zog sie aus beruflichen Gründen 1931 in die Niederlande. Nach der Machterlangung der Nationalsozialisten 1933 entschlossen sich beide, in den Niederlanden zu bleiben. Nach der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen im Mai 1940 floh Jenny Schaner mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn nach Frankreich. Beim Versuch, in den unbesetzten Teil Frankreichs zu gelangen, wurden sie jedoch im Oktober 1941 verhaftet. Im Sommer 1942 wurde sie vom Durchgangslager Angers (bei Nantes) als Jüdin nach Auschwitz deportiert und dort mit der Nummer 10.291 registriert. Sie wurde zunächst im Frauenkonzentrationslager im Stammlager Auschwitz I inhaftiert, bis sie Häftlingsschreiberin im ‚Standesamt‘ der Politischen Abteilung wurde. Dort wurden ausschließlich die Todesfälle im Lager registriert. Schaner musste hier von Juli 1942 bis Dezember 1944 auf der Grundlage der Todesmeldungen aus den Häftlingskrankenbauten die Sterbeeinträge schreiben, die dann in sogenannten Sterbebüchern gesammelt wurden. Im Januar 1945 konnte sie während eines Todesmarsches fliehen und es gelang ihr, sich bis zur Befreiung durch die Rote Armee in Oberschlesien durchzuschlagen.
Im April 1964 und Februar 1965 sagte sie im Frankfurter Auschwitz Prozess unter anderem gegen ihren Chef im Standesamt der Politischen Abteilung in Auschwitz, SS-Oberscharführer Walter Quakernack, aber auch gegen Wilhelm Boger aus, der an den Häftlingen sadistische Foltermethoden ausübte. Schaner lebte damals in Zürich.<div>
''Quelle:''
* Der Auschwitz-Prozess: Jenny Schaner. Online: http://www.auschwitz-prozess-frankfurt.de/index.php?id=93 (Stand: 22.08.2018)
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Richard Edmund Stantke (geboren am 4. Juni 1898 in Breslau), war laut der in Mauthausen erstellten Häftlingspersonalkarte von seiner Frau Christine, geb. Knierien, geschieden und Vater eines Kindes. Als Wohnort wird Rodebach bei Kassel genannt, als Beruf Kaufmann.
Am 11. April 1941 wurde er durch die Kriminalpolizei Berlin in das Konzentrationslager Mauthausen eingewiesen, wo er unter anderem Zwangsarbeit in der Wäscherei leisten musste. Am 8. April 1944 wurde er in das Außenlager Gusen I überstellt, dort arbeitete er in der Häftlingsküche. Im Konzentrationslager erhielt er die Häftlingsnummer 2784 und als „Berufsverbrecher“ den grünen Winkel der ‚Kriminellen‘. Vorstrafen werden in den erhaltenen Unterlagen nicht genannt.
''Quellen''
*Arolsen Archives. Online: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/1779532?s=Edmund%20STantke&t=222854&p=1 (Stand: 13.07.2022). +
Julius Steeger (geb. 22.04.1881 in Bayreuth, gest. 05.05.1954) wurde als Kind armer Eltern geboren. Er erlernte das Buchdruckhandwerk und arbeitete nach seiner Lehrzeit in verschiedenen Städten. 1898 wurde er Mitglied des Deutschen Buchdruckerverbandes und 1903 der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Er wirkte unter anderem an der Sozialdemokratischen Zeitung „Fränkische Volkstribüne“ mit, die nach seinen Angaben im Fichtelgebirge und im Frankenwald als „das einzige demokratische Sprachorgan“ (Steeger o.J.,Vorwort, o.S.) galt.
1919 wurde er für den Wahlkreis Oberfranken in den Bayerischen Landtag gewählt, dem er die folgenden 13 Jahre angehörte. Im Jahr 1933 wurde der Zeitungsbetrieb von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und Steeger arbeitslos. Mit einem „weiteren Opfer der Nazis“ (ebd.) übernahm er in Nürnberg die Druckerei „Sonntag & Steeger“. Am 22. August 1944 wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau verbracht, nach 30 Tagen Haft wurde er entlassen.
Am 16. November 1945 gründete Steeger in seiner Heimatstadt Bayreuth das Verlagshaus Steeger, wo er ab dem 18. Dezember mit amerikanischer Lizenz eine neue Zeitung mit dem Titel „Fränkische Presse“ herausgab. Am 1. Februar 1946 wurde aus dem Verlag ein eigener technischer Betrieb durch aufgekaufte und aufgearbeitete Setz-, Druck- und Buchbindereimaschinen. Im September trat Walter Fischer als Gesellschafter in den Verlag Julius Steeger ein, beide waren schließlich zu gleichen Teilen Gesellschafter des Unternehmens und Geschäftsführer. Der neue Titel des Verlags lautete „Fränkische Presse Druckerei und Verlag Julius Steeger & Co. GmbH“.
''Quellen:''
*o.A.: „Wer ist wer in Bayreuth“. Online: http://www.barnick.de/bt/wer/index.htm (Stand: 19.09.2019).
*Steeger, Julius: „Vorwort“. In: ders.: 30 Tage Schreckenslager Dachau. Zürich o.J., o.S. +
Robert Stumper (geb. 21.01.1895 in Grevenmacher, gest. 15.04.1977 in Luxemburg) arbeitete nach seinem Chemiestudium ab 1922 als Ingenieur für verschiedene Firmen, unter anderem ab 1925 als Chef der Laboratorien bei einem luxemburgischen Stahlhersteller. Er publizierte zudem wissenschaftliche Bücher zu chemischen und biologischen Themen: In weit über hundert Texten beschäftigte er sich mit Ameisen, Orchideen und der angewandten Chemie. Seine Forschungen wurden unter anderem mit der Benennung einer Ameisenart nach ihm gewürdigt.
Während der deutschen Okkupation Luxemburgs wurde Stumper festgenommen, da er im Verdacht stand, für Russland Propaganda betrieben zu haben. Am 5. November 1941 wurde er mit anderen luxemburgischen Häftlingen in das SS-Sonderlager Hinzert eingeliefert, wo er unter der Nummer 2344 geführt wurde. Am 11. Februar 1942 wurde er von Hinzert aus an das Einsatzkommando Luxemburg zurücküberstellt, das ihn schließlich am 10. März 1942 entließ. Nach dem Krieg beantragte er zwar keine offizielle Anerkennung als Widerstandskämpfer, berichtete aber in verschiedenen Medien über seine KZ-Erfahrungen, so zunächst in seinem Bericht „Gestapo-Terror in Luxemburg“ (1949), aber auch in Zeitungen wie „Rappel“ (1951), dem „Livre d’Or de la Résistance luxembourgeoise“ (1952) und der „Obermoselzeitung“ (1945). Als Gründungspräsident der „Liga der Luxemburgischen politischen Gefangenen und Deportierten“ (LPPD) setzte er sich aktiv für die Rückkehr ehemaliger luxemburgischer Häftlinge ein.
Stumper gelang die soziale und berufliche Reintegration und er arbeitete nach seiner Heimkehr zunächst wieder bei dem Stahlhersteller ARBED, 1948 wechselte er zu einem Zementhersteller. Er widmete sich erneut auch wieder seinen Ameisenforschungen. Ab den 1950er Jahren scheint er nicht mehr aktiv in der Erinnerungsarbeit der ehemaligen luxemburgischen Häftlinge mitgewirkt zu haben.
''Quellen:''
*Dokumentations- und Forschungszentrum zum Widerstand in Luxemburg (Villa Pauly), schriftliche Auskunft vom 22.12.2014.
*National Archives at College Park, Maryland, NARA A 3355, Film 5, Teil I,II (weitergeleitet durch die Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert).
Über den Schweizer Paul Stämpfli und sein Leben ist in der bisherigen Forschung nur wenig bekannt. Als Kaufmann reiste er 1942 nach Deutschland, wo er am 31. März in Berlin wegen angeblicher Spionage und Landesverrat verhaftet wurde. Nach Monaten der Untersuchungshaft im Alexander-Gefängnis, im Gefängnis Lehrter Straße und schließlich im Gefängnis Moabit wurde er im Zuchthaus Berlin-Plötzensee inhaftiert. Dort wartete er über ein Jahr auf die Vollstreckung des über ihn ausgesprochenen Todesurteils. Vermutlich rettete ihn die Intervention der Schweizer Botschaft in Berlin: Am 15. Oktober 1943 wurde er entlassen und mit einem Sammeltransport zurück in die Schweiz gebracht. +
Stefan Szende (geb. 10.04.1901 in Szombathely/Ungarn, gest. 1985) wurde als István Szende in eine liberale, jüdische Familie geboren. Szende besuchte die Volksschule und ein katholisches Ordensgymnasium, das er 1919 mit dem Abitur abschloss. Schon 1919 engagierte er sich in der Kommunistischen Partei Ungarns und geriet in die Wirren um die kurzlebige ungarische Räterepublik. Daher schickte ihn seine Familie nach Wien, wo er ein Philosophiestudium aufnahm. 1921 wechselte er nach Budapest, wo er nun Rechts- und Staatswissenschaften studierte. Neben dem Studium war er weiterhin politisch aktiv und veröffentlichte Rezensionen und Essays. 1924 schloss er das Studium ab, 1925 folgte die Promotion. Im Jahr darauf wurde er wegen Äußerungen in seinen Artikeln und in einer Versammlung verhaftet. Als Szende im Sommer 1928 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, floh er aus Ungarn nach Österreich, um einer langjährigen Haftstrafe zu entgehen. Hier konnte er mit Unterstützung der Roten Hilfe Fuß fassen. Er nahm sein abgebrochenes Philosophiestudium wieder auf und wurde um 1930 zum Dr. phil. promoviert.
Kurz zuvor war er im Zuge stalinistischer Säuberungen aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden. Szende verließ Österreich und zog nach Berlin, wo er 1931 Mitglied der Kommunistischen Partei-Opposition (KPO) wurde, einer Abspaltung von der KPD. Im Jahr darauf wechselte er mit vielen Anderen gemeinsam in die neu gegründete Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), für die er nach Machtantritt Hitlers auch illegal arbeitete.
Nach Verhaftungen durch die Gestapo hatte Szende ab August 1933 kurze Zeit die Leitung der SAP inne, bevor auch er am 22. November 1933 verhaftet wurde. Tagelang wurde er in einem Folterkeller der SA verhört und misshandelt. Am 1. Dezember 1933 schließlich kam er in das Konzentrationslager Columbiahaus; Verhöre und Misshandlungen waren auch hier an der Tagesordnung. Anfang 1934 wird Szende in das Konzentrationslager Oranienburg verlegt, wo er als Jude besonderen Drangsalierungen und Folterungen ausgesetzt war. Am 20. März 1934 wurde er in das Untersuchungsgefängnis Moabit überstellt.
Vom 26. November bis zum 1. Dezember 1934 fand vor dem Volksgerichtshof der Prozess gegen Szende und andere SAP-Mitglieder statt, in dem er zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Da ihm die bisherige Haftzeit anerkannt wurde, wurde er nach einem Jahr Haft im Zuchthaus Luckau am 6. Dezember 1935 entlassen, an die tschechische Grenze gebracht und abgeschoben.
In Prag schloss sich Szende der Exil-SAP an, deren Prager Leitung er kurz darauf übernahm. In Tschechien lebte er mit seiner Frau und Tochter in prekären Verhältnissen, da er als Flüchtling keine Arbeit aufnehmen durfte. Im Oktober 1937 gelang es ihm schließlich, eine Einreiseerlaubnis für sich und seine Familie nach Schweden zu erhalten. Hier arbeitete er weiter politisch und konnte die Familie durch journalistische Arbeiten ernähren. In Schweden veröffentlichte er 1944 sein Buch „Der letzte Jude aus Polen“, dem weitere politische, vor allem außenpolitische Schriften folgten. Im Herbst 1944 trat Szende zusammen mit vielen anderen SAP-Mitgliedern, unter ihnen auch Willy Brandt, zur SPD über.
Nach Kriegsende blieb er in Schweden, wo er als Journalist und Publizist arbeitete, unter anderem war er als skandinavischer Korrespondent des RIAS tätig. Szende erhielt 1972 das Bundesverdienstkreuz. 1975 veröffentlichte er seine Erinnerungen.
''Quellen:''
*„Stefan Szende“. In: Wikipedia. Online: https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Szende (Stand: 19.09.2019).
*„Szende, Stefan“. In: Nationalsozialismus, Holocaust, Widerstand und Exil 1933-1945. Dokument-ID: BHB-3590. De Gruyter. Online unter: http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BHB-3590 (Stand: 19.09.2019).
Ernst Szép (geb. 30.06.1884 in Huszt als Ernő Szép, gest. 02.10.1953 in Budapest) wuchs als Sohn eines Lehrers und einer Schneiderin in ärmlichen Verhältnissen auf und wandte sich schon früh dem Schreiben zu, um Geld zu verdienen. Ab 1903 finden sich Kolumnen, Feuilletonartikel, Kabarettlieder, Glossen und Gedichte von Szép in verschiedenen Zeitungen wie beispielsweise der bürgerlichen „Nyugat“. 1914 meldete er sich als Freiwilliger für den Kriegseinsatz und war als Krankenpfleger sowie Kriegsberichterstatter tätig. In den Wirren um die kommunistischen Umsturzversuche in Budapest floh Szép 1920 nach Wien, kehrte aber schon im darauffolgenden Jahr zurück. Er wurde einer der bekanntesten ungarischen Autoren und Vertreter der modernen ungarischen Literatur, verfasste Gedichte, Romane und Theaterstücke, die breite Kreise begeisterten. Seine Dramen wurden vielfach aufgeführt und sogar verfilmt; seine Bücher wurden auch in Deutschland verlegt. In dieser Zeit wurde er gerne als „Kaffeehausliterat“ (Rössner 1999, S. 155) bezeichnet, da er immer in den bürgerlichen Salons der Stadt anzutreffen gewesen sei. 1944 erreichte die Judenverfolgung auch Ungarn: Szép, der jahrelang in einem Hotel auf der Margareteninsel in Budapest gelebt hatte, wurde gezwungen, mit seinen Geschwistern in ein ‚Judenhaus‘ in Budapest zu ziehen. Im Oktober 1944 wurde er mit einer Vielzahl von jüdischen Männern aus Budapest zur Zwangsarbeit in eine Ziegelfabrik geschickt. Durch einen Schutzbrief des schwedischen Botschafters Raoul Wallenberg konnten er und weitere Männer gerettet werden: Sie wurden nach drei Wochen entlassen und durften nach Budapest zurückkehren. Dort lebte Szép in speziell ausgewiesenen Häusern für geschützte Juden und entging so der Deportation in eines der Vernichtungslager. Seine beiden Brüder und eine Schwester wurden ermordet. Nach dem Krieg gelang es ihm nicht mehr, als Autor Fuß zu fassen und er starb in großer Armut bereits im Alter von 69 Jahren.
''Quellen:''
*o.A.: „Lebenslauf Ernö Szép“. Online: http://hunlit.hu/szeperno,de (Stand: 18.09.2019).
*Rössner, Michael (Hg.): Literarische Kaffeehäuser, Kaffeehausliteraten. Wien 1999.
*Szép, Ernő: „Autobiographical Statement (1947)“. In: ders.: The Smell of Humans. A Memoir of the Holocaust in Hungary. Budapest/London/New York 1994, S. vii-viii.
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Cornelia Arnolda Johanna ten Boom, geb. am 15. April 1892 in Amsterdam, gest. am 15. April 1983 in Placentia, Kalifornien, wuchs in einer Großfamilie auf. Ihr Vater, Casper ten Boom, betrieb ein Uhrmachergeschäft in Haarlem. Cornelia, unter dem Spitznamen Corrie bekannt, wurde ab 1920 in Basel zur Uhrmacherin ausgebildet und war 1924 die erste Frau der Niederlande, die ein Uhrmacher-Diplom erhielt. Ihre Eltern sowie die im Haus lebenden Tanten waren in der Niederländisch-reformierten Kirche aktiv und unterhielten viele freundschaftliche Verbindungen zu Juden, die der Vater als „Gottes altes Volk“ besonders liebte. Bereits Corries Großvater hatte sich im 19. Jahrhundert für die Stärkung christlich-jüdischer Gemeinschaften engagiert. Corrie ten Boom blieb unverheiratet und arbeitete vor dem Zweiten Weltkrieg im Uhrmachergeschäft des Vaters. Außerdem war sie in der Sonntagsschule ihrer Kirchengemeinde aktiv und ließ sich zur Religionslehrerin ausbilden.
Als die Niederlade 1940 besetzt wurden und die niederländischen Juden in die Konzentrationslager verschleppt wurden, engagierten sich Corrie ten Boom und ihre Familie ab Ende 1942 im Widerstand. Sie versteckten und versorgten mehrere jüdische Familien und Kinder in ihrem Haus in einem Verschlag, organisierten unter den zunehmend schwierigeren Bedingungen Lebensmittel. Nachdem zunächst die Schwester Nollie verhaftet worden war, wurde am 28. Februar 1944 Corrie ten Boom ebenfalls denunziert und zusammen mit den anwesenden Familienmitgliedern verhaftet. Das Haus wurde durchsucht, die versteckten Menschen konnten jedoch gerettet werden. Während die übrigen Familienmitglieder wieder freigelassen wurden, wurden Corrie und ihre Schwester Elisabeth, Betsie genannt, zunächst im Juni 1944 weiter ins Lager Vught und schließlich im September ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Der Vater war zuvor in Haft in Scheveningen im Alter von 84 Jahren gestorben. Im Lager hielt Corrie heimlich Bibelstunden ab, um den Überlebenswillen ihrer Mitgefangener zu stärken. Betsie überlebte das Lager nicht. Sie starb im Dezember 1944. Corrie wurde zwei Wochen später aus dem Lager entlassen und kehrte zurück nach Haarlem, wo sie bis zur Befreiung blieb.
Nach dem Krieg gründete Corrie ten Boom Rehabilitationszentren für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und setzte sich für die Versöhnung zwischen Opfern und Tätern ein. Sie predigte nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Deutschland und in vielen anderen Ländern. Ihr zentrales Thema war Vergebung, die nur durch Gottes Hilfe möglich sei. Sie schrieb zudem einige Bücher. Ihre Autobiographie „Die Zuflucht“ (original: „De Schuilplaats“) wurde 1975 unter dem Titel „The Hiding Place“ verfilmt.
In Anerkennung ihres Einsatzes während des Zweiten Weltkriegs wurde Corrie Ten Boom von der niederländischen Königin zum Ritter geschlagen und von der Gedenkstätte Yad Vashem 1967 als Gerechte unter den Völkern geehrt. In ihrem Elternhaus ist heute das Corrie ten Boom Museum untergebracht. Das Haus wurde wieder in den Zustand von 1944 versetzt, so dass man das Versteck hinter einer falschen Wand in ihrem ehemaligen Schlafzimmer besichtigen kann, wo Juden und Mitglieder der niederländischen Untergrundbewegung beherbergt wurden.
''Quellen:''
*Corrie ten Boom House. Online: https://www.corrietenboom.com/en/family-ten-boom (Stand: 08.08.2018).
*The Righteous Among The Nations. Boom ten FAMILY. Online:https://collections.yadvashem.org/en/library/8217001 (Stand: 08.08.2018).
*United States Holocaust Museum. Corrie ten Boom. Online: https://www.ushmm.org/wlc/en/article.php?ModuleId=10006914 (Stand: 08.08.2018).
Bruno Carl Albert Georg Theek (geb. 20.05.1891 in Berlin, gest. 22.03.1990 in Ludwigslust) wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Berlin im Arbeitermilieu nahe Wedding auf. Wegen seiner guten schulischen Leistungen erhielt er ein Stipendium für ein Berliner Gymnasium, das er mit Abitur als Jahrgangsbester abschloss. Schon während der Schulzeit verdiente er Geld mit Nachhilfestunden hinzu und konnte so seine Familie finanziell unterstützen. Dennoch machte Theek Ausgrenzungserfahrungen als Arbeiterkind im bürgerlichen Milieu. Geldknappheit zwang ihn auch dazu, nicht wie geplant Medizin zu studieren, sondern evangelische Theologie. Er trat während seines Studiums in Berlin 1911 der SPD bei; bald wurde er bis zu deren Auflösung Mitglied der USPD. Immer wieder arbeitete er in den Semesterferien auch in Betrieben wie Blohm und Voß in Hamburg, um das Arbeitermilieu kennenzulernen.
Im Ersten Weltkrieg wurde Theek zwar einberufen, aufgrund gesundheitlicher Probleme blieb ihm der Fronteinsatz jedoch erspart. Stattdessen setzte er aus den Heilanstalten seine Prüfungen fort und begann Gottesdienste zu halten, Beerdigungen für andere Pfarrer zu übernehmen sowie als Lehrer in einem Erziehungsheim für höhere Söhne zu arbeiten. Von 1918 bis 1920 wirkte er erstmals als Pfarrer in Sauen, wo er bald den Spitznamen ‚Roter Pfarrer‘ erhielt.
Die Inflation verringerte allerdings das Einkommen als Pfarrer so sehr, dass Theek die Stelle aufgab und sozialpolitisch als Dezernent für soziale Fragen im Wohlfahrts- und Jugendamt des Berliner Magistrats aktiv wurde. Er war auch Reichsvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Kommunalbeamter. 1929 veröffentlichte er aus der Arbeit als Sozialarbeiter heraus seine Schrift „SOS – Jugend am Kreuz“ über soziale Probleme der Großstadtjugend.
In den 1930er Jahren arbeitete Theek wieder als Pfarrer in verschiedenen Gemeinden in Brandenburg und Mecklenburg. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er zunächst mehrfach verhaftet, aber immer wieder entlassen. Theek wurde auch Opfer körperlicher Übergriffe durch die SA und Gestapo des Ortes Satow. Im Oktober 1941 wurde Theek in seiner neuen Gemeinde Ludwigslust wegen ‚Kanzelmissbrauchs‘ und staatsfeindlicher Aussagen festgenommen und von der SS in Schwerin und später in Halle inhaftiert. Am 2. Januar 1942 wurde er in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert und erhielt die Gefangenennummer 28981. Zunächst war er in Block 26/III untergebracht. Am 21. Juli 1942 wurde er mit anderen Geistlichen für wenige Tage auf die Dachauer Plantagen zum Kommando Trockenboden-Gerätehaus überstellt. Theek wurde später wieder, bis zu seiner Entlassung am 3. April 1945, in den sogenannten Pfarrerblock gebracht. Er kehrte Ende April – also noch vor Kriegsende und der Eroberung des Ortes durch amerikanische Truppen – nach Ludwigslust an seine ehemalige Pfarrstelle zurück und wurde von den sowjetischen Besatzern im Juli 1945 zum Bürgermeister des Ortes ernannt; dieses Amt hatte er bis zum 15. September 1947 inne. Da seine erste Frau bereits 1938 verstorben war, hatte sich seine Haushälterin um die drei Kinder gekümmert. Als Pastor wirkte er von 1947 bis 1965 in Ludwigslust. Theek war mit anderen Holocaustüberlebenden vernetzt und engagierte sich mit dem ehemaligen politischen Häftling Willi Bredel beim Aufbau des Kulturbunds in Mecklenburg. Er erhielt verschiedene staatliche Auszeichnungen der DDR, wie die Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold.
''Quellen:''
*Häftlingsdatenbank der KZ-Gedenkstätte Dachau.
*o.A.: „[Lebenslauf]“. In: Theek, Bruno: SOS – Jugend am Kreuz. Rostock 2003, S. 59.
*o.A.: „Theek, Bruno (1891-1990)“. Online: http://library.fes.de/fulltext/bibliothek/tit00205/00205k11.htm (Stand: 18.09.2019).
*Theek, Bruno: Keller, Kanzel und Kaschott. Lebensbericht eines Zeitgenossen. Berlin 1961.
*Theek, Bruno: „Keller, Kanzel und Kaschott. Lebensbericht eines Zeitgenossen“. In: Spantig, Siegfried (Hg.): Drei Heimatschreiber. Schwerin 2009, S. 109-143.
*Wendel-Gilliar, Manfred: Das Reich des Todes hat keine Macht auf Erden. Priester und Ordensleute 1933-1945. KZ Dachau. Band II. Roma 2002, S. 70f.
Friedrich Torberg (geb. 16.09.1908 in Wien als Friedrich Ephraim Kantor, gest. 10.11.1979 ebenfalls in Wien) wuchs als Sohn tschechisch-jüdischer Eltern im gutbürgerlichen Milieu Wiens auf. Anders als seine assimilierten Eltern lebte er sein Jüdischsein und sah sich selbst als Jude: „Ich wußte, daß ich Jude war. Ich habe Hitler dazu nicht gebraucht“ (zit. nach Reich-Ranicki 1979, S. 21). In seiner Kindheit war Torberg sportlich sowie kulturell aktiv, gründete Lesezirkel an seinem Gymnasium und pflegte einen großen Freundeskreis. 1921 zog die Familie nach Prag, da der Vater zum Prokuristen seiner Firma aufgestiegen war. Auch dort konnte Torberg seinem Interesse für Literatur nachgehen, besuchte Prager Literaturcafés, schickte seine ersten Manuskripte an (zionistische) Zeitungen und lernte bekannte Schriftsteller wie Max Brod, der zu seinem Mentor und ‚geistigen Vater‘ wurde, oder Joseph Roth kennen. Sein literarischer Durchbruch gelang Torberg schon früh durch „Der Schüler Gerber hat absolviert“, einem Schulroman, der allein fünf tschechische Auflagen bis in die 1930er Jahre und die Übersetzung in zehn Sprachen erlebte. In den folgenden Jahren publizierte Torberg in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, u.a. auch in der „Weltbühne“ und der „Neuen Rundschau“. 1933 wurden seine Bücher in Deutschland verboten, da er sich politisch gegen die Nationalsozialisten engagierte und Jude war. Torberg, der auf der „Liste der deutschfeindlich tätigen Journalisten und Schriftsteller“ von 1936 stand, musste 1938 über die Schweiz nach Frankreich und in der Folge über Portugal in die USA emigrieren. Einer Verhaftung in Wien war er noch durch die zeitige Umsiedlung nach Prag zuvorgekommen. Die tschechoslowakische Exilarmee, der er sich in Frankreich noch anschließen wollte, musterte ihn aufgrund eines Herzfehlers aus. Torberg kam, wie seine Romanfigur in „Mein ist die Rache“, 1940 in New Jersey an und wurde von Freunden in Empfang genommen. Durch die Vermittlung des PEN-Clubs, der ihn auf Vorschlag von Erika Mann als einen der ‚Ten Outstanding Anti-Nazi-Writers‘ bereits bei der Ausreise aus Europa unterstützt hatte, erhielt er direkt einen Vertrag als Scriptwriter bei der Produktionsfirma Warner Brothers. Dies sicherte zwar Torbergs finanzielles Auskommen in den ersten Jahren in Hollywood, jedoch wurden seine Arbeiten zunächst nicht wahrgenommen. Umso wichtiger waren Torberg daher seine Freundschaften, die er mit anderen Emigranten wie dem Ehepaar Werfel schloss. Durch mehrere Drehbucherfolge wurde Torberg schließlich auch in den USA bekannt. 1945 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft und heiratete zum ersten Mal. Sechs Jahre blieb er noch in New York, kehrte dann aber nach Österreich zurück, wo er zu einer wichtigen Person des Wiener literarisch-kulturellen Lebens wurde. Er war bis zu seinem Tod ein gefragter Redner und Schriftsteller. Torberg gilt heute als „der bekannteste und einflußreichste österreichisch-jüdische Schriftsteller der Nachkriegszeit“ (Adunka 2000, S. 572) oder – wie Marcel Reich-Ranicki in seinem Nachruf auf ihn schreibt – als „Wiener Institution, ein österreichisches Wunder und ein deutsches Ärgernis“ (Reich-Ranicki 1979, S. 21).
Als Autor fand Torberg Zeit seines Lebens viele Betätigungsfelder, verfasste Romane, Gedichte, Dramen, Kritiken, Drehbücher und vieles mehr; auch fungierte er als Herausgeber des kulturpolitischen „FORUM“, als Übersetzer der satirischen Texte von Ephraim Kishon und als Herausgeber anderer Autoren.
''Quellen:''
*Adunka, Evelyn: „Torberg, Friedrich“. In: Kilcher, Andreas B. (Hg.): Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar 2000, S. 572f.
*Atze, Marcel: „Nachwort“. In: Torberg, Friedrich: Mein ist die Rache. Novelle. München 2008, S. 79-102.
*Axmann, David: Friedrich Torberg. Die Biographie. München 2008.
*Reich-Ranicki, Marcel: „Europäer, Österreicher, Jude. Zum Tode von Friedrich Torberg“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.11.1979, S. 21.
Irma Trksak (geb. 02.10.1917 in Wien, gest. 11.07.2017 in Wien) wurde als zweites von vier Kindern von Anna und Stephan Trksak in eine slowakische Arbeiterfamilie geboren. Die Eltern waren vor dem Ersten Weltkrieg aus der Slowakei nach Wien gezogen, um dort Arbeit zu finden. Stephan Trksak arbeitete sich schließlich zum Maschinisten einer Eisfabrik hoch. Irma konnte als Arbeiterkind das tschechische Komensky-Realgymnasium besuchen und legte hier ihre Matura ab. Danach verbrachte sie ein Jahr an der Pädagogischen Akademie in Prag und erhielt dann eine Anstellung als Lehrerin an der tschechischen Volksschule in Wien. Zudem unterrichtete sie in einer slowakischen Sprachschule. Als diese Schulen 1940 geschlossen wurden, begann Irma ein Slawistik-Studium.
Irma Trksak engagierte sich in ihrer Studienzeit im Widerstand, etwa im „Tschechoslowakischen Turnverein“. Sie vervielfältigte Flugblätter und half bei Sabotage-Aktionen mit. Schließlich wurden immer mehr Mitglieder der Gruppe verhaftet, darunter auch einer von Irmas Brüdern, und ohne Prozess in Konzentrationslager gebracht. Am 29. September 1941 wurde auch Irma verhaftet, einen Tag später ihr Freund Ludwik Štěpánek, bei dem ein im Garten vergrabenes Vervielfältigungsgerät gefunden wurde.
Zwölf Monate blieb sie in Gefängnishaft in Wien. In dieser Zeit wurde sie immer wieder verhört und zum Verrat ihrer Mitkämpfer aufgefordert. Lange Zeit verbrachte sie in Einzelhaft. Am 2. Oktober 1942, ihrem 25. Geburtstag, wurde sie in das Konzentrationslager Ravensbrück überstellt, wo sie die Häftlingsnummer 14177 erhielt.
Trksak meldete sich zur Zwangsarbeit bei Siemens, wo sie als Schreiberin die Arbeitsleistung der Häftlinge verzeichnen musste. Dies ermöglichte ihr, die Widerstandsarbeit fortzusetzen, indem sie die Statistiken der Arbeitsleistungen der Zwangsarbeiterinnen verfälschte. 1944 wurde Irma Stubenälteste in der „Internationalen Stube“. Sie wurde jedoch verraten, weil sie politische Aktivitäten und Diskussionen auf ihrer Stube duldete, und zur Strafe in die Uckermark versetzt. Schließlich gelang es ihr mit Hilfe von Elisabeth Thury, Chefin der Lagerpolizei in Ravensbrück, wieder in das Hauptlager zurücküberstellt und dort Stubenälteste im Block 3 zu werden. Am 29. April konnte sie im Chaos der Lagerauflösung vom letzten sogenannten Evakuierungsmarsch fliehen.
Ihre Eltern sowie die Schwester hatten den Krieg überlebt, die Brüder Jan und Stefan waren jedoch an der Front oder im Konzentrationslager gestorben. Auch ihr Freund Ludwik Štěpánek war in einem Nebenlager von Mauthausen umgekommen.
1947 war Trksak Zeugin in den Hamburger Ravensbrück-Prozessen. Sie gehörte 1947 zu den Gründungsmitgliedern der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück, deren Sekretärin sie zwischen 1984 und 2005 war. 1951 kam ihr Sohn zur Welt, beruflich war sie anfangs lange Jahre in der tschechischen Gesandtschaft tätig. Später betreute sie die tschechische Zeitung der KPÖ. Nachdem es jedoch zwischen ihr und der kommunistischen Partei zum Bruch gekommen war und sie aus der Partei ausgetreten war, arbeitete sie bis zu ihrer Pensionierung bei Siemens als Sachbearbeiterin. Viele Jahre wirkte sie darüber hinaus als Zeitzeugin in Schulen. Sie hielt zudem Vorträge und stellte sich für Dokumentationen und Reportagen zur Verfügung.
''Quellen:''
* o.A: „Irma Trksak". In: ÖsterreicherInnen im KZ Ravensbrück. Online: http://www.ravensbrueckerinnen.at/?page_id=385 (Stand: 18.09.2019).
* o.A: „Irma Trksak". In: Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands. http://www.doew.at/neues/irma-trksak-1917-2017 (Stand: 18.09.2019).
U
Dr. Emil Utitz (geb. 1873 in Prag, gest. 1956 in Jena) besuchte in Prag das Gymnasium und war ein Mitschüler Franz Kafkas. Er studierte in Prag, München und Leipzig und lehrte anschließend in Rostock und Halle. Später wurde er Professor für Psychologie und Ästhetik in Prag. 1942 deportierten die Nationalsozialisten ihn gemeinsam mit seiner Frau nach Theresienstadt, wo er die Bibliothek leitete. Nach der Befreiung arbeitete er wieder an der Universität Prag.
''Quelle:''
*Benz, Wolfgang: Theresienstadt. Eine Geschichte von Täuschung und Vernichtung. München 2013, S. 102f. +
Adalbert Utsch (geb. 01.05.1907) kam im November 1943 in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Die Gründe für seine Verhaftung waren unklar, ihm wurde nicht der Prozess gemacht. Der gebürtig aus München stammende Verfasser hatte sich mit seiner zweiten Ehefrau in Lemberg niedergelassen, wo sie gemeinsam eine Druckerei leiteten. Utsch mutmaßt, dass die Motive für seine Verfolgung sich in seiner zweiten, interkonfessionellen Hochzeit nach der Scheidung von seiner psychisch kranken ersten Ehefrau sowie seiner tiefen Religiosität begründet haben könnten. Über das Gefängnis Montelupich in Krakau, die dortige Gestapo-Behörde, das Breslauer Untersuchungsgefängnis und das Reichsicherheitshauptamt in Berlin, verbrachte man ihn schließlich nach Sachsenhausen. Am 6. Februar 1943 wurde er in das Hausgefängnis des Reichssicherheitshauptamtes Berlin überführt, wo er Besuch von seiner Ehefrau erhielt. Am 5. Dezember 1943 wurde Adalbert Utsch aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen entlassen und kehrte nach Lemberg in seine Heimat zurück. Er wurde sofort zum Dienst in der Wehrmacht einberufen, zunächst jedoch wegen seines angegriffenen Gesundheitszustands für ein Vierteljahr zurückgestellt. Obwohl sich sein Zustand nicht änderte, schickte man ihn, nachdem seine Inhaftierung im Konzentrationslager bekannt geworden war, zum Dienst an die vorderste Front unter anderem nach Ungarn. Er wurde bei einem Gefecht verletzt, das Lazarett, in dem er lag, bombardiert. Das Kriegsende erlebte er auf einer militärischen Krankenstation in Tirol.
''Quellen''
*„Konzentrationslager Sachsenhausen, Veränderungsmeldung“ – Auszug, 08.02.1943. In: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, NL 6/84, Bl. 030, 031.
*Utsch, Bert: Gestapo Häftling 52478. Aus den KZ Oranienburg-Sachsenhausen. Ottobeuren 1945. +
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Isa Vermehren (geb. 21.04.1918 in Lübeck, gest. 15.07.2009 in Bonn) wuchs in Lübeck in einem protestantischen Elternhaus auf. Sie war das zweite Kind von Dr. jur. Kurt Vermehren und Petra Vermehren, geborene Schwabroch. Ihr Großvater Julius Vermehren war Senator.
Nach Besuch des Ernestinen-Gymnasiums zog Vermehren mit ihrer Mutter, die Journalistin war, nach Berlin. Während Petra Vermehren im April 1934 auf Empfehlung des Berliner Rechtsanwalts und Freundes der Familie Paul Leverkuehn als erste Frau in der außenpolitischen Redaktion beim „Berliner Tageblat“ angestellt wurde, machte sich Vermehren mit Auftritten im politisch-literarischen Kabarett von Werner Finck, der Katakombe, schnell einen Namen. Ihr Markenzeichen wurde die Ziehharmonika, die sie „Agathe“ nannte und zu der sie Seemannslieder und Balladen sang. Mit ihren Sticheleien gegen das NS-Regime galt sie als Nachwuchstalent des Berliner Kabaretts.
1938 konvertierte sie durch den Kontakt zu Elisabeth Gräfin von Plettenberg, die später die Ehefrau ihres jüngeren Bruders Erich wurde, zur katholischen Kirche. Am Abendgymnasium holte sie ihr Abitur nach und spielte zwischen 1934 und 1941 in mehreren Spielfilmen mit. Ein Antrag auf Aufnahme in den Sacré-Coeur-Orden wurde wegen ihrer Tätigkeit als Unterhaltungskünstlerin abgelehnt. Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie mit ihrer Ziehharmonika zur Truppenbetreuung an die Front einberufen. Sie gehörte dem regimekritischen Solf-Kreis um Hanna Solf, der Witwe von Wilhelm Solf an. Auch unter anderem Albrecht Graf von Bernstorff, Otto Kiep und Herbert Mumm von Schwarzenstein an zählten dazu.
Im Januar 1944 setze sich ihr Bruder Erich Vermehren, der Mitglied der Abwehr unter Admiral Wilhelm Canaris war, zusammen mit seiner Frau von seinem Einsatzort Istanbul nach London ab. Isa Vermehren, ihre Eltern, ihre Schwester und ein weiterer Bruder wurden in Sippenhaft genommen und in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert. Sie überlebte die Lageraufenthalte in Ravensbrück, Buchenwald und Dachau. Als Mitglied des Geiseltransports von prominenten KZ-Häftlingen und Sippenhäftlingen wurde sie nach Südtirol verschleppt und dort am 4. Mai 1945 durch Wichard von Alvensleben befreit. Nach ihrer Rückkehr nach Hamburg Ende Juni 1945 nahm sie ein Engagement bei Radio Hamburg und später beim Nordwestdeutschen Rundfunk an. Anfang 1946 erschien im Verlag von Christian Wegner ihr Bericht über ihre Lagerhaft unter dem Titel „Reise durch den letzten Akt“, in dem sie auch zu einer Fehlinterpretation des Hitler-Attentäters Georg Elser beitrug. 1947 übernahm sie eine Rolle in Helmut Käutners Trümmerfilm „In jenen Tagen“.
Von 1946 bis 1951 studierte Vermehren an der Universität Bonn Katholische Theologie, Deutsch, Englisch, Geschichte und Philosophie. Dort förderte sie von 1949 bis 1951 das Studentenkabarett „Wintergärtchen“. Am 15. September 1951 trat sie in das Herz-Jesu-Kloster in Beuel-Pützchen der Kongregation der Schwestern vom Heiligsten Herzen Jesu ein. Dieser Frauenorden war während der Französischen Revolution von der heiligen Sophie Barat in Frankreich gegründet worden, um Kindern aus dem Proletariat ein Mindestmaß an Bildung zu vermitteln. Sie unterrichtete dort und wurde ab 1961 mit der Leitung des Sankt-Adelheid in Beuel-Pützchen betraut; von 1969 bis zum Eintritt in den Ruhestand 1983 leitete sie die Sophie-Barat-Schule in Hamburg. Von 1986 bis 1998 sprach sie regelmäßig da''s „''Wort zum Sonntag“ in der ARD. Vor allem ihrer Bildschirm-Präsenz verdankte die zuletzt in Bonn lebende Ordensfrau eine erhebliche Popularität. Für ihre Arbeit erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und den Deutschen Predigtpreis. Sie starb im Alter von 91 Jahren und wurde im Herz-Jesu-Kloster in Bonn-Pützchen beerdigt. Ihre Ziehharmonika ‚Agathe‘ hat seit 2005 einen Ehrenplatz im Bonner Haus der Geschichte.
''Quellen:''
* „Ein weites Herz“. In: TV Spielfilm. Online: https://www.tvspielfilm.de/kino/filmarchiv/film/ein-weites-herz,5256219,ApplicationMovie.html'"`UNIQ--nowiki-0000138F-QINU`"'(Stand: 05.07.2022).
* „Isa Vermehren ist tot“. In: Orden online. Online: http://www.orden-online.de/news/2009/07/17/isa-vermehren-ist-tot/ (Stand: 05.09.2013).
* „Zum 100. Geburtstag von Isa Vermehren: ‚Der Mensch muss unbedingt bereit sein, die Wahrheit zu lieben‘“. In: Deutschlandfunk Kultur, 22.04.2018. Online: https://www.deutschlandfunkkultur.de/zum-100-geburtstag-von-isa-vermehren-der-mensch-muss-100.html (Stand: 05.07.2022)
* Degen, Barbara: Das Herz schlägt in Ravensbrück. Die Gedenkkultur der Frauen. Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich, 2010.
* Stubbe da Luz, Helmut: Isa Vermehren. In: Hamburgische Biografie. Band 6. Göttingen 2012, S. 349-350.
Paul Vogt (geb. 23.05.1900 in Stäfa, gest. 12.03.1984 in Zizers) wuchs als Sohn eines Pfarrers in einem religiösen Umfeld in der Schweiz auf. Nach seinem Studium der evangelischen Theologie in Basel, Zürich und Tübingen arbeitete er als Pfarrer in Ellikon an der Thur, Walzenhausen und schließlich ab 1936 in Zürich-Seebach. Bereits 1931 setzte er sich mit dem von ihm gegründeten „Hilfswerk für die Arbeitslosen im Kanton Appenzell“ für sozial Schwache ein, für die er ab 1936 auch ein Sozial- und Heimatlosenheim in Walzenhausen errichtete. Nachdem viele Emigranten als Folge der nationalsozialistischen Politik Deutschland verlassen mussten und in die Schweiz geflohen waren, nahm sich Vogt dieser an und war 1936 Mitbegründer der „Schweizerischen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe“, die mit verschiedenen Aktionen überkonfessionell half, Flüchtlinge zu versorgen und sie teilweise auch bei Privatpersonen unterbrachte. Im selben Jahr übernahm er auch die Leitung des „Schweizerischen Hilfswerks für die Bekennende Kirche in Deutschland“ (SEHBKD). Von 1943 bis 1947 war er schließlich Flüchtlingspfarrer in Zürich, wo er die Berichte der Flüchtlinge für seine Publikation sammelte. Neben seiner Publikation „Aus Not und Rettung“ von 1944 nahm Vogt in zahlreichen Predigten und Veröffentlichungen – wie „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ von 1944 – Bezug auf das Schicksal der Flüchtlinge. Nach dem Krieg arbeitete er wieder als Gemeindepfarrer, setzte sich vielfältig für die christlich-jüdische Versöhnung ein und wurde mit dem Ehrendoktor der Universität Zürich ausgezeichnet.
''Quellen:''
*„Biografie Vogt, Paul“. In: Archiv der Zeitgeschichte der ETH Zürich, NL Paul Vogt.
*Lerf, Madeleine: „Vogt, Paul“. In: Historisches Lexikon der Schweiz. Online: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10898.php (Stand: 26.06.2019). +